News

Habecks Wirtschaftswahlkampf: … und was mit Klima machen die Grünen auch | ABC-Z

In den Umfragen liegen die Grünen deutlich zurück, dennoch hält Robert Habeck am Ziel Kanzleramt fest. Entsprechend präsentiert sich die Partei im Entwurf zum Wahlprogramm als Vollsortimenter: Wirtschaft, Haushalt, Sicherheit, Soziales und, ja, auch Klimaschutz. Der Union attestiert Habeck “Vodoo-Politik”.

Die Grünen stehen unter den Bundestagsparteien wie keine andere für Klima- und Umweltschutz, wollen im Bundestagswahlkampf aber keinesfalls darauf reduziert werden. “Zusammen wachsen” heißt das nun in Berlin von Kanzlerkandidat Robert Habeck Programm zur Bundestagswahl. Es ist anzunehmen, dass die rund 60 Seiten des Programmentwurfs in der basisdemokratisch organisierten Partei im Zuge des Programmparteitags am 26. Januar noch etwas anwachsen wird. Kompakt ist es dennoch, deckt aber alle Aspekte der politischen Debatte ab- Die Grünen verstehen sich schon lange als Vollsortimenter, der die Frage des Klimaschutzes bei allen anderen Themen einfach mitdenkt.

Attackieren möchte Habeck aber die Wettbewerber nicht bei dem Thema, das sie ohnehin “wie Orchideen” behandelten – also als schmückendes Beiwerk in ihren Programmen. Der amtierende Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler will insbesondere Union und SPD bei den Hörnern Wirtschafts- und Sozialpolitik und der mit beiden Politikfeldern verknüpften Haushaltsfrage packen.

Nur noch BIP-Wachstum um höchsten 0,5 Prozent?

Unter den gegebenen Voraussetzungen werde Deutschlands Wirtschaft in den kommenden Jahren selbst im günstigsten Fall faktisch nicht mehr wachsen, sagte Habeck. “Wenn alles tipptopp läuft im Land, dann kann die Volkswirtschaft noch um einen halben Prozentpunkt wachsen. Das ist nicht akzeptabel”, sagte Habeck. Grund seien die Versäumnisse der letzten zehn bis 15 Jahre. Deutschland müsse sich aus einer strukturell verfestigten Krise heraus investieren. Die Grünen plädieren – ebenso wie die SPD – deshalb dafür, die Schuldenbremse zu reformieren. Investitionsausgaben zur Ertüchtigung der Infrastruktur sollen über einen Deutschlandfonds ermöglicht werden, den auch Länder um Kommunen nutzen können sollen.

“Ohne Kredite wird es nicht gehen”, sagte Habeck. ” Deswegen wird die Union spätestens am 24. Februar [einen Tag nach der Bundestagswahl; Anmerkung der Redaktion] merken, dass ihre ganzen Ansagen Voodoo -Politik sind.” Deutschland müsse in den kommenden zehn Jahren einen dreistelligen Milliardenbetrag für Innovationen und Investitionen aufbringen, sagte Habeck und berief sich dabei auf die Europäische Zetralbbank, die Bundesbank und die OECD. Die Union “lügt sich und dem Land in die Tasche”, wenn sie behauptet, es gehe auch ohne mehr Schulden. “Deutschland muss sich noch einmal neu erfinden.”

Grüne wollen Führerschein bezuschussen

Erfunden haben die Grünen für ihr Programm auch Forderungen, die die Menschen bisher eher nicht mit der Ökopartei in Verbindung brachten. So wollen die Grünen staatliche Zuschüsse zum Pkw-Führerschein für Auszubildende: “Unser Vorschlag ist, dass wenn der Arbeitgeber, also der ausbildende Betrieb 500 Euro drauf legt, der Staat 1.000 Euro drauflegt, sodass die Leute, die lange Pendelwege im ländlichen Raum haben, den Führerschein, der ziemlich teuer geworden ist, günstig machen können”, sagte Habeck. Wer eine Wohnung oder ein Haus zur Eigennutzung erwerben wolle, solle mehr Zuschüsse bekommen, insbesondere junge Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

Auch gegen die organisierte Kriminalität wollen die Grünen stärker vorgehen – und unter anderem dafür einen Stellenaufbau um 1000 Beamte bei der Bundespolizei. Die Kosten für die Pflege wiederum sollen gedeckelt werden und “nicht ins Endlose steigen”, sagte Habeck. Er bezog sich dabei auf ein Gespräch mit einer 96-jährigen Frau, das er geführt habe. Die Grünen setzen in ihrem Wahlkampf auf so genannten Küchentischgespräche, die sie daheim bei ganz normalen Bürgern geführt haben und weiter führen wollen.

