Grüne Jugend: Vorstand in Bayern und Doppelspitze in Niedersachsen treten aus | ABC-Z
Der achtköpfige bayerische Landesvorstand und die niedersächsische Doppelspitze der Grünen Jugend kehren der Partei den Rücken zu. Die Rede ist von einem „Entfremdungsprozess“ und „unüberwindbaren Widersprüchen“.
Nach dem Bundesvorstand der Grünen Jugend hat in Bayern der gesamte Landesvorstand der Jugendorganisation den Austritt angekündigt. „Grund dafür ist der Entfremdungsprozess von der Grünen Partei über die letzten Monate und Jahre. Viele Entscheidungen, die Grüne in der Regierungsbeteiligung getroffen haben, sowie den aktuellen programmatischen, inhaltlichen und strategischen Kurs, können und wollen wir nicht länger mittragen“, teilte die achtköpfige Spitze der Grünen Jugend Bayern mit. Die „Augsburger Allgemeine“ hatte darüber berichtet.
Sie nannten das Bundeswehr-Sondervermögen, die Räumung des Braunkohleorts Lützerath, das Bürgergeld und die Reform des europäischen Asylsystems und beklagten eine nicht ausreichende Strategie gegen rechts. Zu viele Konflikte habe man mit der Partei geführt „und dabei immer wieder festgestellt, dass die Grünen nicht das linke Projekt sind, das wir uns wünschen“, hieß es. „Wir glauben nicht mehr, dass wir bei den Grünen und damit auch in der Grünen Jugend so Politik machen können, wie wir uns das vorstellen.“
„Die Grüne Jugend ist und bleibt aber unser kritischer und meinungsstarker Jugendverband“, sagte die bayerische Landesvorsitzende der Grünen, Eva Lettenbauer, auf Anfrage. Die Vorstandmitglieder werden laut Lettenbauer die Geschäfte bis zur ohnehin geplanten Neuwahl des Vorstands Ende November organisatorisch weiterführen. „Es stehen schon viele junge Menschen bereit, die Lust haben, weiter in der Grünen Jugend aktiv zu sein.“ Die „Augsburger Allgemeine“ hatte auch darüber berichtet.
Auch die Doppelspitze der Grünen Jugend in Niedersachsen macht es ihrem Bundesvorstand gleich und zieht sich aus der Partei zurück. Das erklärten Rukia Soubbotina und David Christner „aufgrund von unüberwindbaren Widersprüchen“ mit der Partei.
„Wir haben in den letzten Jahren wiederholt sehen müssen, wie die Grünen immer weiter davon abrücken, die soziale Frage in den Mittelpunkt zu stellen“, sagte Soubbotina. Als Beispiele nannte sie das Mittragen von Bürgergeldsanktionen, Verschärfungen des Asylrechts und das Ausbleiben von „Antworten auf die Wohnungskrise“.
Soubbotina und Christner wollen die Grüne Jugend und die Grünen nach der nächsten Landesmitgliederversammlung vom 8. bis 10. Oktober verlassen. Am Mittwoch hatte bereits der Bundesvorstand der Grünen Jugend, darunter mit Svenja Appuhn, Jonathan Thurow und Pia Scholten drei Mitglieder aus Niedersachsen, angekündigt, sich von der Grünen Jugend und den Grünen zurückzuziehen und eine neue linke Jugendorganisation aufzubauen.
Die Turbulenzen haben auch die Hamburger Bürgerschaft erreicht. Die Grünen-Abgeordnete Ivy Müller kündigte am Freitag ihren Austritt aus der Partei sowie deren Bürgerschaftsfraktion an. Sie begründete ihren Schritt mit grundsätzlicher Kritik am sozialpolitischen Kurs der Grünen. Sie werde künftig als „parteilose Abgeordnete Teil der Linksfraktion“ im Landesparlament sein, erklärte die 27-Jährige im sozialen Netzwerk Instagram.
Am späten Mittwochabend war bekannt geworden, dass der Bundesvorstand der Grünen Jugend aus Protest gegen den Kurs der Grünen geschlossen aus der Partei austreten und einen neuen linken Jugendverband gründen will. Der Vorstand werde seine Amtsgeschäfte bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig gewissenhaft zu Ende führen, die Wahl des neuen Bundesvorstands ermöglichen und danach auch aus der Grünen Jugend austreten, hieß es in einem Brief an die Partei- und Fraktionsführung.
Kurz zuvor hatte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für Mitte November angekündigt. Dann soll auf dem Bundesparteitag in Wiesbaden ein neuer Vorstand gewählt werden, der die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen soll. Die Parteispitze zieht damit die Konsequenz aus den Misserfolgen der Grünen bei den jüngsten Wahlen. „Es braucht einen Neustart“, sagte Nouripour in Berlin.
dpa/AFP/jr/shem