Stil

Helmade fertigt Helme nach individuellen Wünschen | ABC-Z

Die tiefen Kratzer auf der Helmoberfläche erzählen die Geschichte eines heftigen Überschlags, davon, dass manchmal „schnell“ einfach „zu schnell“ ist, davon, dass es absolute Sicherheit im Motorsport nicht gibt. Und doch sind sie nicht das Erste, was beim Betrachten des Produktes auffällt. Denn der Helm ist ein Kunstwerk an sich – farbenfroh, verspielt, individuell. Keine Frage: Wer ihn trägt, zieht die Blicke auf sich. Der bunte Helm gehört dem elf Jahre alten Kartnachwuchsfahrer Henri Möhring, der als Leistungssportler das Land Hessen vertritt und unter anderem vom ADAC Hessen-Thüringen gefördert wird. Die großen und kleinen Kratzer erzählen von dem Rennunfall bei einem Weltmeisterschaftslauf in Italien, der für den jungen Fahrer mit einem Schlüsselbeinbruch endete.

Der Helm aber erzählt die Geschichte einer ganzen Familie, die ihr Leben dem Motorsport und der Helmkunst verschrieben hat. Denn Vater Christian hat gemeinsam mit seiner Frau Sabrina Möhring und seinem Bruder Robin Metz im Jahr 2015 ein kleines Familienunternehmen gegründet, das sich dem Ziel verschrieben hat, die Motorsportszene ein bisschen bunter zu machen. In seiner Zeit als aktiver Motocross-Fahrer sei ihm nämlich schon aufgefallen, dass die Helme, die in dem breiten Feld des Motorsports verkauft werden, meist nur in der Grundlackierung „weiß“ an die Kunden ausgeliefert werden. Understatement in einer Branche, die sonst wenig von leisen Auftritten hält.

„Viele wollen, dass es richtig scheppert“

Das Unternehmen Helmade mit Sitz in Fechenheim bietet Kunden deshalb an, die eigenen Helme „veredeln“ zu lassen, wie Robin Metz sagt. Dabei können sie sich entweder für eine komplett individuelle Gestaltung entscheiden, die in Zusammenarbeit mit Grafikern und Mediengestaltern des Unternehmens entsteht. Oder ein Design aus dem sogenannten „3D-Konfigurator“ wählen – hierbei kann mit verschiedenen Farben und Grunddesigns experimentiert werden.

Motorsportfan: Christian Möhring und seine Mitgründer bringen Farbe auf die sonst eher eintönigen HelmeStefan Nieland

„Im Motorsport wollen viele, dass es richtig scheppert“, sagt Metz. Die Helme seien auffällig, schrill, unverwechselbar. Motorradfahrer, die in ihrer Freizeit unterwegs seien, setzen laut Aussage des Vierunddreißigjährigen eher auf ein minimalistischeres Design: matte Farben, klare Linien und Formen. Die persönliche Signatur gehöre aber bei fast jeder Bestellung dazu, wie er erzählt.

Der Preis richtet sich, wie so oft, nach dem Aufwand, beginnend bei etwa 150 Euro für Fahrradhelme. Nach oben gibt es keine Grenzen. Je aufwendiger das Projekt, je detaillierter die eigenen Wünsche, desto teurer wird es. „Für viele ist das ein Art-Piece“, sagt Robin Metz. Kunst, die – zumindest wenn es nach dem Wunsch der drei Gründer geht – nicht in die Vitrine, sondern auf die Strecke gehört. Die Helme wollen gesehen werden.

Die Aufträge kommen aus der ganzen Welt

Das Streben nach Individualität scheint überall in der Welt groß zu sein. Die Bestellungen, das zeigt ein kurzer Blick auf die aktuellen Aufträge, stammen aus Mexiko, den USA, Neuseeland und den Niederlanden. Einmal, so erinnert sich Christian Möhring, sei ein Kunde aus Singapur so ungeduldig gewesen, dass die Bestellung fast zeitgleich mit einem Kurier eintraf, der den Helm auf direktem Wege an sein Ziel geflogen habe. Geschichten wie diese haben sie viele zu erzählen. Etwa von der Sonderanfertigung, die die Produktionsfirma des Films „Top Gun – Maverick“ in Auftrag gegeben hatte. Der Helm war ein Geschenk für Hauptdarsteller Tom Cruise. Auch Ryan Reynolds, Arnold Schwarzenegger und Bundestrainer Julian Nagelsmann sind nach Aussage von Christian Möhring im Besitz eines personalisierten Helms made in Frankfurt.

