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„Gramps“ auf Instagram: „Ich bin kein Influencer, ich bin, wie ich bin“ | ABC-Z

Herr Abram, Herr Diefenbach, Sie sind als Großvater und Enkel ein erfolgreiches Team. Im Internet veröffentlichen Sie Fotos und Videos, in denen Sie, Herr Abram, in knallbunter Streetwear-Mode posieren. Als „Granfluencer“ werden Sie gefeiert, auf Instagram folgen Ihnen mehr als 2,6 Millionen Nutzer. Angefangen hat das alles mit einem Scherz, oder?

Diefenbach: Ja. Wobei mir meine Frau verboten hat, davon als einer blöden Idee zu sprechen. Es war auf jeden Fall sehr spontan. Ich wollte Fotos machen und dachte: Opa in meinen Klamotten, das könnte lustig aussehen.

Abram: Ganz ohne Hintergedanken.

Diefenbach: Ja, an Weihnachten 2016 habe ich ihn gefragt: Wollen wir das einmal probieren? Und dann hat er meine Klamotten angezogen. Weite Hosen, Sneaker, Hoodies, rosa Jacke.

Abram: Es hat Spaß gemacht. Ich habe mich gut gefühlt. Aber irgendwie war das schon damals sehr normal und nichts Besonderes.

Es kam Ihnen nicht seltsam vor, in die Klamotten Ihres Enkels zu schlüpfen und sich fotografieren zu lassen?

Abram: Nein, das war nicht seltsam. Seltsam wurde es, als er angefangen hat, mit mir auf die Straße zu gehen, um mich dort zu fotografieren. Da war ich ein bisschen unsicher und fragte mich: Guckt jemand?

Waren Sie damals schon an Mode interessiert?

Abram: Überhaupt nicht. Ich war immer normal angezogen. Ganz normal.

Diefenbach: Das stimmt. Aber im typischen beigen Rentner-Outfit bist du trotzdem nicht herumgelaufen. Meistens hast du einfach das getragen, was die Oma für dich gekauft hat. Es gibt aber auch alte Fotos von dir, die sehen sehr lässig aus.

Abram: Ja, die Bilder mit den Jeans. Aber das ist lange her. Das war in den Sechzigerjahren. Da hat es mit den Jeans gerade so richtig angefangen. Aber bei uns in der Heimat war es richtig schwer, an Jeans heranzukommen.

Sie haben damals noch in Jugoslawien gelebt.

Abram: Ja, in Slowenien. Meine Schwester wohnte nah an der Grenze zu Italien. Ausreisen durften wir nicht, aber es gab eine Sonderregelung: Diejenigen, die an der Grenze lebten, durften nach Italien und wieder zurück, um dort einzukaufen. Und da hat sie mir dann Jeans mitgebracht. So bekam ich mit 19 Jahren meine ersten Jeans.

Wie läuft das ab, wenn Sie ein Foto­shooting planen oder einen Videodreh vorbereiten?

Diefenbach: Das fängt immer mit den Klamotten an. Wenn ich etwas Neues sehe oder einen Trend entdecke, dann überlege ich, wie wir ihn aufgreifen und dem einen eigenen Twist geben können. Das ist meistens sehr spontan. Und dann rufe ich den Opa an oder schreibe ihm: Wie sieht es aus? Hast du Zeit? Wir suchen das Outfit aus, entscheiden, ob wir zu Hause aufnehmen oder draußen. Dann geht meist alles sehr schnell.

Was ist dabei das Erfolgsrezept: Je schriller, desto besser?

Diefenbach: Klar, bei Social Media hilft alles, was auffällig ist. Trotzdem achten wir immer darauf, dass es authentisch bleibt.

Abram: Ich muss mich wohlfühlen, das ist wichtig.

Diefenbach: Genau. Und es ist ja auch nicht so, dass du dich verkleidest. Die Kleidung, in der wir dich fotografieren, das ist ja die Kleidung, die du heute auch im Alltag trägst. Deine Schränke sind prall gefüllt, deine Schuhschränke sind voller Sneaker, das hat sich so entwickelt. Das ist dein Lifestyle geworden. Und den dokumentiere ich mit meiner Kamera.

Waren Ihre Instagram-Posts von Anfang an erfolgreich?

Diefenbach: Nein, das hat sich mit der Zeit entwickelt. Als ich die ersten Aufnahmen von Opa gepostet habe, da habe ich den Account noch rein privat genutzt. Das hat zunächst nur mein Freundeskreis gesehen. Oder die Familie. Erst nach dem dritten oder vierten Post begann es, dass das Kreise gezogen hat. Ein großer Instagram-Account teilte einen der Beiträge, und plötzlich hatten wir tausend Follower. Da dachte ich: Boah, verrückt. Und dann ging es immer weiter. Wie so ein kleiner Schneeball, der immer größer wird. Parallel dazu habe ich mein Studium absolviert, in Wirtschaftsrecht.

