US-Zollpolitik: “Einige Firmen fragen sogar: Sollen wir die Ware zurückholen?” | ABC-Z

Laura Egerer, 28 Jahre, leitet beim Logistik- und
Zolldienstleister EgeTrans Internationale Spedition GmbH die Abteilung Importe
& Zölle in Europa. Neben dem Hauptsitz in Marbach am
Neckar hat das mittelständische Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern
zwei weitere Standorte in Chicago (USA) und Santiago de Querétaro (Mexiko).
ZEIT ONLINE: Frau Egerer, der weltweite Rundumschlag der US-Regierung
mit Zöllen ist beispiellos. Blicken Sie da überhaupt noch durch?
Laura Egerer: Die Zölle sind in der zweiten Amtszeit von Trump
ein extrem wichtiges Thema geworden, dabei waren sie vorher immer ein
Nischenthema. Nun gibt es stetig Änderungen, alle paar Tage kommen neue
Informationen.
ZEIT ONLINE: Wie halten Sie sich da auf dem Laufenden?
Egerer: Wir haben sowohl auf deutscher als auch auf US-amerikanischer
Seite ein Zollteam. Unser Büro in Chicago beschäftigt sich täglich mit den aktuellen
Veröffentlichungen. Das braucht Zeit und ist aufwendig, aber wir wollen unseren
Kunden immer so schnell wie möglich den aktuellen Stand mitteilen können.
ZEIT ONLINE: Wie reagiert das Team, wenn Trump plötzlich per Dekret neue Zollregeln
erlässt? Wenn die Nachricht kommt, 25 Prozent auf Stahl und Aluminium, 25
Prozent auf alles?
Egerer: Dann versuchen wir zuerst herauszufinden, auf welche
Waren die Zölle wirklich zutreffen. Die Headline ist das eine, der Inhalt der
Dekrete das andere. Die Zölle kumulieren sich ja. Das heißt, sie kommen meist obendrauf.
Es werden zum Beispiel neue 25 Prozent Zölle auf bereits bestehende 25 Prozent
Zölle gesetzt. Dabei muss man unterscheiden zwischen einem Basiszollsatz und Strafzöllen.
Und dann überprüfen wir: Haben wir
aktuelle Aufträge, die betroffen sind?
ZEIT ONLINE: Bekommen Sie mehr Kundenanfragen seit dem Amtsantritt von Trump?
Egerer: Oh ja, der Wunsch nach Informationen ist stark gewachsen.
Nicht jedes Unternehmen hat eine Zollabteilung oder eine große
Logistikabteilung, die sich täglich damit beschäftigt. Dafür werden wir engagiert.
Wir informieren mit Newslettern und in Videocalls und klären dort Fragen: Ist
die Firma betroffen oder nicht? Die Kunden rechnen natürlich auch neu: Lohnt es
sich noch, in die USA zu exportieren? Wer trägt die neuen Zusatzkosten, der
amerikanische Importeur oder der europäische Exporteur? Manche überlegen auch,
ob sie vielleicht Container, die schon auf dem Weg in die USA sind, stoppen.
Einige Firmen fragen sogar: Sollen wir die Ware zurückholen? Die Unternehmen
vergleichen natürlich: Wie viel kostet es mich, eine Sendung zurückzubringen,
bevor sie drüben verzollt wird?
ZEIT ONLINE: Sie haben schon Containerschiffe kurz vor Ankunft
in einem US-Hafen zurückbeordert?
Egerer: Die Anfragen kamen tatsächlich. Wir haben es
durchgerechnet und entschieden, dass das Material so dringend benötigt wird,
dass es Sinn macht, die Zölle zu zahlen. Einige Unternehmen haben aber auch gesagt,
wir stoppen jetzt alle Verladungen. Alles, was aktuell bei uns im Lager steht,
bleibt erst mal im Lager, bis wir mehr Zukunftssicherheit haben.
ZEIT ONLINE: Mit wie viel Vorlauf
kommen die Unternehmen auf Sie zu?
Egerer: Meistens geht es um zukünftige Sendungen. Aber wir haben auch Fälle, in
denen wir schnell agieren müssen. Wenn etwa ein Container in zwei Tagen am
US-amerikanischen Hafen ankommen und gelöscht werden soll. Wir müssen dann schnell
entscheiden: Wird die Ware überhaupt noch importiert oder müssen wir ihn aufs
nächstmögliche Schiff zurück nach Europa buchen?
ZEIT ONLINE: Wer zahlt am Ende die Zölle?
Egerer: Es gibt ein Problem: Die Zölle berechnen sich auf
Basis des Warenwerts. Wenn nun also wegen zusätzlicher Zollbelastungen die Verkaufspreise
von Exporteuren erhöht werden, führt das wiederum zu höheren Zollabgaben. Die
Zölle fressen also die Gewinnmarge. Daher überlegen die Firmen: Lohnt sich das
Geschäft noch? Andererseits – wenn vereinbart wird, dass der US-amerikanische
Importeur die Zölle zu tragen hat – werden für die amerikanischen Verbraucher
die Kosten steigen. Am Ende des Tages ist es der Verbraucher, der die erhöhten
Zölle zu tragen hat.
ZEIT ONLINE: Sie informieren nicht nur Ihre Kunden, sondern
wickeln auch deren Zollgeschäfte ab. Wie rechnen Sie ab?
Egerer: Wir haben einen pauschalen Satz. Es gibt Ausnahmefälle,
aber standardmäßig kostet jede Zolldienstleistung gleich, egal ob in den USA oder Deutschland – und Beratung ist da inklusive. Was aber besonders ist: Wir
legen auch Zölle und Steuern für die Unternehmen aus. Wenn wir zuvor 25 Prozent
Zölle ausgelegt haben und jetzt plötzlich 125 Prozent, ist das eine andere
finanzielle Belastung für uns. Wir sprechen da von Waren im Wert von
Hunderttausenden Euro oder Dollar.
ZEIT ONLINE: Können Sie der Zollpolitik Trumps irgendetwas
Positives abgewinnen – außer, dass Ihre Branche davon gerade profitiert?
Egerer: Zölle sind ein politisches Mittel, und wie in der
Politik wünsche ich mir einen Mittelweg und mehr Planungssicherheit. Ich
verstehe den Gedanken, verstärkt auf nationale Produktion setzen und Arbeitsplätze
schaffen zu wollen. Daran ist nichts verwerflich. Die Frage ist aber: Wie setzt
man das Ganze um? Wenn keine Produktionsstätten für gewisse Industriebereiche existieren,
dann muss importiert werden. Dann hat man keine andere Wahl. Ein Land hat nicht
vom einen auf den anderen Tag plötzlich das Fachwissen, die Produktionsstätten
und das Personal. Die USA müssen wieder eine Balance finden zwischen der
Stärkung der heimischen Wirtschaft und einer gut funktionierenden
Außenwirtschaft.