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Greifen die USA im Iran ein? “Nicht nur der Nahe Osten ist bedroht, sondern wir alle” | ABC-Z

Der US-Präsident sieht sich und seinen russischen Amtskollegen als Friedensstifter im Krieg zwischen Israel und dem Iran. Aber für Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist klar: Wladimir Putin könne als “Massenmörder” kein Vermittler sein. Vielmehr stellt sich die FDP-Politikerin die Frage, ob Donald Trump Israel zu Hilfe eilen wolle.

ntv.de: Die G-7-Staaten bezeichnen den Iran in einem gemeinsam veröffentlichten Text als “die Hauptquelle regionaler Instabilität und des Terrors”. Zuvor gab es Medienberichte, wonach der US-Präsident keine gemeinsame Erklärung unterzeichnen wollte. Überrascht Sie, dass Donald Trump nun doch eingelenkt hat?

Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Ich war überrascht. Möglicherweise revidiert er es wieder. Allerdings hat Donald Trump stets gesagt, dass er im Iran keine Urananreicherung akzeptiert, die zum Bau einer Atombombe führen kann. Dabei geht es nicht nur um Israel. Auch Trump ist klar, dass Atomwaffen in den Händen der iranischen Mullahs lebensgefährlich sind, nicht nur für den Mittleren und Nahen Osten, sondern weltweit.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt für die FDP im Europäischen Parlament, wo sie den Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) leitet. Zuvor war sie Mitglied des Deutschen Bundestags und dort von 2021 bis 2024 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt für die FDP im Europäischen Parlament, wo sie den Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) leitet. Zuvor war sie Mitglied des Deutschen Bundestags und dort von 2021 bis 2024 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.

(Foto: picture alliance/dpa)

Trump deutet an, der Iran sei angesichts der israelischen Angriffe ernsthaft zu Gesprächen bereit. Wird das in Brüssel auch so wahrgenommen?

Der Iran zeigt Gesprächsbereitschaft angesichts seiner Lage. Israel hat nicht nur ein starkes Militär, sondern mit dem Mossad auch einen wirkungsvollen Geheimdienst. Der Mossad hat das iranische Regime infiltriert. Er weiß, wann sich die Mitglieder der iranischen Regierung und Armee wo aufhalten. Das macht das iranische Regime instabil, sodass es möglicherweise zum Sturz des Systems führen könnte. Die Führung wird gerade registrieren, dass ihr Militär kraftvoll ist, aber technologisch unterlegen. Teheran kann sich deshalb gegen die präzisen Angriffe Israels nur schwer wehren. Israel hat auf das Momentum gewartet, in dem die Hamas, die Hisbollah und die anderen Proxys des Iran geschwächt sind.

War der Iran vor den Attacken nicht ernsthaft an Diplomatie interessiert?

Nicht ernsthaft. Und das hat auch meine Arbeit erschwert, als ich im Verteidigungsausschuss des Bundestags den Vorsitz innehatte. Wir zogen immer wieder Sanktionen gegen die iranischen Revolutionsgarden in Erwägung. Das Auswärtige Amt argumentierte dagegen, wir sollten bedenken, dass Deutschland doch mit dem Iran im Gespräch bleiben wolle, um den Bau von Atomwaffen zu verhindern. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Nun steht der Iran kurz davor, eine Atombombe bauen zu können. Das muss verhindert werden. Nicht nur der Nahe und Mittlere Osten ist dadurch bedroht, sondern wir alle.

Trump sagt, er wolle ein “wirkliches Ende” des iranischen Atomproblems, nicht nur einen Waffenstillstand. Bislang dementieren die USA eine Beteiligung am Krieg – könnte sich das ändern?

Wenn es einen verlässlichen Präsidenten in Washington gäbe, könnte ich mir vorstellen, dass die Vereinigten Staaten das Momentum militärisch nutzen würden, um mit ihren Munitions- und Waffenmöglichkeiten dem Atomprogramm des Iran endgültig den Garaus zu machen. Bei Trump ist das schwierig zu beantworten. Aber fest steht: Er hat ein innenpolitisches Problem. Im Wahlkampf hat er gesagt, jeden Krieg beenden zu wollen – die Invasion in der Ukraine sogar in 24 Stunden. Ein paar Monate später merkt er: Das läuft so nicht. Er wird jetzt daran gemessen, wenngleich auch in der Make-America-Great-Again-Bewegung es inzwischen Trump-Anhänger gibt, die verstehen, welche Bedrohung die iranische Atombombe auch für die USA darstellt.

Trump sieht Russland aber wohl nicht als ernst zu nehmende geostrategische Gefahr für die USA.

