Google entgeht Zerschlagung | FAZ | ABC-Z

Google wird wohl nicht zerschlagen. In einem möglicherweise wegweisenden Kartellstreit mit der amerikanischen Regierung kam der Internetkonzern vorerst weitaus glimpflicher davon, als er dies befürchten musste. Der zuständige Richter Amit Mehta will Google nicht zu einer Trennung vom Internetbrowser Chrome oder dem Handy-Betriebssystem Android zwingen. Weiter schrieb er in seiner 230 Seiten langen Entscheidung, er wolle keine Vereinbarungen verbieten, die Googles Suchmaschine einen prominenten Platz bei Diensten anderer Unternehmen geben, sofern sie nicht exklusiv sind. Diese Abkommen waren ein zentraler Streitpunkt in dem Verfahren. Mehta ordnete allerdings an, dass Google künftig bestimmte Daten seiner Suchmaschine mit Wettbewerbern teilen muss. Auch diese Sanktion ist weniger weitreichend als dies zeitweise im Raum stand.
Die Finanzmärkte werteten die Entscheidung als klaren Sieg für Google. Der Aktienkurs des Mutterkonzerns Alphabet stieg im nachbörslichen Handel um mehr als 7 Prozent. Auch die Apple-Aktie gewann 3 Prozent an Wert. Für den Elektronikkonzern sind die Vereinbarungen, die Googles Suchmaschine zur Standardeinstellung auf seinen iPhones gemacht haben, besonders wichtig. Er soll dafür von Google mehr als 20 Milliarden Dollar im Jahr bekommen haben und kann nun hoffen, dass dieser Geldstrom bestehen bleibt.
„Google ist ein Monopolist“
Der Rechtsstreit zwischen Google und der US-Regierung gilt als Kartellfall für die Geschichtsbücher. Viele Beobachter halten ihn für das wichtigste Wettbewerbsverfahren gegen ein großes Technologieunternehmen, seit der Softwarekonzern Microsoft 1998 wegen seiner Geschäftspraktiken vor Gericht stand. Die Klage, die den Kartellstreit um Google ins Rollen brachte, wurde schon 2020 eingereicht, also noch in der ersten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident. Sie dreht sich um die namensgebende Suchmaschine und damit das Herzstück des Konzerns. Google macht mit Anzeigen, die zu den Ergebnissen von Suchanfragen gestellt werden, bis heute einen erheblichen Teil seines Umsatzes.
Im Herbst 2023 fand ein neunwöchiger Prozess statt, und im August 2024 verkündete Richter Mehta ein Urteil, das als klare Niederlage für Google gewertet wurde. Er entschied, der Konzern habe mit seiner Suchmaschine gegen Kartellgesetze verstoßen. „Google ist ein Monopolist – und hat sich auch wie einer verhalten, um sein Monopol aufrechtzuerhalten,“ schrieb er damals in seiner Urteilsverkündung. Dabei nannte er auch die Abkommen, wie sie Google mit Apple geschlossen hat, wettbewerbswidrig.
Diese erste Entscheidung drehte sich nur um die grundsätzliche Frage, ob Google gegen das Kartellrecht verstoßen hat. Die Frage nach Auflagen und Bestrafungen wurde erst in einer zweiten Phase behandelt und war im Frühjahr Gegenstand weiterer Anhörungen vor Gericht. Die US-Regierung forderte dabei scharfe Sanktionen, darunter eine Trennung Googles von Chrome und möglicherweise auch von Android. Für Chrome, den global marktführenden Browser, fanden sich in der Zwischenzeit schon Interessenten. Das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen Perplexity gab vor wenigen Wochen ein Übernahmeangebot in Höhe von 34,5 Milliarden Dollar ab.
Google hat die Forderungen der Regierung als „radikal interventionistisch“ zurückgewiesen. Der Konzern schlug stattdessen kleinere Anpassungen in seinem Geschäft vor, zum Beispiel mit Blick auf die Abkommen mit Apple und anderen Unternehmen. Er kündigte außerdem an, in die Berufung zu gehen und damit das zugrundeliegende Urteil von Mehta aus dem vergangenen Jahr anzufechten.
Google hat den ganzen Kartellfall als „rückwärtsgewandt“ beschrieben und dabei auf Konkurrenz von KI-Angeboten für seine Suchmaschine hingewiesen, etwa das von Open AI entwickelte Programm ChatGPT. Das Justizministerium hat genau andersherum argumentiert und gesagt, gerade wegen der wachsenden Bedeutung von KI müssten strenge Auflagen gegen Google verhängt werden. Es bestehe die Gefahr, dass das Unternehmen die gleichen Methoden wie mit seiner Suchmaschine einsetze, um auch das KI-Geschäft zu dominieren. Daher müssten die Auflagen „vorausschauend“ sein.
Richter will „Marktkräfte wirken lassen“
Richter Mehta schrieb jetzt, Auflagen in Kartellverfahren sollten mit einer „gesunden Dosis Bescheidenheit“ verhängt werden, und das habe er in diesem Fall getan. „Es gibt gute Gründe, das System nicht zu erschüttern und die Marktkräfte wirken zu lassen.“
„Es gibt gute Gründe, das System nicht zu erschüttern und die Marktkräfte wirken zu lassen. Die Regierung sei mit ihrer Forderung nach einer Zerschlagung „zu weit gegangen“. Er sagte, Google sei noch immer die dominierende Suchmaschine, aber der Aufstieg von KI-Diensten wie ChatGPT, Perplexity oder Claude habe die Ausgangslage verändert, und diese Angebote könnten „Game Changer“ werden. Schon heute würden von Millionen von Menschen anstelle traditioneller Suchmaschinen zur Beschaffung von Informationen genutzt.
Google und das Justizministerium äußerten sich nicht unmittelbar zu Mehtas Kartellurteil, aber der Fall wird womöglich durch weitere Instanzen gehen, insofern ist womöglich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Aber zunächst einmal ist die Entscheidung ein Erfolg für Google und womöglich auch ein positives Signal für andere Technologiekonzerne, die sich in Kartellauseinandersetzungen mit der US-Regierung befinden. Auch gegen Meta, Amazon und Apple sind in den vergangenen Jahren Kartellklagen eingereicht worden. Im Meta-Fall fand im Frühjahr ein Gerichtsprozess statt, auch hier steht eine Zerschlagung zur Debatte. Die US-Regierung fordert, dass sich der Konzern wieder von den einst zugekauften Diensten Instagram und Whatsapp trennen soll. Die Verfahren gegen Amazon und Apple sind noch in einem früheren Stadium.
Google liefert sich noch einen zweiten Kartellstreit mit der US-Regierung, dabei geht es um Technologien für die Onlinewerbung. Der Konzern hat hier in einem Prozess im April eine Teilniederlage erlitten. Eine Richterin urteilte, er habe in mehreren Marktsegmenten ein unrechtmäßig erworbenes und erhaltenes Monopol. Über etwaige Auflagen muss hier noch entschieden werden.