Wann wurde aus dem Spaß ein Business?

Diefenbach: Als die ersten Anfragen von Unternehmen kamen, ob wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Ich werde nie vergessen, als sich die Deutsche Bahn bei uns meldete. Da wurden wir gefragt, ob wir auf einen Städtetrip nach Amsterdam gehen würden und in so einer Art Reiseblog festhalten, was wir erleben. Das war unser erster gut bezahlter Job, und dann kam er gleich von einem so namhaften Unternehmen. Da hat es sich auf einmal so ernst angefühlt. Ich musste dann erst einmal ein Gewerbe anmelden, damit wir das überhaupt machen konnten.

Bekannte Marken bezahlen Sie dafür, dass Sie deren Mode inszenieren.

Diefenbach: Ja, das läuft klassisch über Produktplatzierungen. Wenn ein neues Produkt herauskommt, dann werden wir angefragt, ob wir dazu etwas machen wollen. Wir haben mittlerweile aber auch große Kampagnen, letztens zum Beispiel mit Mediamarkt-Saturn, jetzt gerade mit Fielmann. Da läuft nun sogar ein Spot mit Opa im Fernsehen. Das ist schon geil.

Kontaktieren Sie die Marken, oder melden sich die Unternehmen bei Ihnen?

Diefenbach: Glücklicherweise ist es in 98 Prozent der Fälle so, dass die Marken uns ansprechen. Oder es melden sich Agenturen, die für die Unternehmen arbeiten. In den allermeisten Fällen sind das auch sehr gute Anfragen. Da merkt man, dass die Unternehmen sich genau überlegt haben, was zu Ihnen passt.

Vermutlich werden Sie auch sehr großzügig und unentgeltlich mit Mode versorgt.

Diefenbach: Natürlich bekommen wir ab und zu auch Sachen zugeschickt oder werden gefragt, ob wir das wollen. Aber ehrlich: Die Firmen schicken einem in der Regel ja die Stücke, die sie nicht besonders gut losbekommen oder die sie dringend bewerben wollen. Wir sagen deshalb auch vieles ab. Wir inszenieren nichts, was uns selbst nicht gefällt.

Herr Abram, wie ist das, wenn Sie in Mainz in der Stadt unterwegs sind, werden Sie dann von den Menschen erkannt?

Abram: Ja, das sind schon sehr viele. Ich wurde gewarnt, dass es anstrengend werden kann, aber ich finde das überhaupt nicht komisch. Die Leute gucken erst, dann schauen viele auch noch einmal auf ihre Smartphones, und dann fragen sie: Sind Sie das wirklich? Und dann machen wir ein Selfie. Noch öfter angesprochen werde ich aber im Ausland.

Abram: In London, Paris, Amsterdam. Am heftigsten war es in Amerika. In Los Angeles waren wir. Und auch in Detroit.

Diefenbach: Dass wir so viele internationale Follower haben, hängt sicher auch damit zusammen, dass Opa in den Videos ja quasi nicht spricht. Meistens passiert es in den Social-Media-starken Modemetropolen, dass wir angesprochen werden. Und ich glaube auch: In Deutschland sind die Menschen oft etwas zurückhaltender.

Ist es irritierend, auf der Straße erkannt zu werden?

Abram: Nein, überhaupt nicht. Ich finde es einfach nur schön.

Hat sich durch Ihre Auseinandersetzung mit der Mode viel verändert? Lesen sie heute zum Beispiel Fashion-Magazine?

Abram: Das mach ich nicht. Und es ist auch noch immer so, dass meine Frau weiter viel mitredet, wenn es um die Klamotten geht. Sie ist oft auch viel mehr mit Jannik in Kontakt. Sie sagt ihm dann zum Beispiel, welche Farben gut wären. Und ich frage sie, was sie von meinen Outfits hält. Auch heute habe ich sie wieder gefragt: Sehe ich gut aus?

Dass ein Großvater und ein Enkel so viel Zeit miteinander verbringen wie Sie, ist eine Ausnahme. Wie verändert das Ihre Beziehung?

Diefenbach: Eigentlich gar nicht. Denn unser Verhältnis war immer eng. Schon als ich den Kindergarten besuchte, haben mich Oma und Opa regelmäßig zu sich geholt. Mindestens einen Tag in der Woche habe ich bei den beiden verbracht. Da gab es leckeres Essen, wir haben Fußball gespielt, Tischtennis, Hausaufgaben gemacht. Jetzt ist es noch intensiver geworden. Wir verreisen, wir arbeiten zusammen, wir erleben extrem viel zusammen.

