Herrsching: Willkommen im nagelneuen Gymnasium – Starnberg | ABC-Z

„Gen One – Gymnasium Herrsching“ steht auf den T-Shirts und Hoodies vieler Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Für alle der „Generation Eins“ ist es nicht nur ein erster Schultag, für knapp 600 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen fünf bis neun begann eine neue Ära. Sie sind die Ersten, die das neue Herrschinger Gymnasium besuchen. Mit 110 Millionen Euro, von denen der Landkreis Starnberg 80 Millionen zahlen muss, ist es die teuerste Baumaßnahme, die er je gestemmt hat.
„Für den Landkreis ist das ein historisches Ereignis“, freut sich Landrat Stefan Frey. Noch ähnelt das Grundstück einer Großbaustelle, denn von den vier Lernhäusern sind erst zwei fertig. Die anderen beiden werden im nächsten Schuljahr eröffnet. Dann können bis zu 1100 Schüler in der neuen Schule lernen. Für die umliegenden Gymnasien, die mehr Platz wegen der Rückkehr zum G9 benötigen, wird das eine spürbare Entlastung sein, so Frey.
Für die Premiere wurde ein Bogen mit den Wünschen der 50 Lehrkräfte auf die Bühne der Schulaula gestellt. „Optimismus und Zuversicht“ steht auf einem Zettel, „Stärken kennenlernen“, „Sei wie du bist“ und „Lebensfreude und Leichtigkeit“ auf anderen. Durch diesen Bogen schreiten die Gymnasiasten in ihr neues Schulleben.
„Der Lärm der Baustelle ist vergangen, alles ist ganz still, und wenn man aufmerksam ist, hört man ein Haus zum ersten Mal sprechen“, so Architekt Felix Schürmann am Vortag bei der offiziellen Schlüsselübergabe an Direktorin Eva Weingandt. Das Haus erzähle von der Idee, in der es entstanden ist, der Idee einer Schule, die weniger der Wissensvermittlung dienen solle, sondern mehr der Entfaltung junger Persönlichkeiten. Das Haus erzähle diese Vision mit den Mitteln der Architektur, „denn Räume sind nicht Gefäße, in die man irgendetwas hineingeben könnte, sondern Räume sind Bühne und Orte der Entfaltung“.
Dieser abstrakten Vision haben Felix Schürmann und Ellen Dettinger mit ihrem Planungsteam durch die Architektur eine konkrete Gestalt gegeben. Beton, Holz, Glas und die Farbe Weiß dominieren den modernen Bau. Auf einer Betonwand stehen Begriffe wie „entspannen“, „konzentrieren“ und „hinhören“. Er hätte am liebsten noch stärkere Worte wie „Mut“ und „Widerstand“ geschrieben, verrät Schürmann. Im Untergeschoss bilden knallgelbe Spinde einen farblichen Akzent zu den grauen Sichtbeton- und Holzelementen. Der Förderverein hat die Spinde gespendet.
Vieles ist an der Schule anders. Das Konzept lehnt sich an das Münchner Lernhausmodell an, geht aber darüber hinaus und gilt als Leuchtturmprojekt für den Freistaat Bayern. Das pädagogische Konzept fußt auf selbstorganisiertem Lernen. Statt allein zu lernen, ist Teamarbeit angesagt. Klassische Klassenzimmer gibt es nicht mehr; stattdessen gibt es „Instruktionsräume“. Das sind helle, multifunktionale Zimmer mit Panoramafenstern, teils mit einem weiten Blick auf den Ammersee. Die transparenten Wände öffnen sich zu einer zentralen Mitte – den Lernlandschaften. Dort stehen unterschiedliche Tischgruppen, Stehpulte, Teppiche für Bodenarbeit, offene Regale und lange Tische bereit. Ab Jahrgangsstufe acht bewegen sich die Jugendlichen dann in „Fachlandschaften“ für Sprachen, Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Sie wählen selbst, welcher Arbeitsplatz ihnen am besten liegt. Architekt Tobias Pretscher vergleicht es mit einem „pädagogischen Zirkeltraining“.
Schulleiterin Eva Weingandt war zuvor stellvertretende Direktorin in Gröbenzell. Sie freut sich auf Partnerschaften auf Augenhöhe statt Hierarchie. „Team Gymnasium Herrsching“ nennt sie alle Beteiligten und als Werte, denen sich die Schule verpflichtet fühlt, zählt sie auf: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken.

