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Gottfried Haufe hat ein Buch über Fischbrötchen geschrieben | ABC-Z

Gottfried Haufe, wie viele Fischbrötchen haben Sie während der Recherche gegessen?

Nicht ganz so viele, wie man vielleicht denken würde, vielleicht zwanzig bis dreißig.

Wie kam es überhaupt zu dem Thema?

Ich bin an der Küste groß geworden, bin also schon früh mit Fisch und dem Fischbrötchen in Berührung gekommen. Wir haben das alle gern gegessen in der Familie. Danach habe ich Geschichte studiert, habe dabei meine Liebe zur Kulturgeschichte entdeckt. Da lag das gar nicht mehr so fern, sich sowas Schönes wie das Fischbrötchen genauer an­zusehen. Dem Verlag hatte ich vor zwei Jahren eigentlich eine Fischbrötchen-Kolumne vorgeschlagen; ich wollte Orte an der Küste besuchen, an denen Fischbrötchen verkauft werden, und die Menschen dahinter porträtieren. Vom Verlag kam dann der Vorschlag für das Buch.

Überzeugen Sie doch mal jemanden, der Fischbrötchen gar nicht kennt, von diesem Gericht – warum sollte man es probieren?

Da gibt es natürlich unterschiedliche Gründe. Aber man muss zunächst prä­zise sein: Sprechen wir vom Bismarck­hering, von Matjes, vom Lachs? Einigen wir uns auf einen Klassiker, meinen Favoriten, den Bismarck: Das Fischbrötchen ist leichter zu essen als zum Beispiel der Döner. Es ist weniger, nicht so schwer wie Fleisch, weil es kalt ist. Eine Mahlzeit, die zum Beispiel auch im Warmen bekömmlich ist. Und es lässt sich gut kombinieren mit einem Getränk, weil es eben diese säuerliche Kom­ponente hat. Wenn dann das Brötchen noch knackig und frisch ist, macht das einfach Spaß.

Wie war die Fischesskultur in Ihrer Familie?

Wir haben regelmäßig Fisch gegessen. Als Kind mochte ich eher Backfisch mit Ketchup. Das Fischbrötchen kam dann erst als regelmäßiges Essen infrage, als ich zwölf war. Als kleinerer Junge habe ich immer die Zwiebeln rausgenommen, weil mir das zu scharf war. Und an Weihnachten gab es ab und zu eine Fischplatte.

Welche Begegnung ist Ihnen aus Ihrer Recherche besonders im Gedächtnis geblieben und warum?

Tatsächlich die Begegnung mit den Menschen, die Fischbrötchen verkaufen. Beispielsweise Werner Wanitschke auf Rügen. Er ist ursprünglich Landschaftsgärtner und hatte nie vor, mit Fisch zu arbeiten; über die Wege des Lebens kam er dann einfach irgendwann dazu. Jetzt verkauft er Fisch aus einem Kutter, der in einem wunderschön gestalteten Garten steht.

Typisch für Norddeutschland: ein FischbrötchenMauritius

Sie sind für das Buch durch Nord­ostdeutschland gereist. Inwiefern ist das Fischbrötchen identitätsstiftend?

Ich denke, der Fisch an sich ist schon identitätsstiftend, als kulinarische Besonderheit für die Region des Meeres aus historischen und kulturellen Gründen. Auf den Fisch wird viel Bezug genommen, in der Symbolik an der Küste, in den Namen, in Wappen. Viele Leute verbinden damit unterschiedliche Dinge, natürlich auch den christlichen Einschlag. Das Fischbrötchen setzt sich auf diesen Bezug drauf, den die Menschen zum Fisch haben. Der gehört hierhin, in den Norden!

Sind Sie denn in der Kindheit selbst angeln oder fischen gegangen?

Tatsächlich kaum. Ich habe keinen An­gelschein, bin aber früher manchmal mitgegangen mit Freunden oder meinem Stiefvater.

Im Interview sagt Jan Gorkow alias „Monchi“ von der Band Feine Sahne Fischfilet: „Fischbrötchen fühlt sich jedes Mal an wie zu Hause.“ Geht es Ihnen da auch so?

