Heizen: Wenn Wärmepumpen so gut geeignet sind, warum braucht es dann noch mehr Steuergeld? | ABC-Z
Wärmepumpen verkaufen sich schlecht. Nun legt die Stadt Hamburg noch mal 20 Prozent Förderung für Gerät und Einbau obendrauf. Flankiert wird die Maßnahme mit einer Analyse, die eine wichtige Frage offenlässt. Insgesamt sendet Hamburgs Heizungs-Deal ein fatales Signal.
Die Älteren mögen sich erinnern: Als der Begriff „dritte Halbzeit“ im Fußball noch nicht für den Clash rivalisierender Fangruppen nach einem Spiel stand, bezeichnete er das gemeinsame Bierchen nach dem Schlusspfiff, bei dem man das Match so lange sezierte, bis die eigene Mannschaft ein auf dem Platz verlorenes Spiel dann eigentlich doch gewonnen hatte.
Ein ähnliches Phänomen ist gerade in der Debatte um die Wärmewende zu beobachten. Man muss dazu wissen, dass es derzeit bei beiden Säulen der Heizungsstrategie der geplatzten Ampel-Koalition, wohlwollend formuliert, stockt. Die Wärmepumpe, mit der die Abkehr vom fossilen Heizen überall dort bewerkstelligt werden soll, wo absehbar keine Wärmenetze verfügbar sein werden, ist in der Krise: Für 2024 rechnet die Branche mit 200.000 statt der vollmundig angekündigten 500.000 verkauften Einheiten.
Bei der Fernwärme, die zuletzt mit willkürlichen Preisfindungsmodellen, horrenden Nachzahlungen, ambitionierten Dekarbonisierungsszenarien und zunehmender Kritik an ihren Monopolstrukturen Negativschlagzeilen produzierte, hat das Ampel-Ende auch den Prozess der dringend nötigen Reform der Fernwärmeverordnung zum Erliegen gebracht.
Hier wäre das Spiel eigentlich zu Ende – mit einer klaren Niederlage für die als „Fortschrittskoalition“ gestartete Bundesregierung. Nun aber geht die Stadt Hamburg in die Offensive, um das verlorene Spiel noch zu drehen. Man werde die bestehende Grundförderung für den Einbau einer Wärmepumpe in Höhe von 30 Prozent vom Bund aufstocken. Weitere 20 Prozent der Investitionskosten zahlt dann die Stadt aus Landesmitteln, verkündete der Umweltsenator der Hansestadt, Jens Kerstan (Grüne).
Flankiert wird die Maßnahme durch eine Potenzialanalyse, der zufolge für 99 Prozent aller Gebäude in der Stadt die Wärmepumpe „die beste Option für eine klimaneutrale Wärmeversorgung“ darstellt – mit einer Einschränkung: „Außerhalb von Wärmenetzeignungsgebieten“ sei das der Fall, also dort, wo Fernwärme keine Option ist.
99 Prozent ist dennoch eine beachtliche Größenordnung. Es mag helfen, diese Zahl in einen größeren Kontext zu stellen. Noch im September 2023 sagte Norbert Schiedeck, CEO des Heizungsherstellers Vaillant, im Interview mit der „FAZ“: „Die Wärmepumpe […] stellt für bis zu 70 Prozent der Gebäude eine umweltfreundliche Lösung dar.“ Ob er wärmenetzfähige Häuser im Blick hatte, ist nicht klar. Dennoch ist die Diskrepanz deutlich. Selbst ein Konzernmanager, der kein größeres Ziel hat, als möglichst viele der Heizsysteme an den Mann zu bringen, traute sich damals also nicht, über diese Zahl hinauszugehen. Zudem vermeidet er es, in diesem Zusammenhang über die Effizienz zu sprechen.
Ohne Zweifel optimale Heiz-Lösung bei vielen Häusern
Seine legitimen Eigeninteressen bei der Schätzung berücksichtigt, dürfte auch diese Zahl noch hoch gegriffen sein. Dabei gibt es keinen Zweifel, dass die Wärmepumpe für Millionen von Gebäuden in Deutschland die optimale Lösung sein kann – vorausgesetzt, das anliegende Elektrizitätsnetz verkraftet die Belastung und die Handwerker bewältigen die nicht gerade trivialen Erfordernisse bei Konfiguration und Einbau. Und ja, zu diesen Gebäuden zählen auch viele Häuser älteren Baujahrs, die mit größeren Heizkörpern oder neuen Fenstern für den effizienten Einsatz einer Wärmepumpe fit gemacht werden können.
