Google wird nicht zerschlagen – Was bedeutet das neue Monopol-Urteil? – Wirtschaft | ABC-Z

Seit mehr als einem Jahr betreibt Google offiziell ein illegales Monopol. Aber noch immer dominiert der Konzern die Suche nach Informationen im Netz. Wer eine Adresse finden will, fragt Google Maps. Wer einen Flug buchen möchte, schaut auf Google Flights. Jetzt setzt das Unternehmen auch noch künstliche Intelligenz dafür ein. Neuerdings erscheint über den Google-Suchergebnissen eine KI-Zusammenfassung. Googles Dominanz ist so noch größer geworden.
Und sie dürfte in den kommenden Jahren kaum schrumpfen. Denn ein Gericht in Washington hat am Dienstag entschieden, dass Google nicht zerschlagen werden muss. Das Unternehmen muss dem Urteil zufolge nur einen Teil seiner Daten mit Konkurrenten teilen. Damit bleibt Google vom Schlimmsten verschont. So dürften es jedenfalls die Juristen des Konzerns und das Management um Google-Chef Sundar Pichai sehen. „Die Entscheidung erkennt an, wie sehr künstliche Intelligenz die Branche verändert hat“, heißt es in einem Statement von Google. Der Aktienkurs des Konzerns schoss im nachbörslichen Handel um mehr als acht Prozent nach oben.
Für die US-Regierung ist das Urteil nicht der erhoffte Schlag gegen Google. Das US-Justizministerium hatte gefordert, dass der Konzern seinen Browser Chrome oder sein Betriebssystem Android zwangsverkaufen muss. Es wollte Google auch jene Vereinbarungen verbieten, mit denen es seiner Suchmaschine einen VIP-Platz in den Webbrowsern und auf den Smartphones von Millionen Menschen sichert. Google zahlt Apple, Mozilla, Samsung und anderen Firmen Milliarden Dollar, damit sie seine Suchmaschine automatisch ausspielen. Den Nutzern wird Googeln somit quasi aufgedrängt.
Beim Umgang mit Big Tech sind sich Republikaner und Demokraten ausnahmsweise einig
Diese Zahlungen untersagte der Richter Google nur unter bestimmten Bedingungen. Der Konzern darf keine Exklusiv-Deals mehr eingehen, die vorschreiben, dass Google die einzige vorinstallierte Suchmaschine ist. Grundsätzlich darf der Konzern aber weiter Geld für die Positionierung seiner Dienste zahlen.
US-Justizministerin Pam Bondi sprach von einem „Schritt vorwärts“ im Kampf für den Schutz amerikanischer Verbraucher. „Unter der Führung von Präsident Trump werden wir unsere rechtlichen Bemühungen fortsetzen, Unternehmen für monopolistische Praktiken zur Verantwortung zu ziehen“, sagte sie.
Zwischen Republikanern und Demokraten herrscht im Umgang mit Big Tech Einigkeit. Das US-Justizministerium hatte zum Ende von Trumps erster Amtszeit mit mehreren US-Bundesstaaten Klage gegen Google eingereicht. Sie warfen dem Konzern vor, mit seiner Suchmaschine ein illegales Monopol zu betreiben und Rivalen aus dem Markt zu drängen. Unter Trumps Nachfolger trieb die US-Regierung das Verfahren voran. Im August 2024 gab ein Richter den Klägern recht. Seither ist Google offiziell ein Monopolist.
Unklar war allerdings, was daraus für Google folgen würde. Der Richter in Washington ließ sich mehr als ein Jahr Zeit, um darüber zu entscheiden. Im Frühjahr hörte er beide Parteien erneut an. Das US-Justizministerium forderte drei Maßnahmen: Google soll Daten mit seinen Konkurrenten teilen, damit diese konkurrenzfähig sind. Google soll Chrome verkaufen müssen. Und Google soll Apple und anderen Unternehmen kein Geld mehr zahlen, damit die Suchmaschine etwa im Safari-Browser vorinstalliert ist.