Habeck ist “ein Mensch”

Bei der Präsentation des Wahlprogramms war Habeck nicht allein. Ihm zur Seite stand Außenministerin Annalena Baerbock, die 2021 die erste Kanzlerkandidatin der Grünen überhaupt war. Dazu die noch immer neuen Bundesparteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak sowie die Bundesgeschäftsführerin Pegah Edalatian. Die drei waren beim Bundesparteitag Mitte November neu ins Amt gekommen. Habeck hatte auf der Versammlung in Wiesbaden versprochen, er verstehe seine Spitzenkandidatur nicht als Solo-Unternehmen, sondern wolle im Team führen.

Dennoch wird sich der Wahlkampf sehr auf Habecks Person fokussieren. Die Grünen liegen mit 13 Prozent Zuspruch im RTL/ntv Trendbarometer abgeschlagen hinter Union, AfD und SPD. Bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz – wen der drei Kandidaten die Menschen gerne zum Bundeskanzler hätten – ist Habeck dagegen auf Augenhöhe, meist vor Scholz und knapp hinter Merz. Die bei der Vorstellung des Wahlprogramm gezeigte Kampagne “Ein Mensch. Ein Wort.” zeigt Habeck in Nahaufnahme. Er trägt darauf ein schwarzes Hemd.

Auch bei der Programmvorstellung war Habeck ganz in Schwarz gekleidet. Es wurde offenbar befunden, dass das Outfit besonders gut zum vollen, aber graumelierten Haar passt. Der 54-Jährige soll als der virile, frische Kandidat präsentiert werden – im Kontrast zu Merz und Scholz, die das Renteneintrittsalter lange hinter sich gelassen haben. Zudem versucht sich Habeck abzusetzen vom rauen Ton, mit dem derzeit Scholz und Merz auf sich aufmerksam machen. Beiden griffen zuletzt einander persönlich an, ob im Bundestag oder außerhalb. Scholz ritt zudem wiederholt auf vermeintlichen Charakterschwächen von FDP-Chef Christian Lindner herum.

Viele Parallelen zur SPD

Sich inhaltlich von Scholz abzusetzen, fällt Habeck dagegen schon schwerer: SPD und Grüne wollen beide Unternehmen mit Steuernachlässen in Höhe von zehn Prozent einer Investition an Deutschland binden oder nach Deutschland locken. Beiden schwebt ein Deutschlandfonds zum Anschub von Infrastrukturinvestitionen vor, wobei sich die Überlegungen in Details unterscheiden. Habeck kann für sich in Anspruch nehmen, beide Vorschläge schon vor Monaten platziert zu haben. Dafür haben die Sozialdemokraten als erste von einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro gesprochen, die auch die Grünen befürworten.

Beide Parteien wollen zudem die Energiepreise deutlich senken, indem die Netzentgelte, die wegen des teuren Ausbaus der Stromübertragungsnetze immer weiter steigen, aus Bundesmitteln bezuschusst werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sei das Fundament der sozialen Marktwirtschaft. Doch habe “Deutschland systematisch zu wenig für seine Wettbewerbsfähigkeit getan”, sagte Habeck. Niedrigere Strompreise sollen den Unternehmen in der akuten Krise helfen. Ebenfalls ähnlich zur SPD wollen die Grünen die Superreichen stärker zur Finanzierung der Aufgaben der heranziehen. Ihnen schwebt eine Besteuerung von Milliardärsvermögen vor, deren Erträge an Länder und Kommunen fließen soll, um Kinderbetreuung und Bild voranzubringen.

Das Wort Klima dürfte sich dagegen deutlich öfter bei den Grünen finden, als auch bei den Sozialdemokraten. Olaf Scholz sei im Bundestagswahlkampf 2021 als “Klimakanzler” angetreten und habe dieses Versprechen mit seinem Amtsantritt wieder vergessen. “Wir machen eine Klimapolitik, die effektiv und gleichzeitig sozial gerecht ist”, sagte Banaszak. So soll es etwa für den Tausch von Heizungen noch umfassendere Förderungen für kleine Haushalte geben. Ebenfalls im Wahlprogramm: “ein sozial gestaffeltes Klimageld”. Dieses war in der laufenden Legislaturperiode zuvorderst an der FDP gescheitert. Aber niemand tritt Habeck zu nahe mit der Feststellung, dass angesichts der vielfältigen Engpässe im Haushalt frühzeitig den Kampf dafür eingestellt hat.

Habeck beteuerte wiederholt, das alle Vorschläge der Grünen “gegenfinanziert” seien – anders als bei den anderen Parteien. Dieser Satz wiederum dürfte auf der Vorstellung eines jeden Wahlprogramms zu hören sein. Eine Aufrechnung, wie all die Vorhaben im Haushalt zusammengehen, findet sich im Wahlprogramm der Grünen nicht.

Back to top button