Wirtschaft

Handelsabkommen zwischen USA und Großbritannien: Trump und der nette Herr Starmer – Wirtschaft | ABC-Z

Donald kann gar nicht genug gedankt werden. Wirklich wichtiges Abkommen. Wirklich fantastischer Tag. Unglaubliche Grundlage für die Zukunft. Keine zwei Länder stehen einander näher. Ja, erst unter Donalds Führung ist dieser Deal zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich endlich zustande gekommen.

So klang der britische Premierminister Keir Starmer, nachdem ihn US-Präsident Donald Trump bei der Verkündung der Handelsvereinbarung telefonisch ins Weiße Haus hatte schalten lassen. „Mr. Prime Minister, please take it away“, sagte Trump zur Begrüßung, und Starmer legte los. In den folgenden fünf Minuten nannte er den Präsidenten siebenmal beim Vornamen und war so ergriffen vom gemeinsam Erreichten, dass er irgendwann über sich in der dritten Person sprach: Jahrelang wurde über ein Abkommen verhandelt, aber erst dieser Präsident und dieser Premierminister hätten eine Einigung erzielen können, historisch sei das.

Die Überzeugung, mit der Starmer die Stärken des Präsidenten pries, erinnerte an Chuck-Norris-Witze. Hätte einer der anwesenden Journalisten den Briten gefragt, wie viele Liegestütze er Donald Trump zutraue, hätte er wohl geantwortet: alle.

Am Tag danach stellen sich die Briten ernste Fragen

Die Welt hat sich mittlerweile an Trumps Schmeichelbedürfnis gewöhnt, und das britische Volk an Starmers höflichen Umgang damit, freundlich formuliert. Aber die ernsten Fragen, die man sich im Vereinigten Königreich am Tag nach dem öffentlichen Telefonat stellt, lauten: Lohnt sich das eigentlich? Ist das wirklich ein so großartiger Deal, wie alle Mitwirkenden behaupten? Und was heißt das alles für das britische Verhältnis zur EU?

Inhaltlich geht es bei dem Abkommen maßgeblich darum, diverse Zoll-Regeln aufzulockern, mit denen Donald Trump die Welt und damit auch Großbritannien unter Druck gesetzt hat. Zwar wurden die Briten nicht ganz so heftig getroffen wie etwa die EU. Aber immerhin hatten sie seit Wochen mit einem Basiszoll von zehn Prozent auf alle Waren, die sie in die USA importieren, zu kämpfen. Zudem wurden Zölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent und auf Autos in Höhe von 27,5 Prozent verhängt.

Erstere wurden nun komplett aufgehoben, letztere für eine Quote von 100 000 Wägen auf zehn Prozent gesenkt. Der Auto-Branchenverband SMMT spricht von großartigen News für die Industrie und die Kunden, die Regierung schätzt die Zahl der eben noch gefährdeten und nun geretteten Arbeitsplätze auf 150 000. Die ebenfalls gewichtige britische Pharmabranche kann zumindest darauf hoffen, dass sie, sollte Trump auch für diese bislang geschützten Industrien Zölle erheben, eine „Vorzugsbehandlung“ genießen darf.

Ein heiklerer Punkt waren die landwirtschaftlichen Produkte, die verstärkt gehandelt werden sollen. Dazu zählen Agrarexporte aus den USA. Neben Ethanol, das als Kraftstoff Verwendung findet, soll vor allem Fleisch geliefert werden. Die Briten aber fürchten sich nicht nur vor hormonbehandeltem Rind, sondern abermals vor Chlorhühnern. Die haben vor mehr als zehn Jahren schon ganz andere Europäer geängstigt. Damals ging es um die letztlich erfolglosen Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.

Jedes Zugeständnis an die USA könnte Verhandlungen mit der EU erschweren

Zur Erinnerung: In den USA dürfen Landwirte Chlor und andere Desinfektionsmittel verwenden, um die Tiere von Bakterien zu säubern. Die EU hat den Import 1997 untersagt, das Vereinigte Königreich blieb auch nach dem Brexit dabei. Dass dieser Beschluss zumindest vorerst nicht angetastet wird, bezeichnete der Geschäftsführer des British Poultry Council, Richard Griffiths, als „klares Signal, dass die Regierung unsere Standards und die Werte, auf denen sie beruhen, unterstützt“.

Standards wie diese beschäftigen nun nicht nur britische Bauern, sondern auch europäische Politiker. Denn jedes Zugeständnis an die USA könnte entsprechende Verhandlungen mit der EU erschweren. Die wirtschaftlich kriselnden Briten finden sich in ihrem Bemühen, internationale Abkommen zu schließen, zwischen diesen beiden mächtigen Handelspartnern wieder. Und das Vereinigte Königreich will es sich weder mit dem einen noch mit dem anderen verscherzen. Der Politikwissenschaftler Anand Menon, Chef des Thinktanks UK in a Changing Europe, sagt der SZ dazu: „Was, wenn sich die Beziehungen zwischen der EU und Donald Trump verschlechtern und wir uns weigern, uns zwischen den beiden zu entscheiden? Wenn wir sagen, wir werden weiterhin sehr, sehr eng mit den USA zusammenarbeiten? Dann könnte es durchaus sein, dass einige Leute in der EU anfangen, von uns angepisst zu sein.“ Eine große Herausforderung für Starmer sei das, zumal bekannt sei, wie sehr Trump die EU ablehnt.

Menon wundert sich indes über die britischen Medien, die so hysterisch über den Deal berichteten, obwohl der wirtschaftliche Nutzen insgesamt recht begrenzt sein werde. Tatsächlich schwärmt der Independent, das Abkommen sei „ein Coup für Starmer und sein diplomatisches Geschick im Umgang mit Trump“, die Sun nannte es „einen Rettungsanker für die schwer getroffene britische Fertigungsindustrie“.

Aber nicht jeder ist so begeistert. Kritiker weisen darauf hin, dass das Vereinigte Königreich trotz des wortgewaltig verkündeten Abkommens schlechter dasteht als noch vor einigen Monaten, sprich: vor Trumps Zoll-Kanonade. Immerhin gelte weiterhin der Basiszoll von zehn Prozent auf die meisten Waren. Die Financial Times schreibt, der Pakt ähnele eher der Schutzgeldzahlung an einen Mafiaboss als einem Liberalisierungsabkommen zwischen souveränen Staaten. Der Guardian immerhin gesteht Starmer zu, noch das Beste herausgeholt zu haben. Auf Trumps Begeisterung für die Royals und seine Einladung durch Charles III. anspielend, rät das Blatt: Es wäre Zeit für den König, seinen Seidenpyjama herauszuholen, die Diet Cokes und die Haribos aufzustellen und sich auf seine Übernachtung mit dem Präsidenten vorzubereiten.

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