Abram: Zeit mit Jannik zu verbringen, war uns schon immer wichtig. Deine Mama hat gearbeitet, da haben wir dann eben auf dich aufgepasst. Das war immer eine schöne Zeit.

Was ist das Besondere an Ihrer Zusammenarbeit? Was mögen Sie daran?

Diefenbach: Das ist tatsächlich, dass ich so viel Zeit mit Opa verbringe. Aber eben auch, dass es kein klassischer Nine-to-five-Job ist, sondern kreative Arbeit. Etwas Besonderes sind aber auch die Events, zu denen wir eingeladen werden: Dinge zu erleben, die man sonst nicht erleben würde. In ein paar Tagen etwa fliegen wir nach London, zu einem Parfüm-Event von Dior.

Manchmal ist der Job aber auch sicherlich anstrengend.

Diefenbach: Für mich schon. Und natürlich hat das Arbeiten als Selbständiger auch seine Höhen und Tiefen. Mal läuft es besser, mal läuft es schlechter. Da ist der kopfmäßige Druck. Oder der Deadline-Druck. Und auch mal Stress. Trotzdem wollte ich nicht tauschen. Fälle abarbeiten in der Anwaltskanzlei? Nee, danke.

Diefenbach: Nein. Ich glaube, wir hatten noch nie im Leben Stress miteinander. Wir sind ein Team, das gut funktioniert. Der Opa ist das Gesicht – und ich bin der Mann im Hintergrund. Es ist Arbeit, was wir machen, es ist eine schöne Arbeit, und es bringt Geld. Aber wir sind auch eine Familie. In Familien kommt es oft zum Streit, wenn es ums Geld geht. Bei uns ist das nicht so – und so soll es auch bleiben. Die familiäre Bindung steht an erster Stelle. Lieber geht die Arbeit den Bach runter als unsere Beziehung.

Herr Abram, Sie sind als sogenannter Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Wann war das?

Abram: Das war 1968. Ich war Anfang 20 und wollte eine bessere Arbeit finden, mehr Geld verdienen. Ich musste das alles geheim vorbereiten. Das ging ja nicht, dass man öffentlich sagte: Ich gehe ins Ausland. Aber damals wollte jeder weg, wirklich jeder. In Mainz gab es eine Fa­brik von Jena Glas, da hat ein Freund von mir gearbeitet, der hat mir die Formulare geschickt. Glasmacher wurden damals händeringend gesucht, so wie heute Fußballer. In der Heimat hatte ich einen Anwalt, der Deutsch konnte, der hat alles für mich übersetzt. Und dann habe ich die Formulare wieder nach Mainz geschickt. Und bestimmt ein Jahr gewartet, bis die Arbeitserlaubnis kam. Dann konnte ich ausreisen, ganz legal. Und alles ging plötzlich schnell: Am Freitag bin ich in Deutschland eingereist, am Montag habe ich schon in der Fabrik gearbeitet.

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Hatten Sie auch schon davor als Glasbläser gearbeitet?

Abram: Ja. Ich stamme aus Hrastnik, dort gab es lange schon eine Glasfabrik. Die Stadt liegt am Fluss Sava, in der Gegend gab es viel Kohle, damit konnte man heizen und schmelzen. Auch in Hrastnik haben wir schon überwiegend für Deutschland produziert und etwa Biergläser geblasen. Die habe ich dann auch wieder­entdeckt, als ich hierhergekommen bin. Da dachte ich: Ach, guck mal, das haben wir in der Heimat gemacht.

Waren Sie zu der Zeit schon verheiratet?

Abram: Ja, aber nach Deutschland bin ich zunächst allein gegangen. Nach einem halben Jahr habe ich einen Antrag gestellt, dann konnte meine Frau nachkommen. Sie hat dann auch bei der Firma gearbeitet, bis zur Rente, so wie ich auch. Und wir konnten bald in eine größere Wohnung ziehen. Das war der Moment, als wir auch endlich unsere Tochter, die Mutter von Jannik, nachholen konnten. Seitdem war es dann gut.

Deutschland hat damals viele Gastarbeiter geholt, sich aber nicht besonders um die Integration gekümmert. Ist es Ihnen schwergefallen, sich einzuleben?

Abram: Wir hatten keine Probleme. Wir sind ja auch Katholiken, für uns hat sich gar nicht viel geändert. Und in der Fabrik gab es nicht einmal mit der Sprache ein Problem. Denn unter den Glasmachern hat man sowieso Deutsch gesprochen. Ob man jetzt in Slowenien war, Österreich oder Deutschland: Die Begriffe der Glasmacher waren deutsche Begriffe. Deswegen war es für mich in der Firma ganz einfach. Der Rest der Sprache, was man brauchte, um einzukaufen und so, das kam dann nach und nach.

