“Haben Scheinwelt geschaffen”: Ex-Mossad-Agenten verraten Details zu Pager-Angriff | ABC-Z
Als Ende September etliche Pager und Funkgeräte von Hisbollah-Mitgliedern explodieren, kommen Tausende Menschen ums Leben. Nun verraten zwei ehemalige Mitarbeiter des Mossad: Um die Miliz zu täuschen, wurde über Jahre hinweg eine neue Welt aufgebaut – vergleichbar mit der “Truman Show”.
Zwei frühere israelische Geheimdienstagenten haben neue Details zu den ausgefeilten Attacken auf die Schiitenmiliz Hisbollah geschildert, bei denen im Libanon und in Syrien Tausende Funkempfänger, sogenannte Pager, und Walkie-Talkies explodierten. Die Operation habe bereits vor zehn Jahren begonnen, sagte einer der Ex-Agenten der Sendung “60 Minutes” des US-Senders CBS in einem Segment, das am Sonntagabend (Ortszeit) ausgestrahlt wurde. Die Hisbollah habe Walkie-Talkies mit versteckten Sprengsätzen genutzt und nicht gewusst, dass sie diese von ihrem Feind Israel kaufe.
Die libanesische Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird, hatte unmittelbar nach dem Terrorangriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg auslöste, damit begonnen, Israel zu beschießen. Die früheren Geheimdienstler sind den Angaben zufolge erst kürzlich in den Ruhestand versetzt worden. Sie trugen Masken und ihre Stimmen wurden verändert, um ihre Identitäten zu schützen. Sie berichteten, bis September seien die Sprengsätze in den Walkie-Talkies nicht zur Detonation gebracht worden. Einen Tag nach der Zündung ebenfalls präparierter Pager war es dann so weit.
“Wir haben eine Scheinwelt geschaffen”, sagte einer der früheren Agenten, dem der Name “Michael” zugeordnet wurde. Die zweite Phase des Plans, also der Einsatz mit Sprengsätzen ausgestatteter Pager, sei im Jahr 2022 gestartet worden, nachdem der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad erfahren habe, dass die Hisbollah Funkempfänger bei einer in Taiwan ansässigen Firma gekauft habe, sagte der zweite Ex-Agent.
Werbespots für Pager auf Youtube
Die Pager hätten etwas größer gebaut werden müssen, um Platz für die darin zu versteckenden Sprengsätze zu schaffen. Sie seien mehrfach getestet worden, um die richtige Menge an Sprengstoff zu ermitteln, um möglichst nur einem Hisbollah-Kämpfer zu schaden, der das Gerät nutzt, und nicht den Menschen in seiner Nähe. Der Mossad habe auch verschiedene Klingeltöne ausprobiert, um einen zu finden, der dringlich genug klang, um Pager-Nutzer dazu zu bringen, die Geräte sofort hervorzuholen.
Der zweite Ex-Agent, dem der Name “Gabriel” zugeordnet wurde, sagte, es habe zwei Wochen gedauert, um die Hisbollah davon zu überzeugen, auf den schwereren Pager zu wechseln. Dies sei etwa durch Werbespots auf der Videoplattform Youtube unterstützt worden, in denen die Geräte als staubgeschützt, wasserdicht und mit einer längeren Akkulaufzeit versehen angepriesen wurden.
“Gabriel” beschrieb den Einsatz von Scheinfirmen, darunter eine in Ungarn, um die taiwanische Firma Gold Apollo dazu zu bringen, unwissentlich eine Partnerschaft mit dem Mossad einzugehen. Auch der Hisbollah war die Zusammenarbeit mit Israel freilich nicht bewusst. “Gabriel” verglich das Vorgehen mit dem Film “Truman Show” von 1998, in dem ein Mann keine Ahnung hat, dass er in einer vorgegaukelten Welt lebt.
Kontrolle hinter den Kulissen
“Wenn sie von uns kaufen, haben sie keine Ahnung, dass sie vom Mossad kaufen”, sagte “Gabriel”. “Wir machen so etwas wie die “Truman Show”, alles wird von uns hinter den Kulissen kontrolliert. In ihrer Erfahrung ist alles normal. Alles war 100 Prozent koscher, einschließlich Geschäftsleute, Marketing, Ingenieure, Ausstellungsraum, alles.”
Im September hatten Kämpfer der Hisbollah 5000 solcher Pager in ihren Taschen. Israel ließ sie am 17. September detonieren, als die Funkempfänger im ganzen Libanon zu piepen begannen. Die Geräte gingen auch dann in die Luft, wenn ihr Besitzer es versäumte, die Knöpfe zu drücken, um eine eingehende verschlüsselte Nachricht zu lesen. Am nächsten Tag aktivierte der Mossad die Walkie-Talkies, von denen einige bei Beerdigungen von Menschen explodierten, die bei den vorangegangenen Pager-Attacken getötet worden waren. “Gabriel” sagte, es sei mehr darum gegangen, eine Botschaft zu senden als Hisbollah-Kämpfer zu töten.
Wenn jemand tot sei, sei er einfach tot. Doch wenn er verletzt werde, müsse man ihn ins Krankenhaus bringen, sich um ihn kümmern, Geld dafür ausgeben. “Und diese Menschen ohne Hände und Augen sind der lebende Beweis dafür, dass man sich nicht mit uns anlegen sollte. Sie sind der lebende Beweis für unsere Überlegenheit im gesamten Nahen Osten.”
“Da ist echte Angst”
In den Tagen nach der konzertierten Attacke griff Israel Ziele im gesamten Libanon an. Tausende Menschen kamen ums Leben. Tage später wurde Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet, als Israel seinen Bunker bombardierte. Im November endete der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel, ein Nebenprodukt der Hamas-Attacke auf Israel, mit einer Waffenruhe.
Der Agent mit dem mutmaßlichen Decknamen “Michael” sagte, am Tag nach den Pager-Attacken hätten sich die Menschen im Libanon gefürchtet, ihre Klimaanlagen einzuschalten, aus Angst, dass auch diese explodieren könnten. “Da ist echte Angst”, sagte er. Auf die Frage, ob das Absicht sei, sagte er: “Wir wollen, dass sie sich verwundbar fühlen, was sie auch sind. Wir können nicht noch einmal Pager benutzen, weil wir das bereits getan haben. Wir haben uns schon zur nächsten Sache weiter bewegt. Und sie werden versuchen müssen, zu erraten, was die nächste Sache ist.”