„Für mich ist es geradezu surreal, dass das Gymnasium tatsächlich Realität geworden ist“, sagt Bürgermeister Christian Schiller, auch er im „Gen One“-Shirt. In den vergangenen 18 Jahren gab es mehr Momente für ein „Aus“ als für eine Schule. Auch bei den Eltern, die sich im Förderverein seit 2009 für eine neue Schule im westlichen Landkreis Starnberg eingesetzt haben, waren Schlüsselübergabe und erster Schultag emotionale Momente. „Der Start zeigt, dass sich zivilgesellschaftliches Engagement und Ausdauer lohnen“, erklärt Fördervereinsvorsitzender Jens Waltermann. Und er freut sich, dass es kein Privatgymnasium, sondern „eine Schule für alle“ geworden ist – „unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten“, fügt Zweite Vorsitzende Sonja Sulzmaier hinzu.

Den Eltern und Politikern ist anzusehen, wie die Anspannungen der vergangenen Jahre von ihnen abfielen. Geschichte sind die ewigen Diskussionen über die prognostizierten Schülerzahlen, die mal bei etwa 550, mal bei 850 für das Jahr 2025 lagen, Vergangenheit auch die vielen Demonstrationen, Petitionen und Anträge. 2013 stimmte das bayerische Kabinett dem Bau eines Gymnasiums im westlichen Landkreis zu. Es folgten zähe Grundstücksverhandlungen. Zuerst sollte die Schule an der Seefelder Straße errichtet werden, doch die Verhandlungen scheiterten. 2015 dann der Kauf des Grundstücks am Mühlfeld. Der größte Stress fing aber erst an: zwei Bürgerbegehren gegen das Gymnasium, wiederkehrende Zweifel an der Finanzierbarkeit und Klagen, die erst 2022 vor Gericht endgültig abgewiesen wurden. Dazu kamen die immensen Baupreissteigerungen, die aus geschätzten 60 bis 70 Millionen Euro 110 Millionen machten.

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Für die meisten Kinder der Gründungsmitglieder kommt das Gymnasium zu spät. Nach 16 Jahren sind sie längst erwachsen. Immerhin können die jüngsten Kinder von Waltermann und Sulzmaier das Gymnasium besuchen. Vor 16 Jahren waren sie noch nicht einmal geboren.
Die 13-jährige Fiona freut sich auf das iPad, auf Sport in der großen Dreifachturnhalle, auf den Seeblick und „dass die Schule erst um 8.30 Uhr beginnt“. Ihr Schulweg ist jetzt mit dem Bus oder Fahrrad 20 Minuten lang, somit spart sie etwa zwei Stunden ein. Vorher hatten Eltern Fahrgemeinschaften zum Bus nach Tutzing gebildet, „sonst hätte ich schon um kurz nach 6 Uhr von Zuhause losgehen müssen“. Am schönsten war für sie der Moment, „als es endlich mit dem Bau losging und man sehen konnte, dass es kein Zurück mehr gibt“.
Titus kommt in die neunte Klasse. „Morgens kann ich jetzt eine Stunde länger schlafen, weil der Schulweg 30 Minuten kürzer ist und die Schule 40 Minuten später anfängt“. Jeden Morgen ist der 14-Jährige auf dem Weg ins Gymnasium nach Tutzing im Schulbus an der Baustelle vorbeigefahren. „Ich habe mich immer wieder gefreut, wenn es voranging“. Er freut sich darauf, Pionier des ersten Abiturjahrgangs 2030 zu sein. Dann werden er und seine Mitschüler wieder durch den Bogen mit den Wünschen schreiten, „selbstbewusst, gebildet und voller Möglichkeiten“, prognostiziert die Direktorin.





