Dem folgte der Richter nur zum Teil. Er entschied, dass Google bestimmte Daten über das Ranking von Suchergebnissen, aber keine Werbedaten mit Wettbewerbern teilen muss. Auch die Forderung nach einem Verkauf von Chrome lehnte er ab. Damit sei das US-Justizministerium „übers Ziel hinausgeschossen“, schrieb er.
Er verwies dabei auch auf ein Problem, vor dem alle stehen, die Tech-Konzerne regulieren wollen. Justiz und Politik brauchen Jahre, um die meist komplexe Materie zu durchdringen. Technologie entwickelt sich währenddessen rasant weiter.
Auch die Suche nach Informationen hat sich durch die Fortschritte bei künstlicher Intelligenz schon jetzt verändert. Immer mehr Menschen googeln nicht mehr nur, sondern fragen Chat-GPT. Google verfügt mit Gemini ebenfalls über einen KI-Bot und setzt künstliche Intelligenz bei der Suche ein. „In diesem Markt verändern sich die Dinge innerhalb von Wochen“, sagte der Richter während der Anhörung im Frühjahr. Auch in seinem Urteil schrieb er, dass er nicht in eine „Kristallkugel“ schauen wollte und keine Expertise für künstliche Intelligenz habe. Deshalb habe er mit einer „nötigen Portion Demut“ entschieden.
Lange förderte die US-Regierung die Tech-Monopole. Doch jetzt nimmt sie sich ein Beispiel an der EU
Googles Konkurrenten und Kritiker von Big Tech zeigten sich enttäuscht. Die angeordneten Maßnahmen würden nicht zu Änderungen führen, die „Googles illegales Verhalten angemessen ahnden“, schrieb Gabriel Weinberg, der Chef der Suchmaschine Duck Duck Go. Die Entscheidung lasse „Google und alle anderen Monopolisten wissen, dass selbst die schwerwiegendsten Gesetzesverstöße nur mit einem Klaps auf die Finger geahndet werden“, erklärte Barry Lynn von der Organisation Open Markets Institute, die gegen die Dominanz der Tech-Konzerne kämpft.
Trotzdem ist das Urteil historisch. Zum ersten Mal hat ein amerikanisches Gericht einen modernen Tech-Konzern wegen seiner Monopolstellung verurteilt und greift nun zumindest teilweise in sein Geschäft ein. Der letzte vergleichbare Fall spielte um die Jahrtausendwende und drehte sich um Microsoft und seinen Internet Explorer. Damals einigte sich Microsoft mit der US-Regierung auf einen Vergleich. Gegen Google gibt es inzwischen noch ein zweites Monopol-Urteil. Ein Gericht in Virginia entschied im April, dass Google auch den Markt für Online-Werbetechnologie auf unerlaubte Weise beherrsche.
Gegner von Big Tech sahen darin einen Beleg für einen Richtungswechsel. Die US-Regierung förderte die Tech-Konzerne lange Zeit, Monopole galten als wünschenswert. Das änderte sich in den vergangenen Jahren. In den USA entstand eine einflussreiche neue Anti-Kartell-Bewegung. Im US-Justizministerium und in der obersten Wettbewerbsbehörde gelangten ausgewiesene Kritiker von Big Tech zu Macht. Sie sahen in der EU-Kommission ein Vorbild, die Geldstrafen gegen Apple, Amazon und Google verhängte. Ähnliches wollten sie auch in den USA.
Gerade werden in den USA noch mehrere Klagen gegen Tech-Konzerne verhandelt. Der Facebook-Mutterkonzern Meta muss sich wegen des Vorwurfs verantworten, kleineren Wettbewerbern bewusst geschadet zu haben. Auch Apple und Amazon wurden verklagt. Das milde Urteil gegen Google kann sie nun hoffen lassen.