Im Kongress gibt es viele Abgeordnete, auch republikanische, die wahrnehmen, dass Schiffe aus Russland und China inzwischen über die Arktis in den Nordatlantik eindringen könnten. Grund ist der Klimawandel und das Abschmelzen der natürlichen Eisbarrieren. Die Vereinigten Staaten haben dadurch ein gewaltiges Sicherheitsproblem. Jetzt befindet sich Trump in einem Zwiespalt. Er will sich unter keinen Umständen militärisch an einem Konflikt beteiligen. Um die USA zu schützen, muss er aber Entscheidungen treffen, sich möglicherweise auch geostrategisch in Konflikte einmischen. Für den US-Präsidenten eine Wahl zwischen Pest und Cholera.

Zumindest an der geostrategischen Zusammenarbeit mit den Europäern zeigt Trump weiterhin kaum Interesse. Für Brüssel gab es von Trump viele schlechte Nachrichten auf dem G7-Gipfel: keine Einigung im Handelsstreit, keine Zustimmung zu weiteren Ölsanktionen gegen Russland und keine Zeit für eine Begegnung mit Selenskyj. Wie kann Europa darauf reagieren?

Trump hat wenig Bezug zu Europa, obwohl sein Großvater deutscher Herkunft ist. Das macht es nicht einfacher. Er respektiert aber Stärke, sofern alle 27 EU-Mitgliedstaaten mit einer Stimme sprechen würden. Wir haben einen gut funktionierenden Binnenmarkt. Den Binnenmarkt für Rüstungsgüter muss erst geschaffen werden. Die Entscheidungsgewalt über das Militärische obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten. Es gibt aber Schritte in die richtige Richtung. So wurde der Verteidigungsausschuss des EU-Parlaments in dieser Legislaturperiode erstmals zu einem Vollausschuss. Dadurch bestimmen wir bei der Gesetzgebung über die gemeinsame Beschaffung und die militärische Mobilität in Europa mit.

Die EU bleibt dennoch auf ihre wirtschaftlichen Kompetenzen festgenagelt, weil die Staaten das Militärische in der NATO regeln. Was kann Brüssel jetzt mit Blick auf den Iran trotzdem tun – auch, um von Trump ernst genommen zu werden?

Ursula von der Leyen sitzt als EU-Kommissionspräsidentin mit am Tisch, wenn die G-7-Staaten sich treffen. Im Anschluss an das Treffen sagte sie, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, und dass der Iran keine Atomwaffen haben dürfe. Aber auch, dass der Frieden im Nahen Osten wieder hergestellt werden müsse. Bei diplomatischen Initiativen, um den Krieg zu befrieden, sollten die Europäer unbedingt mit am Tisch sitzen. Aber machen wir uns nichts vor: Zuvorderst werden die Mullahs auf die Vereinigten Staaten hören. Trump hat den Schlüssel zur Entscheidung in der Hand, um das iranische Atomprogramm endgültig zu stoppen, sofern er grünes Licht gibt, Israel militärisch zu unterstützen.

Nun schlägt Trump ausgerechnet Russlands Präsident Wladimir Putin vor, um zwischen dem Iran und Israel zu vermitteln. Wie finden Sie das?

Putin ist ein Verbrecher, ein Massenmörder und Imperialist. Er ist verantwortlich dafür, dass Kiew und Odessa wieder die ganze vergangene Nacht unter Feuer standen. Putin ist kein Friedensbringer, sondern der Auslöser dafür, dass 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Welt wieder in Flammen steht. Deshalb muss Europa die Ukraine weiter unterstützen. Frieden wird es nur geben, wenn Putin erkennt, wie verheerend der Krieg für ihn ist. Russland hat bis heute circa eine Million schwerst verwunderter oder gefallener Soldaten und kommt auch wirtschaftlich an seine Grenzen. Putin greift bereits auf die russischen Rentenfonds zurück, um diesen Krieg zu finanzieren.

Europa muss also einfach durchhalten, an der Seite der Ukraine?

Wenn wir nicht konsequent an der Seite der Ukraine stehen, wirtschaftlich, humanitär und militärisch, wird Russland einen weiteren Angriff starten. Putin hat schon vor der Annexion der Halbinsel Krim 2014 deutlich zu verstehen gegeben, er wolle die ganze Ukraine erobern. Wir müssen endlich Drohungen solcher Machthaber ernst nehmen. Auch die iranischen Mullahs drohen seit Jahren, Israel vernichten zu wollen. Ich fasse es einfach nicht, dass wir im Westen Androhungen solcher Regime immer wieder relativieren, nach dem Motto, der Hund zeigt uns zwar seine Zähne, er will aber “nur spielen”. Wann verstehen wir, dass keiner spielen will, sondern die Drohungen im wahrsten Sinne des Wortes todernst sind.

Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach Lea Verstl

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