Herthas Niederlage in Bochum in der Analyse: Nicht zu erklären | ABC-Z

Herthas Niederlage in Bochum in der Analyse
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Nicht zu erklären
Hertha BSC verliert beim VfL Bochum – und das, obwohl Hertha ziemlich vieles richtig macht und obwohl Hertha auch gut spielt. Eigentlich nämlich hatte der Ablauf der Partie genau festgestanden. Blöd nur, dass es ganz anders kam. Von Ilja Behnisch
Aus der Reihe “Sagen, was ist”: Wenn Fußball nicht so ein wunderbar bescheuertes Spiel wäre, hätte Hertha BSC beim Gastspiel in Bochum die Partie bis zur 70. Minute kontrolliert, den Gegner bis dahin müde gespielt und dann die entscheidenden Tore gemacht. Weil Bochum, das bis zu diesem Zeitpunkt aufopferungsvoll aber viel zu kraftraubend Raum und Zeit verteidigte, zunehmend Fehler machen würde. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt führte der VfL Bochum bereits mit 3:0. In einem Spiel, das da vermutlich 0:0 hätte stehen sollen, auf jeden Fall aber Unentschieden.
Womit wir bei der nächste Ansage sind. Liebe Leser, sollten Sie im weiteren Verlauf dieses Textes dem Gefühl anheim fallen, hier soll Ihnen etwas erklärt werden, müssen wir sagen: Sorry – keine Absicht! Es ist sinnlos. Sollte man auch nicht machen! Nicht nach dieser Begegnung.
Hertha als Feuerlöscher
Also so nüchtern wie es geht. Es war ein ganz wunderbares Spiel. Was allein schon daran liegt, dass es ein Flutlichtspiel im Bochumer Ruhrstadion war. Und sollte man den Fußball lieben, aber noch nie ein Flutlichtspiel im Bochumer Ruhrstadion besucht haben, sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man Liebe definiert.
Anzünden wollte Bochums neuer Trainer Uwe Rösler das Stadion bei seinem Heimdebüt. Das verkennt natürlich die Tatsache, dass dieses Stadion sich mindestens mal unter Flutlicht in schönster Regelmäßigkeit ganz von selbst anzündet. Spätestens dann, wenn über 20.000 Bochumer Fans kurz vor dem Einlaufen der Mannschaft Herbert Grönemeyers “Tief im Westen” singen, als würden sie damit Direktzugang in den Himmel erhalten. Umso erstaunlicher war es, mit welcher Selbstverständlichkeit Herthas Mannschaft gegen die so angestachelten Bochumer als Feuerlöscher auftrat. Zumal die Berliner angesichts des neuen Bochumer Trainers nicht so recht wussten, was sie vom Gegner fußballerisch zu erwarten hatten.
Ein 2:0, das ein 0:0 hätte sein sollen
Vielleicht auch deshalb lag Herthas primärer Fokus darauf, gut in die Zweikämpfe zu kommen, laufstark und möglichst dynamisch zu agieren. Das gelang ganz hervorragend. Spielerisch blieb zunächst vieles Stückwerk, aber das war zu verkraften. Erstaunlich war, dass die Mannschaft auch den frühen Rückstand durch das so unglückliche wie unnötige Eigentor von Michal Karbownik verkraftete (13. Minute). Hertha übernahm nach und nach die Spielkontrolle, angeleitet von einem stark aufspielenden Paul Seguin in seinem ersten Pflichtspiel für die Berliner überhaupt.
Allein – im letzten Drittel fehlte die Genauigkeit, so dass man bestens darüber nachdenken konnte, was wohl wäre, wenn der Mannschaft mal alle Spieler gleichzeitig zur Verfügung stehen würden. In Bochum fehlten mal wieder: John Brooks, Deyovaisio Zeefuik, Pascal Klemens, Michael Cuisance, Leon Jensen und Dawid Kownacki. Also sechs Spieler mit Startelf-Potential. Zwar machten es die tief stehenden Bochumer den Berlinern auch schwer. Trotzdem schien die Offensive der Hertha von blindem Verständnis weiter entfernt als das Olympiastadion vom Ruhrgebiet.
Und dann fielen einige Akteure auch merklich ab. Was Jón Dagur Thorsteinsson bei einem ambitionierten Zweitligisten in der Startelf zu suchen hat, erschloss sich (erneut) kaum. Und irgendwann müsste man sich auch mal ausführlicher der Frage stellen, warum Hertha seit Jahren darauf setzt, den fußballerisch feinen, doch schon arg leichtgewichtigen Karbownik als Linksverteidiger aufzubieten. Und während man sich das so fragte, stand es 2:0 für Bochum. In einer Partie, die zu diesem Zeitpunkt nun aber wirklich einfach 0:0 hätte stehen sollen. 0.36 xG zu 0.36 xG stand es zur Halbzeit. Expected Goals also – statistisch zu erwartende Tore in Anbetracht der Tormöglichkeiten.
Zwischen Witz und Komik
Und es ging munter so weiter. Hertha wurde fußballerisch immer besser, auch weil Bochum zusehends müde wurde. Und Bochum? Traf zum 3:0 (60.). Weil Toni Leistner sich von Bochums Philipp Hofmann übertölpeln ließ und Herthas gleich nebenbei stehender Torhüter Tjark Ernst vor lauter Begeisterung über diesen griechisch-römischen Ringkampf einfach auf die hier leicht mögliche erste Hilfe verzichtete. Guter erster Witz an dieser Stelle: Zuletzt drei Tore in einem Spiel hatte der VfL Bochum gegen den FC Bayern München erzielt. Guter zweiter Witz: Die erste gelbe Karte der Partie gab es in der 69. Minute. Guter dritter Witz: Elfmeter Hertha (79.). Herausgeholt und herausgewollt von Fabian Reese, der viel zu spät von der linken Seite – auf der er mit Leandro Morgalla einen an diesem Tag zu guten Gegenspieler hatte – auf die rechte Seite gewechselt war und schon das 1:3 (72.) vorbereitet hatte.
Und dann? Tja. In einem Spiel, in dem es nach rationalem Verlauf nun 2:0 für die Hertha hätte stehen sollen, schafften sie das 3:3 nicht mehr. Sagen, was ist: Klingt komisch, ist aber so.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.10.2025, 09:15 Uhr