Absolut! Ich bin mit 19 von der Küste weggezogen. Ich habe in Schottland, dann in Freiburg im Breisgau, Leipzig und jetzt Potsdam gewohnt, weit weg von der See. Für mich ist Fischbrötchen Heimat! Wenn ich an die Küste komme, ist mein erster Gang nach der Familie in Richtung Strand, und dann gibt’s das erste Fischbrötchen. Eigentlich immer das gleiche in immer der gleichen Bude. Ich fahr extra aus Warnemünde noch ein Stückchen raus, weiter nach Westen, weil genau da mag ich es sehr gern.

Wie findet man für sich die richtige Bude mit guten Fischbrötchen?

Ausprobieren! Es gibt zum Beispiel in Warnemünde auch Buden, die den Fisch in Baguettebrötchen verkaufen, das bietet sich auch für die Form des Fisches an. Dann ist die Hürde fürs Probieren vielleicht niedriger, wenn nicht rechts und links ganze Bissen Fisch aus dem Brötchen heraushängen. Man kann auch bei Einheimischen nachfragen. Gibt es vielleicht Anbieter, die noch selbst vor Ort fischen?

Gottfried Haufe hat „Die Welt des Fischbrötchens“ geschrieben.
Gottfried Haufe hat „Die Welt des Fischbrötchens“ geschrieben.Eric Kemnitz

Wenn wir schon bei der Baguette­innovation sind: Das Fischbrötchen entwickelt sich auch weiter, es gibt vegetarische Varianten oder ganz ­edle mit Hummer und Avocado. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin da eher klassisch-traditionell unterwegs. Das passt wahrscheinlich auch zum Klischee des Norddeutschen. Während meiner Recherche habe ich aber zum Beispiel auf Rügen Pfeffer­hering gegessen, der gar nicht klassisch im Brötchen daherkam, sondern zwischen Schwarzbrotscheiben, mit Apfel. Lecker! Man kann gern experimen­tieren, ich selbst würde es wahrscheinlich kaum essen. Ich nehm den Bismarck, das mag ich; da weiß man, was man hat.

Ein Thema, das Sie in Ihrem Buch ansprechen, ist die Zukunft des Fischbrötchens. Stichwort: Klima­krise, Überfischung. Droht dem Fischbrötchen, wie Sie es kennen und lieben, das Aus?

Das Aus sicherlich nicht. Aber man sollte sich informieren. Für den Dorsch zum Beispiel sieht es schlecht aus, er wird wohl sukzessive aus der Ostsee verschwinden. Den Hering, den typischen Fisch auf dem Fischbrötchen, wird es immer geben. Die Frage ist, was wird mit dem Fischbrötchen insgesamt passieren in Sachen Verfügbarkeit, das hat mit dem Preis zu tun und wo es überall verkauft wird. Also vielleicht wird das Fischbrötchen etwas exklusiver und etwas teurer.

Ob das Fischbrötchen nun preislich oder geographisch exklusiver wird – es hat jetzt schon ein Denkmal nicht nur mit Ihrem Buch bekommen, es gibt auch schon dem Weltfischbrötchentag am 3. Mai. Wie begehen Sie diesen „Feiertag“?

(Lacht.) Ich habe ihn in Freiburg, im tiefsten Süden, mehrfach bei uns in der Küche begangen, bin losgegangen, habe Fisch, Brötchen, Salat und Zwiebel gekauft. Damals habe ich so übertrieben, dass wir uns Fischermützen aufgesetzt haben. An Klischees nicht zu über­bieten!

Im Buch schreiben Sie: „Gib einem Hungernden ein Fischbrötchen, und er wird einen Tag satt, gib ihm eine Angel, und er wird einen Fischbrötchenstand an der Ostsee aufmachen.“ Was sind Ihre Pläne?

2021/22 habe ich durchaus darüber nachgedacht, in Leipzig einen Fischbrötchenstand zu eröffnen. Ich bin bei Kleinanzeigen unterwegs gewesen und hab nach Autos geguckt, in denen man das dann verkaufen könnte. Ich will es nicht ausschließen. Erstens, weil ich es spannend finde, mit Lebensmitteln zu arbeiten. Zweitens, weil man Leuten eine Freude macht, denen man das Brötchen in die Hand drückt. Das kann nur dazu führen, dass man selbst auch gute Laune hat!

Gottfried Haufe „Die Welt des Fischbrötchens“ ist gerade erschienen; Hinstorff Verlag, 192 Seiten, 18 Euro.

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