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Größter deutscher Schiffbauer: Meyer Werft jetzt mehrheitlich in Hand des Staates – das sind seine Bedingungen | ABC-Z

Der Bund hat jetzt grünes Licht für den Einstieg bei der Meyer Werft. Zusammen mit dem Land Niedersachsen erwirbt er 80 Prozent der Anteile. Für die Verstaatlichung des größten deutschen Schiffbauers dürften allerdings auch militärische Gründe eine Rolle gespielt haben.

Auch wenn noch etliche Fragen offen sind, so viel steht nun fest: Der größte Schiffbauer des Landes, die Meyer Werft, wird vorerst nicht pleitegehen. Dafür allerdings werden die riesigen Kreuzfahrtschiffe der Werft aus dem Emsland in den kommenden Jahren von einem Unternehmen gebaut, das mehrheitlich dem Bund und dem Land Niedersachsen gehört. Das Familienunternehmen, das in siebter Generation zuletzt von Bernard Meyer geführt wurde, wird verstaatlicht.

Der Grund dafür sind hohe Verbindlichkeiten: Auf dem Schiffbauer lasten Kredite von rund 2,7 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027. Ohne den Einstieg eines solventen Investors und ohne die Übernahme von Bürgschaften wäre Mitte September der Antrag auf ein Insolvenzverfahren erfolgt.

Für den Weg hin zu einem Staatsunternehmen hat nun der Haushaltsausschuss des Bundestages gesorgt. Durch die Zustimmung zu den Plänen darf der Bund 40 Prozent der Anteile an der Werft für rund 200 Millionen Euro erwerben. Weitere 200 Millionen Euro wird das Land Niedersachsen für ebenfalls 40 Prozent der Firmenanteile aufbringen. Das hat der zuständige Ausschuss des niedersächsischen Landtags beschlossen. Mit diesen 400 Millionen Euro wird das Eigenkapital des Werftunternehmens aufgestockt. Zudem wollen Bund und Land Bürgschaften von jeweils rund einer Milliarde Euro übernehmen. Damit wiederum werden Kredite für den Bau bereits bestellter Kreuzfahrtschiffe abgesichert.

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Nach der Abstimmung äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu den Staatshilfen für die Meyer Werft. „Zahlreiche Aufträge vor allem zum Bau von Schiffen sind da, es gibt hier eine hohe Nachfrage bei der Werft, das spricht für eine Zukunftsperspektive“, sagte der Minister laut der Nachrichtenagentur dpa. Zudem sei das Unternehmen „von immenser Bedeutung für den deutschen Schiffbau“.

Und schließlich könne die Werft „perspektivisch über den Offshore-Konverter-Plattformbau zur Energiewende beitragen“. Tatsächlich hat die Meyer Werft mit dem belgischen Technikunternehmen Smulders eine Partnerschaft gegründet und baut in der Tochterfirma Neptun Smulders demnächst Plattformen für Offshore-Windparks.

Meyer Werft von militärischer Bedeutung

Allerdings dürfte es ein weiteres Argument des Bundes für die Rettung des Familienunternehmens geben. Gemeint ist der Marineschiffbau: Die Meyer Werft ist mit dem Konkurrenten Naval Vessels Lürssen aus Bremen eine Kooperation für Marineversorgungsschiffe der Klasse 707 eingegangen. An dem eigenen Standort in Rostock-Warnemünde wie auch auf dem benachbarten Marinearsenal verfügt die Werft über Möglichkeiten zum Bau von Marineschiffen.

Die Auslastung ist nicht das Problem der Werft. In dem Auftragsbuch der Meyer Werft stehen derzeit sieben Kreuzfahrtschiffe im Wert von rund zehn Milliarden Euro. Vielmehr liegt der Grund für die Existenzkrise in Verträgen für Neubauten, die noch vor der Corona-Pandemie abgeschlossen wurden. Darin standen nämlich keine Klauseln zur Anpassung an eventuell steigende Energie- oder Rohstoffpreise. In diesem Punkt steht das frühere Management der Werft in der Kritik.

Bei den jüngsten Kaufabschlüssen über zwei Kreuzfahrtschiffe für Disney Cruises soll es bereits Veränderungen gegeben haben. Demnach ist die Bezahlung der Schiffe nun zeitlich mit den einzelnen Bauabschnitten verbunden.

In der Schifffahrt ist es üblich, dass bei der Bestellung eines Neubaus lediglich 20 Prozent des Kaufpreises angezahlt werden. Die restlichen 80 Prozent fließen erst, wenn das Kreuzfahrtschiff bei der Reederei abgeliefert wird. Den Bau muss die Werft mit Krediten zwischenfinanzieren. Das bedeutet aber auch, dass ein Teil der Bankkredite der Meyer Werft in den kommenden Jahren durch die fertiggestellten Schiffe abgezahlt werden kann.

In Europa gibt es mit Fincantieri aus Italien und Chantiers de l‘Atlantique aus Frankreich zwei Konkurrenten für die Meyer Werft im Bau von Kreuzfahrtschiffen. Beide Schiffbauer sind Staatsunternehmen, bei denen der Staat die Bürgschaften für Neubauten übernimmt.

Auf die Tagesarbeit der Werft will der Bund keinen Einfluss ausüben. Basis der Entscheidung ist der Sanierungsplan, den das Beratungsunternehmen Deloitte mit dem als Sanierer zur Werft geholten Manager Ralf Schmitz erarbeitet hat. Dagegen werden Bund und Land im zukünftigen Aufsichtsrat der Meyer Werft vertreten sein. Ein Sitz wird der Familie Meyer eingeräumt, die 20 Prozent der Anteile halten wird.

Ein festgeschriebenes Datum für den Ausstieg aus der Staatsbeteiligung gibt es nicht. Allerdings verfügt die Familie Meyer ab Ende 2028 über ein Rückkaufsrecht für die Anteile des Bundes und des Landes. Sollte der Staat ab dem Zeitpunkt die Beteiligung jedoch an andere Investoren verkaufen wollen, müsste die Familie Meyer ihre verbliebenen Anteile von 20 Prozent ebenfalls anbieten.

Verbunden mit dem Einstieg des Bundes und des Landes ist die Umsetzung des Sanierungsplans für das Werftunternehmen. Rund zehn Prozent der aktuell 3800 Stellen werden dadurch wegfallen. Außerdem soll das Unternehmen die Abhängigkeit von der Kreuzfahrt verringern.

Allerdings rechnet der Bund damit, dass die Werft auch in den Jahren 2025 und 2026 mit Verlust arbeiten wird. Zu dem zukünftigen Staatsunternehmen gehört neben der Werft in Papenburg noch die Neptun Werft in Rostock. Der finnische Werftstandort in Turku wird dagegen im Eigentum der Familie Meyer verbleiben.

Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet über Schifffahrt, Logistik, den Tankstellen- und Kaffeemarkt sowie Mittelstandsunternehmen.

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