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Hertha-Rückkehrer Leon Jensen: “Auf dem Platz bin ich schon eklig” | ABC-Z

Interview | Hertha-Rückkehrer Leon Jensen

“Auf dem Platz bin ich schon eklig”


IMAGO / Jan Huebner

Audio: rbb24 Inforadio | Philipp Höppner | 05.08.2025 | Bild: IMAGO / Jan Huebner

Leon Jensen wechselte im Sommer aus Karlsruhe zu Hertha BSC. Es ist die Rückkehr zur alten Liebe. Vor dem Duell der befreundeten Klubs spricht er über die Lehren aus der Auftaktniederlage, besondere Emotionen – und ein ungewöhnliches Vorbild.

rbb|24: Glückwunsch zu Ihrem ersten Spiel für Hertha BSC, auch wenn es wahrscheinlich nicht so lief, wie Sie es sich vorgestellt haben. Wie war es, eingewechselt zu werden?

Leon Jensen: Du hast – wenn du an der Seitenlinie stehst – nicht so viel Zeit darüber nachzudenken, dass es dein erstes Spiel ist. Das passiert eher vorher oder nachher. In dem Moment liegst du 0:2 zurück und willst alles dafür tun, das Ding noch zu drehen.

Wie ging es nach der Auftaktniederlage auf Schalke im Training weiter?

Man darf nach einem Spiel nicht zu viel Druck auf den Kessel machen, aber Dinge klar ansprechen, Anpassungen vornehmen und diese auch begründen. Es war ein Spiel. Das war nicht gut von uns und die Niederlage verdient. Trotzdem geht es jetzt am Sonntag mit einem wichtigen Spiel weiter. Da werden die nächsten drei Punkte vergeben und die wollen wir holen.

Gegen den Karlsruher SC wird das Olympiastadion fast voll sein. Kribbelt es bei Ihnen vor Ihrem ersten Heimspiel?

Das erste Mal im Olympiastadion ist immer nochmal etwas spezieller und dann geht es auch noch gegen den KSC. Das sollte anscheinend so sein. Das ist wieder so eine Geschichte, die der Fußball schreibt. Es ist besonders. Aber es ist trotzdem ein Zweitliga-Spiel, das ich gewinnen will.

Ist es für Sie ein Kindheitstraum als jemand, der in Berlin aufgewachsen ist?

Natürlich. Da habe ich auch nie einen Hehl draus gemacht. Wenn ich am Sonntag im Hertha-Trikot auf dem Platz stehe, wird das nochmal etwas ganz Besonderes sein. Darauf freue ich mich riesig.

Welcher Spieler stand beim kleinen Leon hinten auf dem Hertha-Trikot, als Sie hier in Ihrer Kindheit gekickt haben?

Auf einem Trikot stand – klar – Marcelinho. Ansonsten hatte ich keine Trikots, weil die damals leider schon sehr teuer waren. Aber ich kann mich natürlich an die Zeit von Kevin-Prince Boateng erinnern. Das war die Zeit, in der ich im Stadion war.

Sie haben in der U19 für Hertha gespielt. Das war zusammen mit Maximilian Mittelstädt, Jordan Torunarigha und Sidney Friede. Was kommt Ihnen in den Kopf, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken?

Sehr viele lustige, gute Erinnerungen. Super Jungs und eine super Qualität im Training. Wir hatten sehr viel Spaß. Wir waren im ersten A-Jugendjahr ein Top-Jahrgang. Wir haben nicht umsonst den ersten A-Jugendtitel seit den Boatengs damals geholt: den DFB-Pokal. Das war top. Michael Hartmann war Trainer. Der ist jetzt auch bei uns im Trainerteam dabei.

Viele von Ihren damaligen Mitspielern haben es in die Profimannschaft geschafft.

Ja, das war eine gute Quote …

Waren Sie ein bisschen wehmütig, als Sie den Verein verlassen haben und Richtung Bremen gezogen sind?

Ach, damals … Wehmut wäre das falsche Wort. Damals war ich viel zu jung, um wehmütig zu sein. Ich war viel zu wild. Ich glaube, darüber denkt man erst nach, wenn man ein bisschen älter wird. Ich hätte damals gerne weitergemacht. Aber ich war 18 und so ein bisschen frei Schnauze. Dann bin ich nach Bremen gegangen und habe gesagt: ‘Ok, dann mache ich es hier’. Im Endeffekt hat es da auch nicht funktioniert, aber das ist alles gut. (lacht)

Nach Stationen in Luxemburg und Zwickau sind Sie zum Karlsruher SC gekommen. War das dann für Sie das Match?

Tatsächlich war es am Anfang überhaupt kein Match. Im ersten Jahr hatte ich sehr viel Verletzungspech. Ich habe mich aber gut zurückgekämpft und gute Spiele gemacht. Ich habe mich wohlgefühlt und habe mit der Zeit einige Personen aus der Fanszene kennengelernt. Der Verein wusste, was er von mir bekommt und ich wusste, was ich bekomme. So sind wir relativ lange auf einer Welle geschwommen.

