Gesundheit

Heißhunger auf Zucker: Die Darmflora kann die Lust auf Süßes schüren – oder zügeln |ABC-Z

Manche Menschen können süßen Verführungen besser widerstehen als andere, und dabei spielen Darmbakterien eine Rolle. Diese neue Erkenntnis kann helfen, das Verlangen zu stillen – und Patienten im Kampf gegen Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten zu unterstützen.

Viele Menschen können kaum einer Praline widerstehen, andere auf Süßes leichten Herzens verzichten. Einer chinesischen Studie zufolge können bestimmte Darmbakterien einen Anteil daran haben, wie groß oder klein das Verlangen eines Menschen nach Zucker ist. Die aktuellen, auf Analysen bei Menschen und Mäusen beruhenden Ergebnisse könnten die Entwicklung von Therapien zur Behandlung von Fettleibigkeit und Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes unterstützen, hoffen jetzt die Forscherinnen und Forscher.

Wie zahlreiche Tiere hat der Mensch eine angeborene Vorliebe für Süßes. In heutigen Zeiten unbegrenzter Verfügbarkeit kann das jedoch zu einem hohen Blutzuckerspiegel und einem erhöhten Risiko für Stoffwechselkrankheiten führen. Dass manche Menschen süßen Verführungen besser widerstehen können als andere, dafür gibt es verschiedene Gründe: Einer könnte das Darmbakterium Bacteroides vulgatus sein, wie das Team um Shenglong Zhu von der Jiangnan University in Wuxi im Fachmagazin „Nature Microbiology“ berichtet.

Bekannt sei bereits gewesen, dass ein Verlangen nach verschiedenen Lebensmitteln auch auf Signale zurückzuführen ist, die vom Darm ausgehen. Die chinesischen Forscher analysierten nun das Blut von 18 Mäusen mit induziertem Diabetes und das von 60 Patienten mit Typ-2-Diabetes. Die Werte verglichen sie mit denen gesunder Kontrollgruppen.

Diabetische Mäuse und Menschen wiesen demnach geringere Werte des Proteins FFAR4 im Blut auf, ein Rezeptor („Free fatty acid receptor 4“) für Fettsäuren aus der Nahrung, der insbesondere in Fett- und Endothelzellen zu finden ist. FFAR4 beeinflusst den Stoffwechsel und aktiviert die Ausschüttung des Hormons GLP-1, das Blutzucker und Appetit reguliert.

Darmmikrobe beeinflusst Verlangen

Niedrigere FFAR4-Spiegel bei Mäusen gingen in der aktuellen Studie mit einer höheren Vorliebe für Zucker einher. Ein weiteres Ergebnis war, dass ein geringerer FFAR4-Spiegel mit geringen Mengen der Darmmikrobe Bacteroides vulgatus und deren Stoffwechselprodukt Pantothenat zusammenhing. Pantothenat fördert den Forschern zufolge die Freisetzung von GLP-1 und in der Folge des Leberhormons FGF21. Letzteres entfaltet seine Wirkung direkt im Hypothalamus, jener Hirnregion, die das Essverhalten steuert.

Das Team bestätigte den komplexen Zusammenhang in Fütterungsversuchen: Bekamen diabetische Mäuse Pantothenat oder wurde der Darm gezielt mit B. vulgatus besiedelt, verminderte sich ihr Verlangen nach Zucker deutlich.

Womöglich seien Pantothenat und B. vulgatus gut geeignet, einen durch Mutationen oder Inaktivierung des FFAR4 erhöhten Blutzuckerspiegel zu verbessern, vermuten die Wissenschaftler. Der Verzehr von ausgewählten Probiotika, sprich Bakterien, die große Mengen an Pantothensäure produzieren, könne eine Strategie zur Diabetesprävention sein. Es sei aber weitere klinische Forschung nötig, um zu klären, ob und wie sich der Effekt tatsächlich für Therapien nutzen lässt.

Zur Behandlung von Diabetes und Fettleibigkeit sind seit ein paar Jahren sogenannte GLP-1-Rezeptor-Agonisten im Einsatz, zu denen die Abnehmspritze Wegovy zählt. Diese Präparate ahmen die Wirkung des körpereigenen GLP-1 nach, regen die Bauchspeicheldrüse an, Insulin zu produzieren, und regulieren so den Blutzuckerspiegel. Zudem beeinflussen diese Wirkstoffe das Gehirn: Sie verringern den Appetit. In der Folge sinkt das Gewicht. Allerdings sind noch viele Fragen zu diesen neuen Substanzen offen – etwa zu möglichen Langzeitfolgen.

dpa/wb

Back to top button