Großbritannien: Kemi Badenoch ist neue Chefin der Tories – Politik | ABC-Z
Kemi Badenoch ist die neue Chefin der Konservativen Partei in Großbritannien. Die Mitglieder wählten die ehemalige Wirtschaftsministerin zur Nachfolgerin von Ex-Premierminister Rishi Sunak, wie die Tory-Partei in London mitteilte. Die 44 Jahre alte Badenoch gilt wie auch ihr unterlegener Kontrahent, der frühere Migrationsstaatssekretär Robert Jenrick, als Vertreterin des rechten Parteiflügels. Insgesamt waren sechs Bewerberinnen und Bewerber angetreten. Moderate Kandidaten wie Ex-Innenminister James Cleverly schieden aber bei den Abstimmungen in der Fraktion aus, bevor die Mitglieder das letzte Wort hatten.
Badenoch erhielt 53 806 Stimmen, Jenrick 41 388. Sie ist damit die erste schwarze Frau an der Spitze einer großen britischen Partei und die erst vierte weibliche Tory-Vorsitzende nach Margaret Thatcher, Theresa May und Liz Truss.
„Es ist die größte Ehre, in diese Funktion gewählt worden zu sein und eine Partei zu führen, die ich liebe, die Partei, die mir so viel gegeben hat“, sagte Badenoch in ihrer Dankesrede. Dabei zollte sie auch Sunak Respekt: „Niemand hätte in solch schwierigen Zeiten härter arbeiten können“, sagte sie über den früheren Regierungs- und Parteichef. Gleichzeitig räumte sie aber auch ein, dass die Tories ehrlich zu sich sein müssten, dass man Fehler gemacht habe. „Es ist an der Zeit, die Wahrheit zu sagen“, sagte Badenoch.
Glückwünsche erhielt die neue Vorsitzende sowohl von Sunak als auch vom obersten politischen Rivalen, dem Premierminister Keir Starmer. Sie werde eine hervorragende Vorsitzende sein, die Partei erneuern, für konservative Werte eintreten und den Kampf mit der regierenden Labour-Partei aufnehmen, erklärte Sunak auf der Plattform X. Starmer würdigte, dass die erstmalige Wahl einer schwarzen Vorsitzenden einer Westminster-Partei „ein stolzer Moment für unser Land“ sei.
Als Ministerin für Gleichberechtigung war Badenoch gegen eine Anhebung des Mutterschaftsgelds
In London geboren, aber in Nigeria, dem Heimatland ihrer Eltern, aufgewachsen, gilt Badenoch als Liebling der Parteibasis. Dabei hat die studierte Computerwissenschaftlerin im parteiinternen Wahlkampf nur wenig Details zu ihren politischen Vorhaben verraten. Sie gibt sich seit Langem als „Anti-Woke-Kulturkriegerin“, die mit Äußerungen gegen das angeblich linksliberale Establishment auffällt. Auch während ihrer Zeit als Ministerin für Gleichberechtigung – das Amt hielt sie zusätzlich zu ihrem anderen Kabinettsposten – äußerte sich die Mutter dreier Kinder unter anderem kritisch über Genderfragen und plädierte gegen eine Anhebung des Mutterschaftsgelds.
Seit dem Brexit sind die Konservativen nicht zur Ruhe gekommen. Innerhalb weniger Jahre scheiterten fünf Premierminister, weil sie die Folgen des EU-Austritts nicht in den Griff bekamen. Seit der Wahlpleite im Juli stellen die Tories – über Jahrzehnte eine der erfolgreichsten demokratischen Parteien Westeuropas – nur noch 121 der 650 Abgeordneten im Londoner Unterhaus.
Die Konservativen verwandelten sich immer weiter von einer Mitte-Rechts-Kraft in eine radikale rechtspopulistische Partei, sagte der Politologe Tim Bale der Deutschen Presse-Agentur. Welche Politik der Experte der Queen Mary University of London erwartet? Forderungen nach möglichst wenig staatlicher Einmischung, im Ton nationalistisch und einwanderungsfeindlich sowie gegen Klimaneutralität.
„Die Parteimitglieder haben sich für Kemi Badenoch entschieden, weil sie sie als prinzipientreu und bereit betrachten, ihre Meinung zu sagen, auch wenn dies zu Kontroversen führt“, sagte der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster der dpa. Der Stil der überzeugten Brexit-Unterstützerin sei mit dem von Ex-Premierministerin Thatcher vergleichbar, die von vielen Tory-Mitgliedern noch immer verehrt werde. Allerdings sieht Garnett mit dem scharfen Rechtskurs die Zukunft der Tories als Volkspartei infrage gestellt. Die Wahl im Juli, bei der die sozialdemokratische Labour-Partei die Konservativen nach 14 Jahren an der Regierung ablöste, habe gezeigt, dass die meisten Wähler immer noch der politischen Mitte nahestünden.