Leon Jensen (r.) im Einsatz für F91 Düdelingen aus Luxemburg. (Foto: IMAGO / Majerus)Leon Jensen (r.) im Einsatz für F91 Düdelingen aus Luxemburg. (Foto: IMAGO / Majerus)

In dieser Zeit haben Sie auch gegen Hertha gespielt und die Fanfreundschaftsspiele miterlebt. Gab es da den Hintergedanken: ‘Boah, das Spiel würde ich auch gerne mal im anderen Trikot spielen’?

Was heißt Hintergedanke? Das wurde ich damals auch schon gefragt und ich habe immer offen gesagt, dass Berlin meine Stadt ist und Hertha BSC der Verein in der Stadt, für den ich spielen würde. Aber immer mit dem Nebensatz: Wenn ich gegen Hertha spiele, interessiert mich das nicht. Ich wollte gewinnen. Als ich das Tor gemacht habe, habe ich auch gejubelt. Ich jubele über das Tor und nicht aus Respektlosigkeit gegenüber meinem Ex-Verein.

Wie ist der Wechsel zu Hertha zustande gekommen?

Der Kontakt mit Benny Weber und Hertha war immer da – auch als Hertha in die 2. Liga abgestiegen ist. Intensiver wurde er Mitte der Hinrunde, als wir in Karlsruhe gegen Hertha verloren haben. Und dann hat es sich mit der Zeit entwickelt.

Was waren Ihre Gedanken, als klar war: Jetzt könnte es passieren? Denn beim KSC ging es Ihnen gut.

Mir ging es super. Es wäre auf jeden Fall kein Fehler gewesen, beim KSC zu bleiben. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass mir etwas anderes im Leben in meiner Persönlichkeitsentwicklung guttun würde. Bei Hertha musste ich ehrlicherweise nicht viel nachdenken.

Niemand versteht mich, aber ich war immer Team Atletico Madrid. Ich finde Spieler geil, die sehr, sehr eklig sind – aber gleichzeitig probieren, korrekt zu sein.

Ich habe das Gefühl, dass Sie ein sehr ekliger Gegenspieler sind. In den Testspielen und auch beim Training waren Sie einer der lautstärksten Spieler auf dem Platz, der auch gerne mal jemanden zusammenstaucht. War das immer schon so oder hat sich das entwickelt?

Sobald ich auf dem Platz war, war ich immer laut – auch schon im jungen Alter. Ich wollte schon immer auf meine Art vorangehen und auf meine Art gewinnen. Das hat sich dann peu à peu in die richtigen Bahnen gelenkt. Je jünger du bist, desto weniger kanalisierst du diese Dinge. Jetzt bin ich in dem Alter, in dem ich das anders umsetze: in Kommandos, in Körpersprache, in Vorangehen.

Der Leon Jensen auf dem Platz unterscheidet sich vom Leon Jensen abseits des Platzes, oder? Sonst wirken Sie eher entspannt und locker. Auf dem Platz ist mehr Power.

Das sind zwei Menschen. Ich bin außerhalb des Platzes auch direkt und sage dir, wenn mich etwas stört, aber sonst bin ich sehr entspannt, sehr lustig. Aber auf dem Platz bin ich schon eklig: zu mir selbst, zu Gegenspielern. Zu Mitspielern kann ich auch eklig sein. Aber immer im Sinne des Sports und nie unsportlich.

Haben Sie Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?

Niemand versteht mich, aber ich war immer Team Atletico Madrid. Ich finde Spieler geil, die sehr, sehr eklig sind – aber gleichzeitig im sportlichen Sinne auch korrekte Menschen sind. Eine Sekunde später, wenn das Spiel läuft, sind sie wieder eklig.

Es gibt im Mittelfeld bei Hertha echt starke Konkurrenz. Auch vor Ihrem Wechsel war schon klar, dass das nicht einfach sein wird. Wie blicken Sie auf diesen Konkurrenzkampf?

Das wusste ich vorher. Der Verein hat unser Ziel sehr offensiv ausgegeben. Für dieses Ziel brauchst du Konkurrenzkampf und viele gute Spieler. Man darf nicht vergessen, dass wir alle unterschiedliche Profile haben. Es ist die gleiche Position, aber die Rollen sind ganz anders. Das ist in Ordnung für mich.

Der Karlsruher SC hat gegen Preußen Münster ein gutes erstes Spiel gemacht. Worauf muss sich Hertha einstellen?

Der KSC lässt sich nie aus der Ruhe bringen. Sie haben in Überzahl das 2:2 bekommen, machen aber das 3:2. Das war sinnbildlich. Der KSC tritt immer sehr erwachsen auf und ist auf Punkte orientiert. Man hat immer aus wenig sehr viel gemacht. Es bleibt ein sehr schwer zu schlagender Gegner.

Haben Sie schon Ticketanfragen für Sonntag bekommen?

Sehr viele. Ich könnte, wenn ich wollte, einen halben Block füllen. (lacht)

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Philipp Höppner, rbb|24.

Sendung: rbb24 inforadio, 06.08.2025, 9 Uhr


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