Doch jenseits davon beginnt eine Grauzone, die die Riege der Wärmepumpenbefürworter aus Politik (plus Vorfeld), Industrie und Medien am liebsten Meter für Meter diskursiv vereinnahmen möchte, um die lästige Debatte um die schlechter geeigneten – und damit mehr oder weniger aufwendig zu ertüchtigenden – Gebäude endlich zum Verstummen zu bringen.
Dabei ist Fakt: 17 Millionen Gebäude in Deutschland, mithin 42 Prozent des gesamten Bestands, wurden in den Jahren zwischen 1949 und 1978 errichtet. Erst ein Jahr vor Ende dieser Zeitspanne wurde als Reaktion auf die Ölkrise die erste Wärmeschutzverordnung eingeführt und entsprechende Dämmmaßnahmen im Bau ergriffen. Ein hoher Prozentsatz dieses Bestands dürfte nicht optimal wärme-saniert sein.
Nun kann man grundsätzlich in jedes Haus eine Wärmepumpe einbauen und es als dafür geeignet bezeichnen. Die Frage ist bloß, wie viel Strom sie verbrauchen wird, um das Gebäude warm zu bekommen. Auf dieses Kriterium geht die Potenzialanalyse, die in allen Einzelheiten erst 2025 vorgestellt werden wird, allerdings auch gar nicht ein.
Sie zeigt lediglich „für jede dargestellte Gebietseinheit, ob die theoretische Voraussetzung vor Ort besteht, die darin befindlichen Gebäude mit einer Luftwärmepumpe oder Erdwärmepumpe zu beheizen. Sie ersetzt jedoch nicht die Detailplanung vor Ort durch ein Fachunternehmen.“
Zum Vergleich das Wording der Pressemitteilung: „Demnach können 99 Prozent aller Gebäude in Gebieten ohne Wärmenetzeignung durch Wärmepumpen beheizt werden.“ Mit einer Kommunikation aber, die oberflächlich betrachtet die Deutung befördert, 99 Prozent der Gebäude seien für die Wärmepumpe geeignet, tut die Stadt Hamburg weder sich noch der Akzeptanz und Glaubwürdigkeit des Geräts einen Gefallen.
Die gleiche Wärmepumpe ist im Ausland viel günstiger
Eine andere Frage ist mit Blick auf die Hansestadt, warum die Wärmepumpe, wenn sie so gut geeignet ist, mit immer noch mehr Steuergeld gepampert werden muss, um die politisch gewünschte Akzeptanz am Markt zu erreichen – und ob die Maßnahme zielführend ist. Am Immobilienmarkt etwa gilt ein Objekt als verbrannt, wenn ein Verkäufer in der Vermarktungsphase zu oft zu weit mit dem Preis heruntergehen musste. Am Ende will es dann auch zum reduzierten Preis niemand mehr haben.
Und auch bei der Wärmepumpe sinkt ja mit jeder neuen Subvention (theoretisch) der Angebotspreis für den Endkunden – nur dass dafür der Steuerzahler aufkommen muss. Was beim Käufer ankommt, ist: Ich bin derjenige, der für ein Gerät zahlt, für das man mir immer weitere Vergünstigungen hinterherwirft (und das auch mit Förderung noch teuer genug ist) – was stimmt damit nicht?
Eine fatale Außenwirkung für ein Produkt, auf dem gleichermaßen die Hoffnungen von grüner Politik und einer Branche ruhen, die ihr Geschäftsmodell auf politischen Druck voll auf die Wärmepumpe ausgerichtet hat – und darunter nun massiv leidet.
Damit aber nicht genug: Subventionen führen erwiesenermaßen auch zu volkswirtschaftlich teuren Mitnahmeeffekten – und das in einer schweren Haushaltskrise, in der es darauf ankommen müsste, jeden Euro so effektiv wie möglich einzusetzen. Dass bei Produktion und Einbau offenbar zumindest Teile der Förderung auf die Preise draufgeschlagen werden, dafür lieferte im Herbst eine bemerkenswerte Recherche des ARD-Magazins „Plusminus“ Indizien.
In länderübergreifenden Produktvergleichen zeigte sich nämlich, dass eine praktisch identische Wärmepumpe inklusive Einbau in Großbritannien 9000 Euro kostete, während dafür in Deutschland 24.000 Euro aufgerufen wurden – zweieinhalbmal so viel. Die Reaktion des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums: Man habe eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit den Preisunterschieden gegenüber dem Ausland beschäftigen werde. Die Debatte um die Wärmepumpe, so viel scheint auch mit Blick auf die Rolle des zugrundeliegenden Gebäudeenergiegesetzes im anlaufenden Wahlkampf klar, wird die Gesellschaft im neuen Jahr weiter intensiv beschäftigen.
Michael Höfling schreibt für WELT über Immobilien, Wirtschaftspolitik und Gold. Gemeinsam mit Michael Fabricius ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig.