Handschlag von Lindner ist für die SPD nichts wert | ABC-Z
Berlin. Das Trauma der SPD hat einen Namen: Christian Lindner. Lars Klingbeil macht bei „Markus Lanz“ klar, wie groß der Vertrauensverlust ist.
Es klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Markus Lanz hört zu. Wenn der SPD-Chef über ein Papier seiner Partei, das er nicht mal gelesen hat, salopp sagt, „da stehen kluge Dinge“ – dann schnappt die Falle zu und Lanz führt seinen Gast vor. Sprüche lässt er Lars Klingbeil nicht durchgehen. Nicht das einzige Beispiel in der letzten Talkshow.
Klingbeil ist allerdings ein cooler Typ, lächelt, lenkt ab, redet sich raus. Hohe Selbstkontrolle, selbstsicheres Auftreten. Sehr telegen. Für ihn wird die ZDF-Talkshow nicht zum heißen Stuhl.
Klingbeil bei „Markus Lanz“: Die „Elon-Musk-FDP“ ist unten durch
Die Sendung ist tendenziell besser, wenn sich Lanz auf wenige Gäste konzentriert. Am Donnerstagabend waren es drei, neben Klingbeil noch der Militärexperte Christian Mölling und die Berlin-Korrespondentin der „Rheinischen Post“, Kerstin Münstermann. An Klingbeil wollte sich Lanz abarbeiten. Gegenüber Experte Mölling war er kritiklos.
Auf einen Handschlag mit FDP-Chef Christian Lindner legt Klingbeil keinen Wert mehr, „da habe ich kein Vertrauen mehr darin“. Die Liberalen hat er nicht prinzipiell abgeschrieben, aber mit Lindner und der „Elon-Musk-FDP“ ist der SPD-Mann durch.
Zu viele Verletzungen und Kränkungen beim Bruch der Ampel. In einem Nebensatz wird Klingbeil später über die Grünen sagen, dass sie sich an die Union heranwerfen. Die SPD, eine Partei, der übel mitgespielt wurde: sozialdemokratisches Lebensgefühl.
Geschlossen zur Aufholjagd?
Was Klingbeil von anderen Politikern unterscheidet, zum Beispiel von seiner Co-Vorsitzenden Saskia Esken: Er ist unverkrampft. Ist eine Position unhaltbar, räumt er das Feld. Klingbeil gibt zu, dass die Benennung des Kanzlerkandidaten zu lange gedauert hat. „Diese Kritik akzeptiere ich.“ Er habe da anders handeln müssen.
Er begründet es damit, dass die SPD-Führung ausführlich darüber reden musste, ob der amtierende Kanzler Olaf Scholz oder sein Verteidigungsminister Boris Pistorius die Partei in den Wahlkampf führen sollte. Die Knetarbeit der Entscheidungsfindung ist die Voraussetzung für die Geschlossenheit, die er nun landauf, landab wahrnimmt.
„Die Geschlossenheit, die ist jetzt da“, sagt er. „Es gibt da eine Unterstützung für Olaf Scholz.“ Sie sei die Voraussetzung für die Aufholjagd. Klingbeil folgt einem einfachen Grundprinzip: Nur wer sich selbst begeistert, kann auch andere begeistern.
Lanz muss Klingbeil noch ein bisschen quälen
Münstermann glaubt, dass Pistorius gewartet hat, ob die Rufe nach ihm laut werden, und Scholz wiederum habe „die Nerven bewahrt“. Klingbeil stellt klar, Pistorius habe nicht seine Bereitschaft zurückgezogen, sondern sie gar nicht erst angemeldet. Man wüsste gern, ob er das bedauert oder begrüßt. Lanz hat sich da eine Auszeit gegönnt.
Klingbeil will nach vorn schauen. Lanz muss ihn nach seinen Worten „ein bisschen quälen“. Er ist gut vorbereitet, hat die zeitlichen Abläufe der Kandidatenfindung und quälende Zitate von Parteifreunden Klingbeils wie Bärbel Bas und Peer Steinbrück parat. Die Sendung wird für Klingbeil zum harten Ritt, wie der ganze Wahlkampf.
Ukraine-Politik ohne Perspektive
Das Drama mit Scholz ist, dass er sich wie ein Anführer fühlt, aber keiner ist, nicht für Münstermann und Lanz. Münstermann musste „tief schlucken“, weil der Kanzler von Krisen nichts wissen will. Die Klage ist halt das Lied des Kaufmanns – so hakt Scholz Klagen aus der Wirtschaft ab. Lanz meint, Scholz hätte sich und dem Land zugestehen müssen, „es hat nicht funktioniert: ich mache jetzt Platz für jemand anders.“
Erwartet jetzt jemand ernsthaft, dass Klingbeil zustimmt? Der politische Harakiri bleibt aus. Klingbeil schweigt und wirkt nicht unzufrieden, als sich Lanz Mölling zuwendet, dem Militärexperten. Es geht, man ahnt es schon, um den Ukraine-Krieg. Nach bald drei Jahren fragt Mölling noch immer, was eigentlich das Ziel der Bundesregierung ist: „Wir haben immer noch keine Perspektive“. Soll die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen? Soll sie sich nur verteidigen können, was in Möllings Augen „kein Ziel ist“.
„Ich weiß nicht, was ich wählen soll“
Gewaltfreiheit wird nach seiner Ansicht gegen Wladimir Putin nicht den Frieden bringen. Für ihn bewegen sich viele im Westen in einer Parallelwelt, in der es wie im Märchen ein Happy End gibt. Es wird klar, wem seine Sympathie gilt, der Koalition der Willigen, die zugunsten der Ukraine intervenieren würden. Er redet von den Franzosen, von den Osteuropäern. Hier hätte ihn Lanz drängen müssen, konkreter zu werden. Was erwartet er von der Bundesregierung?
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik – meinungsstark, exklusiv, relevant.
Letztlich treibt Lanz gerade die Innenpolitik um. Einmal erzählt der Moderator, in diesen Tagen höre er oft den Satz „ich weiß nicht, was ich wählen soll.“ Das war nicht der Schlusssatz der Talkshow, aber das Fazit vieler Sendung der letzten Wochen: Wahlkampf in Deutschland, eine einzige Verlegenheit? Klingbeil hat Lanz eher bestärkt.