Grünes Heizöl oder Wärmepumpe? Ein Ingenieur räumt im „Klima-Labor“ mit Heiz-Mythen auf | ABC-Z

Nach dem Wahlsieg der Union stehen Heizungsgesetz und Wärmepumpenförderung auf der Kippe. Schlägt stattdessen die Stunde des ominösen „grünen Heizöls“? Jochen Theloke ist skeptisch. Im „Klima-Labor“ verweist der Ingenieur auf die hohen Preise und die begrenzte Verfügbarkeit: „Global stehen 20 Millionen Tonnen zur Verfügung. 2024 hat allein Deutschland 10 Millionen Tonnen verbraucht.“ Der Ingenieur plädiert stattdessen für die in Verruf geratene Wärmepumpe. Die heizt effizient, wird inzwischen günstiger und ist entgegen vielen Mythen sehr wohl vielseitig einsetzbar: „Wenn ich einen qualifizierten Installateur habe, kann ich sie quasi in jedes Gebäude einbauen“, sagt Theloke im Podcast. Klar ist ihm zufolge aber auch: Die Strompreise müssen sinken, sonst rechnet sich die Wärmepumpe nicht.
ntv.de: Welches Thema war aus Sicht eines Ingenieurs das Wichtigste im Wahlkampf?
Jochen Theloke: Die Migrationsdebatte hat sehr viel Platz eingenommen. Ich hätte mir mehr Diskurs zu Themen wie Klimawandel und Energiewende gewünscht, speziell zum Gebäudeenergiegesetz.

Dr.-Ing. Jochen Theloke ist Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt.
(Foto: Verein Deutscher Ingenieure)
Die Union hat auf ihrem Parteitag beschlossen, das Gesetz wieder abzuschaffen, ohne zu sagen, was sie genau darunter versteht. Wie stehen Sie dazu?
Das Gebäudeenergiegesetz gab es schon, bevor es 2024 als „Heizungsgesetz“ bekannt wurde. Das wurde 2020 von der Großen Koalition beschlossen. Die aktuelle Version kann man sicherlich modifizieren. Es abzuschaffen, halte ich nicht für zielführend und mit Blick auf die deutschen Klimaziele auch nicht für sinnvoll.
Muss es denn modifiziert werden?
Ich würde es erst einmal so lassen, weil es eine gewisse Stabilität im Markt und für das Vertrauen der Verbraucher bringt. Der Streitpunkt sind ja primär die verschiedenen technischen Optionen, die in Kombination mit der kommunalen Wärmeplanung beschlossen wurden, inklusive der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).
Aus Ingenieurssicht heißt es: Bitte Kurs halten, damit wir in die Umsetzung kommen. Sie sehen keine Gefahr, dass das Heizungsgesetz in seiner jetzigen Form Schaden anrichten könnte?
Nein. Natürlich muss nach dieser unübersichtlichen Diskussion viel Vertrauen aufgebaut werden. Dazu trägt eine weitere Änderung aber sicherlich nicht bei.
Gilt das auch für die Wärmepumpenförderung? Deutschland leistet sich europaweit die höchste.
Auch an Förderinstrumente kann man rangehen, wenn die Preise sich wegen irgendwelcher Entwicklungen ändern. 2023 waren Wärmepumpen sehr teuer, weil die Nachfrage hoch und das Angebot knapp war. Jetzt sinken die Preise langsam, weil die Hersteller Kapazitäten aufgebaut und das Angebot so stark vergrößert haben, dass sie letztlich sogar Personal entlassen mussten. Inzwischen zieht die Nachfrage aber wieder an.
Ist die Herstellung von Wärmepumpen inzwischen ebenfalls günstiger geworden?
Soweit ich das in den vergangenen Wochen bei verschiedenen Veranstaltungen und Diskussionen mit Experten und Herstellern wahrgenommen habe, bewegt sich etwas. Genaue Angaben müssten verifiziert werden.
Wie genau funktionieren Wärmepumpen eigentlich? Und wie effizient sind sie?
Wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt: Mit Strom wird ein Kältemittel komprimiert. Dadurch wird Wärme erzeugt und freigesetzt. Bei der Entspannung wird das Kältemittel wieder frei, sodass ich es erneut komprimieren kann. Die Effizienz gibt man mit der Jahresarbeitszahl an. Das ist das Verhältnis von zugeführter Energie zu erzeugter Energie, also von Strom zu Wärme. Bei Wärmepumpen liegt die Jahresarbeitszahl zwischen 2,5 und 5.
Das ist effizienter als mit Gas oder Öl zu heizen?
Ja, entscheidend ist aber: Das ist ein Kreislauf. Wenn ich sauberen Strom benutze, arbeitet die Wärmepumpe klimaneutral.
Und das funktioniert auch in Altbauten oder älteren Einfamilienhäusern?
Es gibt sicherlich Einzelfälle, in denen es schwierig wird. Aber wenn ich einen qualifizierten Installateur und einen guten Energieberater habe, kann ich die Wärmepumpe quasi in jedes Gebäude einbauen.
Das „Klima-Labor“ können Sie bei ntv.de lesen oder sich bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify und auch über den RSS-Feed anhören.
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Es gibt auch andere Meinungen.
Im November hat die Deutsche Energie-Agentur (Dena) eine „Woche der Wärmepumpe“ mit einer Telefonaktion veranstaltet. Daran waren auch unsere Experten beteiligt. Die haben von Anrufern berichtet, denen der örtliche Installateur gesagt hat: Wärmepumpe? Das geht nicht mit einer Vorlauftemperatur von 55 Grad. Dabei ist das überhaupt kein Problem.
Vorlauftemperatur?