Was ist das Schöne daran, ein Glasmacher zu sein?

Abram: Das ist ein Künstlerberuf. Es ist nicht einfach, man ist acht Stunden immer in Bewegung, es ist sehr heiß, aber es macht Spaß. Bei uns im Ort gab es ja nur die Glasfabrik. Das heißt: Es war klar, dass man dort arbeitet. Opa war Glasmacher, Papa war Glasmacher und ich dann auch. Heute ist der Beruf so gut wie ausgestorben, alles läuft mit Maschinen. Nur im Bayerischen Wald wird noch ein bisschen Glas geblasen, aber das ist eigentlich nur Show. Früher war im Grunde jedes einzelne Glas ein Unikat.

Reisen Sie oft nach Slowenien?

Abram: Ja, zwei- oder dreimal im Jahr sind wir da. Dann besuchen wir meine Geschwister und die Geschwister meiner Frau. Und wir reisen auch gerne durchs Land, Slowenien ist schön. Aber am Ende bin ich meistens doch froh, wenn es heißt: Jetzt geht es wieder nach Mainz.

Die Stadt ist Ihnen zur Heimat geworden.

Abram: Ja. Und es ist doch auch wirklich schön hier. Ich kenne hier heute jede Ecke. Als wir zum Arbeiten gekommen sind, da dachten wir: Das machen wir jetzt zwei oder drei Jahre, dann sparen wir Geld und fahren wieder zurück. Aber dann kam alles anders.

Ende des Jahres werden Sie 80 Jahre alt. Wäre das nicht ein guter Moment für den Ruhestand?

Abram: Ich fühle mich so jung, ich denke noch überhaupt nicht ans Aufhören. Das Gefühl ist noch immer so positiv. Natürlich gibt es Leute, die meinen, ich wäre dafür zu alt. Aber mir geht es ganz anders. So wie Oma und ich gerade leben, das ist einfach schön. Und wir machen uns ja auch keine Hektik.

Was machen Sie, wenn Sie keine Modevideos drehen?

Abram: Wir verreisen gern. Wir machen auch Fitness, dreimal in der Woche. Wir gehen viel spazieren. Abends gehen wir gerne mit Freunden aus. Oder sie kommen zu uns nach Hause. Aktiv war ich eigentlich schon immer.

Diefenbach: Manchmal habt ihr richtig Freizeitstress.

In den Medien werden Sie oft „Gran­fluencer“ genannt: eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen Grand­parents und Influencer. Können Sie damit etwas anfangen?

Abram: Daran denke ich nie. Ich bin so, wie ich bin, und sonst nichts.

Würden Sie sagen, dass Sie mit Ihrer Arbeit auch eine Botschaft verfolgen?

Diefenbach: Das klingt etwas hochtrabend, ich würde trotzdem sagen: Ja. Für mich war es schön, als ich bemerkt habe: Wir laden zwar nur ein paar Fotos und Videos hoch, aber bei den Leuten kommt trotzdem etwas im Kopf an. Wir wollen zeigen, wie wichtig eine familiäre Verbindung ist, gerade weil das immer seltener wird. Vor allem aber wollen wir zeigen, dass das Altwerden etwas Schönes, etwas Positives ist. Dass man sein Leben auch mit 80 Jahren noch ganz selbstbestimmt leben kann, dass man sich verändern und neu finden kann. In der Werbung oder allgemein in der Kommunikation hat Altwerden oft einen negativen Beigeschmack. Dann sieht man eine Werbung für eine Versicherung. Oder für Apotheken. Doch zum Glück wandelt sich das gerade. Diese Entwicklung wollen wir unterstützen.

Ich habe ein Video gesehen, in dem Sie beide bei einer Party von Mediamarkt-Saturn Technomusik aufgelegt haben. War das wirklich so?

Diefenbach: Ja, da waren wir. Und ganz kurz hat der Opa dort tatsächlich Musik gespielt. Aber die hatten natürlich auch einen wirklich guten DJ engagiert. Das war auch für die Anwesenden das Beste, dass er und nicht wir das Programm gemacht haben.

Abram: Nein, überhaupt nicht. Ich höre am liebsten, was im Radio läuft, ganz normale Musik eben, Schlager. Und am liebsten auf Deutsch, sodass man die Texte versteht.

So wie bei Helene Fischer?

Abram: Helene Fischer kann singen, aber ihre Stücke klingen doch immer sehr gleich. Mir gefallen die alten Sachen besser. Howard Carpendale. Oder Udo Jürgens. Wir hatten früher die Hitparade im Fernsehen, jedes Wochenende haben wir das geguckt. Und jede Woche gab es irgendetwas Neues. Das war wirklich schön.

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