Berlin

Haushaltsbeschluss im Abgeordnetenhaus: Der Vorhang ist gefallen | ABC-Z

Berlin taz | Es ist ja sowieso die Zeit von „Alle Jahre wieder“. Und Weihnachtslieder sind auch im Abgeordnetenhaus regelmäßig kurz vor den Feiertagen zu hören. Das passiert allerdings im Foyer, nicht im Plenarsaal des Parlaments. Dort bedeutet am Donnerstag „Alle Jahre wieder“, dass die grüne Oppositionsführerin Bettina Jarasch CDU und SPD für ihren Nachtragshaushalt und die Milliardenkürzungen genauso geißelt wie vor einem Jahr für den ursprünglichen Haushaltsbeschluss für 2024 und 2025.

Was sich am Donnerstagmorgen ereignet, lässt sich mit vielerlei Vergleichen belegen: Es ist ein Finissage, eine Dernière, der letzte Akt einer Haushaltstragödie, bei der nun mit dem Parlamentsbeschluss der Vorhang fällt. Jarasch scheint auch in diesen Begriffen zu denken, denn sie skizziert Nachtragshaushalt und Kürzungen als gar nicht weihnachtliches Drama in mehreren Kapiteln.

Die beginnen mit einer These: Die CDU, so Jarasch, „hat sich die Koalition mit üppigen Zusagen an die SPD erkauft“. Zur Erinnerung: Jaraschs Grüne hatten im Frühjahr 2023 mit der CDU über ein Regierungsbündnis geredet, als die SPD sich abrupt und konkret als Partnerin anbot – und die vom heutigen Regierungschef Kai Wegner geführten Christdemokraten schnell darauf eingingen. Vor diesem Hintergrund hätten diese beiden Parteien Ende 2023 „einen aufgeblähten Haushalt beschlossen“.

Im nächsten Kapitel der Geschichte lässt Jarasch den Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zwar dunkle Bilder über die Lage malen, durch die sich aber nichts ändere. Bis eben im vorletzten Kapitel Mitte November die Kürzungsliste vorliegt. Deren damals vor Journalisten präsentierter Inhalt: Zwei Milliarden einsparen, eine dritte über trotz Schuldenbremse erlaubte Kredite und erhöhte Einnahmen abdecken.

Jarasch spricht Wegner Berlin-Kompetenz ab

Und nun eben im Schlusskapitel ein Nachtragshaushalt, der „in weiten Teilen nicht mal umsetzbar ist“. Jarasch bezieht sich damit auf Fälle, in denen Kürzungen gar nicht möglich sind, weil es feste Verträge über Zahlungen gibt. Das Finale Grande ihrer Rede: Jarasch spricht Wegner ab, was der – geboren und aufgewachsen in Spandau und dort Abgeordneter auf drei Parlamentsebenen – als seine Kernkompetenz betrachtet.

„Da können Sie berlinern wie Sie wollen, Herr Wegner, Sie verstehen nicht, was Berlin am Laufen hält“, sagt Jarasch, die gebürtige Augsburgerin. Berlin erinnert sie inzwischen an „ein Schiff auf offener See, dem der Steuermann abhanden gekommen ist“.

Bei diesem argumentativ unterlegten Abwatschen gerät fast in Vergessenheit, womit Jarasch ihre Rede begonnen hat: mit einem Lob für Wegner und den Senatsbeschluss zur Verwaltungsreform, an dessen Vorbereitung auch ihre Partei beteiligt war. „Dass wir so weit gekommen sind, dafür gebührt Ihnen Dank, Herr Wegner“, sagt sie – und leitet daraus ab: Die Regierungsarbeit funktioniere offenbar nur, wenn Grüne und Linkspartei mit dabei sind.

Für die CDU geht daraufhin ihr Fraktionschef Dirk Stettner ans Rednerpult. Während Jarasch in diesem Haushaltsdrama zwar auch nicht mit dem filigranen Florett, aber immerhin noch mit leichtem Degen gefochten hat, haut der mit schwerem Säbel auf die Gegenseite ein. Es gebe „eine unfassbar schlechte Opposition in diesem Haus“, sagt er gleich zu Anfang – was verblüfft, weil Kai Wegner auch an diesem Tag schon Grüne und Linkspartei für ihre Mitarbeit bei der Verwaltungsreform gelobt hat. Keine eigenen sinnvollen Vorschläge habe die gemacht, meint Stettner – dabei hat Jarasch nur Minuten zuvor das Gegenteil bewiesen.

Attacken gegen Grüne

Unverdrossen schwingt der CDU-Mann weiter den Säbel Richtung Jarasch: „Ohne Sie und Ihren Finanzsenator Wesener hätten wir das Problem gar nicht, das wir heute lösen müssen.“ Dabei war es gerade Daniel Wesener, der bis April 2023 amtierende Chef des Finanzressorts, der in der rot-grün-roten Vorgängerregierung zu Ausgabendisziplin mahnte und die Sozialdemokraten davor warnte, vermeintliche Überschüsse auszugeben. Und auch Wegner selbst hat in seiner Regierungserklärung eingangs eingeräumt, dass nicht allein Rot-Grün-Rot den Haushalt auf Rekordhöhe von 40 Milliarden brachte: „Auch wir haben im vorigen Jahr Entscheidungen getroffen, die die Ausgaben erhöht haben.“

Den Grünen Wesener selbst bringen Stettners Worten indes nicht auf Distanz zur CDU. Beim Anstehen für eine namentliche Abstimmung plauscht er mit Regierungschef Wegner, der ihn sogar näher zu sich zieht, um ihm etwas mutmaßlich Vertraulicheres direkt ins Ohr zu sagen.

Für Jarasch hat Stettner noch einen Ratschlag: „Kommen Sie mal raus aus Ihrer grünen Kuschelgruppe.“ Aus seiner Sicht gibt es durch die Kürzungen keinen sozialen Kahlschlag, man könne „voller Optimismus in die nächsten zwei Jahre hinein gehen“.

Anne Helm, die Chefin der Linksfraktion, kommentiert seine Worte als nächste Rednerin so: „Das war allen im Saal peinlich.“ Sie drängt die schwarz-rote Parlamentsmehrheit, noch einen Änderungsantrag von Linkspartei und Grünen anzunehmen, bevor der Vorhang fällt: Mit zulässigen Krediten von über 800 Millionen ließen sich demnach die schmerzhaftesten Sparfolgen vermeiden.

Schlusspunkt um 12:02 Uhr

Von SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist danach nicht viel mehr Erhellendes zum Haushalt zu hören als von Stettner. Zu seiner Gefühlslage sagte er: „Die vergangenen Monate waren die härtesten meiner politischen Laufbahn.“

Um 12.02 Uhr ist das Drama um die Landesfinanzen beendet, als Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld (CDU) eine Stimmenmehrheit von CDU und SPD feststellt und verkündet: „Damit ist der Nachtragshaushalt so angenommen.“ Nun stehen also die Finanzen für 2025. Offiziell jedenfalls. Denn eigentlich galt das vor einem Jahr auch für den ursprünglichen Haushaltsplan.

Back to top button