Guttenberg, die Wehrpflicht und die Frage der Haltung | ABC-Z

Als Karl-Theodor zu Guttenberg Verteidigungsminister war, sah man ihn in Kampfuniform und mit Pilotenbrille, in Kaschmirjacke am Hindukusch, im Smoking in Bayreuth, in der Montur eines Jet-Piloten und immer wieder auch im Rollkragenpulli. Die Form ersetzte den Inhalt – ein Programm, das auch für seine politischen Reden galt. Denn Guttenberg sprach so oft von „Haltung“, dass allein durch die Wiederholung des Begriffs die Idee entstand, er könne wirklich eine haben. Als im Dezember 2010 der „Focus“ Guttenberg als „Mann des Jahres“ feierte, pries der damalige Journalist und heutige Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, ihn mit den Worten: „Dabei ist gar nicht so bedeutsam, welche Haltung er gerade hat, sondern dass er eine hat und diese auch offen vertritt.“ Auch bei der Aussetzung der Wehrpflicht stand damals kein inhaltliches Ziel im Vordergrund, sondern ein kalkulierter Effekt, eine Provokation, die ihm Popularität verlieh.
„Ein dürrer Schluck aus der halbvollen Flasche“
In der Talkshow von Sandra Maischberger ging es am Mittwochabend jetzt wieder um die Wehrpflicht, und Guttenberg war als Experte eingeladen. Wir seien dabei, „die Bundeswehr zu ertüchtigen“, so die Moderatorin. Verteidigungsminister Boris Pistorius habe über ein „Freiwilligenmodell“ gesprochen, wolle dann aber ein Gesetz machen, demzufolge, sollten sich nicht genug melden, manche Teile eben doch verpflichtet werden. Wie er das finde, fragte sie zu Guttenberg. Der sagte dann metaphernreiche Guttenbergsätze, die – man fühlte sich ganz in die Vergangenheit versetzt – auf eine Haltung hindeuteten, ohne dass daraus irgendetwas klar wurde: Pistorius‘ Konzept sei es ein „halber Schritt hin“ auf das, „was von ihm gewünscht war, was insbesondere auch die CDU laut tönend in die Koalitionsverhandlungen mitgebracht hat, wo man ein bisschen als Bettvorleger gelandet ist im Hinblick auf das, was man sich da gewünscht hatte“. Es sei „ein dürrer Schluck aus der halbvollen Flasche“. Sich selbst nannte Guttenberg wie selbstverständlich einen „Anhänger der allgemeinen Dienstpflicht“, obwohl er die Wehrpflicht damals aussetzen musste, „weil wir es uns schlichtweg nicht mehr leisten konnten wegen der Kürzungen“. Auch in der jetzigen Phase sei er dafür, „die Wehrpflicht zu ertüchtigen“. Interessanterweise fragte ihn die Moderatorin nicht einmal, warum und wie sein Konzept wäre.
„Kann Trump die Eskalation in Nahost stoppen?“, lautete das Thema der Sendung, in der neben dem ehemaligen Verteidigungsminister der Vizepräsident des Bundestages, Omid Nouripour (B’90/Grüne), auftrat. Unter den Gästen im Studio säßen Abiturienten, was er denen zur Wehrpflicht sage, fragte Sandra Maischberger an ihn gewandt: Werde es sie erwischen oder nicht? Nächstes Jahr sicher nicht, allein weil 130 Kasernen geschlossen hätten und es keine Ausbilder gebe, sagte Nouripour und befand, dass es keinen Grund gebe, den Dienst an der Allgemeinheit schlechtzureden, dazu könne auch der Dienst an der Bundeswehr zählen. Um etwas Genaues sagen zu können, müssten Pistorius’ Pläne aber erst konkret und müsse schnell entschieden werden.
