Wirtschaft

Heizungsindustrie: Von einer beschleunigten Wärmewende ist am Ende der Ampelkoalition nichts mehr übrig | ABC-Z

Die deutlich sinkenden Absätze bei Wärmepumpen hatten sich abgezeichnet. Doch die aktuellen Verkaufszahlen der Heizungsindustrie, die WELT exklusiv vorliegen, zeigen: Auch das „Brot-und-Butter-Geschäft“ mit modernen Gas-Brennwertkesseln ist drastisch eingebrochen. Die Folgen sind gravierend.

Die düsteren Prophezeiungen der Heizungsbauer haben sich bewahrheitet: Ihr Rekordumsatz 2023 war nur ein Strohfeuer. Im vergangenen Jahr hat sich das Geschäft mit Heiztechnik jeglicher Art fast halbiert. Die Absatzzahlen sind auf das Niveau von 2017 zurückgefallen. Von einer beschleunigten Wärmewende ist am Ende der Ampelkoalition nichts mehr übrig.

Die noch unveröffentlichte Jahresbilanz 2024 des Bundesverbands der deutschen Heizungsindustrie (BDH) liegt WELT AM SONNTAG vor. Danach schließt die Branche quer über alle Gerätetypen mit tiefroten Verkaufszahlen ab.

Nicht nur das Geschäft mit den politisch gewollten Wärmepumpen ging zurück – auch das „Brot-und-Butter-Geschäft“ mit modernen Gas-Brennwertkesseln brach ein. Von ihrem Bestseller setzte die Branche dieses Mal nur 410.500 Stück ab. Das entspricht einem Minus von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Nachdem 2023 mehr als 1,3 Millionen Heizungen abgesetzt wurden, standen 2024 nur noch 712.500 Verkäufe in den Büchern, ein Rückgang von 46 Prozent. Das vom Bundeswirtschaftsministerium ausgegebene Ziel, im Gesamtjahr erstmals 500.000 Wärmepumpen installieren zu lassen, wurde mit 193.000 Verkäufen (minus 46 Prozent) weit verfehlt.

Der Einbruch bei Ölheizungen fiel geringer aus: Mit 85.000 verkauften Kesseln betrug der Absatzrückgang hier „nur“ 25 Prozent. Daneben wurden 24.000 Biomasse-Heizungen, darunter vor allem Pellet-Öfen abgesetzt, ein Rückgang um 52 Prozent.

Die Gründe sind vielschichtig: Mit der Rezession wächst die Sorge um den Arbeitsplatz, das Geld sitzt nicht mehr so locker. Das politische Hin und Her um Heizgesetz und Fördergelder hatte zudem zu Torschlusspanik und Vorzieheffekten geführt: Großhandel und Handwerk stockten ihre Lagerbestände auf – auch das trieb den Boom des Jahres 2023, der jetzt in sich zusammenfiel.

Einige Verbraucher warten mit Käufen wohl auch ab, weil die Karten durch die Regierungswechsel in Berlin und Washington mit ihren unkalkulierbaren Folgen für die Gas-, Öl- und Strompreise neu gemischt werden.

Außerdem muss in den größeren Städten 2026 die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen sein. Erst dann ist klar, wo Fernwärme-Netze hinkommen. „Leider wird oftmals suggeriert, dass überall große Wärmenetze entstehen“, warnt BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt.

Doch das sei außerhalb großer Städte wie München, Hamburg oder Mannheim von vielen kleineren Kommunen finanziell gar nicht zu leisten. Der Chef des Heizungsverbands ruft die Kommunen dazu auf, nicht erst auf den Ablauf der gesetzlichen Frist Mitte 2026 beziehungsweise 2028 in kleineren Orten zu warten. „Wenn sich die Gemeinden frühzeitig äußern, könnte das dringend benötigte Investitionen in die Heizungsmodernisierung auslösen“, sagte Staudt. „Dazu muss so bald wie möglich kommuniziert werden, wo keine Wärmenetze hinkommen.“

Der BDH forderte die Parteien der künftigen Bundesregierung auch dringend dazu auf, die Bürokratie abzubauen. Staudt verwies beispielhaft auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG), in dem ein einziger Paragraf (§ 71 „Anforderungen an eine Heizanlage“) inzwischen 16-Unterkapitel und zehn Seiten Gesetzestext umfasse.

Branche und Verbraucher bräuchten überdies stetige, verlässliche Förderbedingungen und eine planbare CO₂-Bepreisung ebenso wie Entlastung bei den Preisen für Energieträger, insbesondere für Elektrizität.

Notwendig sind Investitionen in moderne Heiztechnik nicht nur aus Sicht der Branche. Diese hatte in der Hoffnung auf einen politisch getriebenen Markt Milliarden in Produktionsanlagen für Wärmepumpen investiert, die nun nicht ausgelastet sind.

Wichtig ist der Heizungstausch auch aus Sicht der Klimapolitik. Der Absatz von öl- und gasbasierten Heizungen war im vergangenen Jahr mit zusammen rund 500.000 Geräten mehr als doppelt so groß wie der von klimaneutralen Wärmepumpen und Biomasse-Öfen, die zusammen nur auf 217.000 Geräte kamen. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste sich dieses Verhältnis mindestens umdrehen – oder eine kommende Bundesregierung müsste eine weitreichende Strategie für klimafreundliche Brennstoffe aufsetzen.

Laut Gesetz soll der Gebäudesektor seine CO₂-Emissionen bis 2030 von 110 Millionen auf 67 Millionen Tonnen fast halbieren. Um das zu schaffen, müssten jährlich mehr als eine Million Heizungen modernisiert werden. „Das sollte auch die nächste Bundesregierung in ihrer Förderpolitik berücksichtigen“, sagte Staudt. „Bei zuletzt mehr als 18 Milliarden Euro Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung müsste für diesen Zweck eigentlich genug Geld da sein.“

Daniel Wetzel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Energiewirtschaft, Energiepolitik, Klimapolitik und Tourismuswirtschaft.

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