Den drei Gründern ist egal, ob sich ein prominentes Gesicht, ein Nachwuchstalent im Sport oder ein passionierter Freizeitfahrer unter einem ihrer Helme verbirgt. Ihnen ist wichtig, dass die Handarbeit gesehen wird. Sprühen, lackieren, schleifen, plottern – alles Dinge, die sich die Gründer selbst beibringen mussten. Die Branche der Helmlackierer sei klein, die Hilfsbereitschaft aber groß, sagt Robin Metz, der das Handwerk bei einem befreundeten Lackierer in Barcelona gelernt hat. Mehrere Wochen habe er auf einer kleinen Couch in dessen Wohnzimmer geschlafen, um frühmorgens mit ihm in die Werkstatt aufbrechen zu können und sich binnen kürzester Zeit Tricks und Techniken anzueignen.

Sich buchstäblich die Hände schmutzig zu machen, sei nie der Plan gewesen, ergänzt Christian Möhring. Die Firma, gegründet am Wohnzimmertisch, sollte eigentlich als Plattform fungieren, die es Menschen ermöglicht, ihr Produkt zu konfigurieren und zu personalisieren. Ein solches Geschäftsmodell hatte der Onlinemarketing-Spezialist Möhring schon zuvor für andere Betriebe aufgebaut, zuletzt hatte er für Nike gearbeitet. Wenn sich Schuhe personalisieren lassen, dann wohl auch Helme, dachte sich Möhring, ohne zu beachten, dass eine Internetseite aufzubauen das eine, Vertragspartner zu finden, die die Wünsche der Kunden schnell und sauber umsetzen, das andere ist.

Nachwuchs gesucht: Gestaltung trifft Handwerk

Schnell sei die Kapazitätsgrenze externer Lackierer erreicht gewesen. Das Team um die Firmengründer war gezwungen, sich die handwerklichen Grundlagen selbst beizubringen. „Es sollte eigentlich immer ein digitales Geschäftsmodell sein. Wir dachten, wir haben einen Büroraum und keine Lackiererei.“ Nun haben sie mehr als das. Ein Lager, da sie als Zwischenhändler auftreten, eine Werkstatt – und einen Ausstellungsraum. Und die drei Gründer haben Wachstumspläne. Künftig sollen nicht nur Helme, Motorräder und Fahrradrahmen in der Lackiererei nach individuellen Vorstellungen umgestaltet werden. Aktuell werde die Kooperation mit Harley-Davidson und mit der im Radsport bekannten Marke Storck aus Idstein weiter ausgebaut.

Um aber weiter wachsen zu können, müsse es gelingen, Nachwuchs zu gewinnen, gibt der 45 Jahre alte Gründer Christian Möhring zu bedenken. Denn wer hier arbeitet, der muss nicht nur digital fit sein, sondern auch das Handwerk erlernen wollen. Schmutzige Hände inklusive. „Wir suchen junge Leute, die den Mediengestalter Digital und Print lernen wollen. Allerdings mit dem Zusatz der handwerklichen Arbeit.“ Interessenten gebe es immer wieder. „Aber die Arbeit kann nicht aus dem Homeoffice heraus erledigt werden“, das, sagt er, sei der Grund mancher Absage.

Seine Motocross-Karriere hat Möhring längst hinter sich gelassen. Heute bestimmen das eigene Unternehmen und vor allem die Zeit mit seinem Sohn, der übrigens schon zwei Wochen nach seinem Rennunfall wieder auf der Strecke stand, seinen Alltag. Gemeinsam verbringen sie viele Stunden auf Kartbahnen im In- und Ausland. Ganz auf das Motorradfahren verzichtet Möhring dennoch nicht: Die Verkleidung seines Motorrades hat er nach eigenen Vorstellungen lackiert, inspiriert vom markanten Helmdesign seines Sohnes – nur Kratzer hat er ausgespart. „Ich bin einfach sein größter Fan.“

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