Nicht zuletzt hingen die Entwicklungen auch von äußeren Faktoren ab, etwa davon, ob die USA uns beistehen würden, wenn zum Beispiel ein baltisches Land von Russland angegriffen werde. „Am Ende“, so Nouripour mit Blick auf Amerika, „müssen wir auf uns selber schauen, Freundschaft hochhalten, wo es geht und die Abhängigkeiten abbauen, wo es geht“ – nicht zuletzt, um nicht allein den Launen des amerikanischen Präsidenten und der MAGA-Bewegung ausgeliefert zu sein.
Der Grünen-Politiker war auch deshalb in die Sendung eingeladen worden, weil er in Teheran geboren wurde, im Alter von 19 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern nach Frankfurt gekommen war, und vor diesem Hintergrund politisch wie persönlich nach seiner Einschätzung der Ereignisse im Krieg zwischen Israel und Iran und der Rolle der USA befragt werden konnte. Der Bundeskanzler habe gesagt, zitierte Maischberger Friedrich Merz: „Es wäre gut, wenn dieses Mullah-Regime an sein Ende käme.“ Wie er zu dieser Aussage stehe. Als Omid Nouripour antwortete, dass er sie für richtig halte, schob er den entscheidenden Satz doch erst noch hinterher: Die Frage sei, ob wir dem Ende des Mullah-Regimes durch die Militärschläge wirklich nähergekommen seien.
Denn es sei ja nicht nur so, dass die Menschen in Teheran jetzt versuchten, wieder in den Alltag zurückzufinden. Seit drei Tagen gebe es auch eine massive Verhaftungswelle. Gerüchte von bevorstehenden Hinrichtungen kursierten. Das größte Gefängnis des Landes, Ewin, in dem politische Häftlinge inhaftiert seien, wurde bei einem israelischen Schlag am Eingangstor beschädigt. Die Gefangenen seien nun aber evakuiert worden in andere Gefängnisse, in denen sie jetzt zusammen mit Mördern und Vergewaltigern seien und nicht sicher sei, ob sie zurückkämen. Ob ein Regimewechsel bevorstehe, sei selbst dann nicht klar, wenn „ein religiöser Führer das Zeitliche segnen würde, aus welchen Gründen auch immer“. Karl Theodor zu Guttenberg hatte da gleich wieder eines seiner berühmten Sprachbilder parat: „Das ist immer noch eine sehr trübe Glaskugel, in die wir da schauen.“
Dass die „Maischberger“-Sendung dann ungewohnt optimistisch endete, lag am abschließenden und zum Thema der Sendung eigentlich gar nicht passenden Auftritt der 37 Jahre alten Bauministerin Verena Hubertz, die nach eigenem Bekunden zwar auch „bauen, bauen, bauen“ will, sich aber auf keine Zahl festlegen lassen wollte.
Mit dem Hinweis, dass die Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz an ihrem Ziel gescheitert sei, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu schaffen, hätte Maischberger der neuen Ministerin gerne genauere Umfänge ihrer Vorhaben entlockt. Hubertz wies sie irgendwann aber darauf hin, dass die wiederholten Versuche nichts brächten. Sie habe sich auf die Sendung vorbereitet und geübt, diese Frage nicht zu beantworten.
Warum man Friedrich Merz, der bei BlackRock gearbeitet habe, immer wieder vorgeworfen habe, dass er Millionär sei, ihr aber nicht, fragte die Moderatorin die ehemalige Gründerin der Koch-App Kitchen Stories, die Tim Cook von Apple begeistert und Kitchen Stories an eine Bosch-Tochter verkauft hatte. Es sei ein Unterschied, sagte Hubertz, ob man ein eignes Unternehmen gegründet habe und ein Risiko eingegangen sei. Sie habe damals einen Sparkassenkredit aufgenommen, ihre Mitgründerin ihr Auto verkauft. Sie habe bei Burger King am Hauptbahnhof in Trier gearbeitet und dort 6,13 Euro verdient. Sie wisse also, wovon sie rede, wenn sie für den Mindestlohn eintrete. Von Arbeit, so Verena Hubertz, müsse man leben können.