Das ist die Temperatur des Heizwassers im Heizungskreislauf. 55 Grad sind manchen Installateuren zu niedrig, um einen Raum zu erwärmen. Die gehen beim Planen lieber auf Nummer sicher. Gerade im Bestand sind deswegen viele Wärmepumpen überdimensioniert, aber das geht natürlich auf den Preis.
Haben Sie eine Idee, woher diese Skepsis oder das fehlende Wissen kommen? Die ersten Wärmepumpen wurden schon vor mehr als 20 Jahren installiert und funktionieren noch heute. Das ist keine neue Technologie.
Der Einbau von Wärmepumpen ist nicht in der Ausbildung verankert. Für die meisten Installateure ist es außerdem am einfachsten, eine Gas- oder Ölheizung einzubauen, denn das ist der Standard.
Das machen sie ständig und wissen genau, wie lange das dauert und welche Teile man benötigt?
Ja. Das sind Heizungssysteme von der Stange, der Einbau geht schnell. Bei der Wärmepumpe muss man sich dagegen mit elektrischen Anschlüssen beschäftigen und das gesamte Heizungssystem verstehen. Das ist übrigens auch ein Mythos: Wenn ich eine Wärmepumpe einbaue, muss ich alle Heizungen auswechseln. Das stimmt nicht. Auch in schlecht gedämmten Gebäuden funktioniert die Wärmepumpe in der Regel ohne größere Austauschmaßnahmen.
Und wo müssen die Strompreise liegen, damit der Betrieb einer Wärmepumpe aufs Jahr gesehen ähnlich günstig oder teuer ist wie der Betrieb einer Gasheizung?
Auf europäischer Ebene sagt man grob: Wenn das Verhältnis von Strompreis zu Gaspreis unter 2,5 liegt, lohnt es sich, eine Wärmepumpe auch ohne Förderung einzubauen. In Frankreich oder Portugal liegt das Verhältnis zum Beispiel zwischen 1,5 und 2,5. Frankreich heizt bereits hauptsächlich mit Strom, weil es sehr viel Kernenergie hat. In Deutschland liegt der mittlere Strompreis aktuell bei 40 Cent pro Kilowattstunde und der Gaspreis bei 11 Cent. Dieses Verhältnis von 4:1 ist definitiv zu hoch.
Der deutsche Strompreis müsste auf 25 Cent pro Kilowattstunde sinken?
Ja. Ohne Förderung wäre die Wärmepumpe in Deutschland derzeit eine relativ teure Angelegenheit. Allerdings darf man nicht vergessen: Ab 2027 greift der europäische Emissionshandel auch für Verkehr und Gebäude. Dann sind Preissprünge bei Öl und Gas zu erwarten, die öffentliche Debatte kann man beim Benzinpreis bereits beobachten. Was das konkret bedeutet, weiß aber niemand.
Die Union hat im Wahlkampf plötzlich auch „grünes Öl“ als Heizoption in den Raum geworfen. Was ist das?
Es geht um HVO-Kraftstoffe, also „Hydrotreated vegetable oils“. Das sind im Prinzip mit Wasserstoff behandelte Speise- oder Palmöle. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat sich Anfang 2024 mit der Frage beschäftigt, inwieweit hydriertes Pflanzenöl als erneuerbarer Dieselkraftstoff verwendet werden kann. Dort wird die Verfügbarkeit als Kernproblem genannt und somit der Preis: HVO-Kraftstoffe sind ein begrenztes Gut – erst recht, seit Ende 2023 die Verwendung von Palmöl in Kraftstoffen untersagt wurde. Dazu kommt die Konkurrenz bei der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Lebensmittel. Das Fazit der Untersuchung ist, dass solche Kraftstoffe in Sektoren verwendet werden sollten, die schwer elektrifizierbar sind, also Schifffahrt, Luftfahrt oder auch für den Traktor in der Landwirtschaft. Übrigens hat allein Deutschland 2024 10 Millionen Tonnen Heizöl verbraucht.
So viel grünes Heizöl gibt es nicht?
Global stehen 20 Millionen Tonnen zur Verfügung. Egal, wo man sich darüber informiert: Es wird überall auf die begrenzte Verfügbarkeit hingewiesen.
Sie als Heizungsexperte würden also davon abraten, sich auf grünes Heizöl zu verlassen?
Das ist auf jeden Fall mit einem gewissen Risiko verbunden.
Diplomatisch. Haben Sie denn eine Idee, warum die Union trotzdem dafür wirbt?
In der Politik geben sich viele Interessenträger die Klinke in die Hand. Dadurch ergibt sich wahrscheinlich manchmal ein wenig übersichtliches Bild.
Gibt es Ihrer Meinung eine Alternative zur Wärmepumpe, um das deutsche Wärmesystem klimaneutral zu gestalten?
Auf kommunaler Ebene gibt es viele unterschiedliche Lösungen. Das hängt immer davon ab, welche Wärmeerzeuger vorhanden sind, etwa Abwärme von Rechenzentren. Das wird die kommunale Wärmeplanung zeigen. Fernwärme, Nahwärmenetze und Kältenetze werden sicherlich eine Rolle spielen. In weniger urbanen Gebieten wird die Hauptoption aber die Wärmepumpe bleiben.
Mit Jochen Theloke sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast „Klima-Labor“ anhören.
Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Geht Klimaschutz auch ohne De-Industrialisierung? Und wütende Bevölkerung? Das „Klima-Labor“ ist der ntv-Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen auf Herz und Nieren prüfen. Ist Deutschland ein Strombettler? Vernichtet die Energiewende Industrie & Arbeitsplätze? Warum sind immer die Grünen schuld? Sind Seeadler wirklich wichtiger als Windräder? Kann uns Kernkraft retten?
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