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Gold- und Bernsteinfunde in Bernstorf: Neue Forschungsergebnisse – Freising | ABC-Z

Heutzutage ist es alltägliches Geschäft, dass Waren rund um die Welt geflogen oder verschifft werden. Ganz so groß war das Handelsnetz in der Bronzezeit nicht. Aber schon damals wurden kostbare und begehrte Materialien über weite Entfernungen ausgetauscht, trotz beschwerlicher Reisen. Bernstein gelangte aus dem Baltikum in den Mittelmeerraum und feine Goldbleche kamen von dort in den Norden – zum Beispiel nach Bernstorf im Landkreis Freising.

Die Befestigung aus dem 14. Jahrhundert vor Christus – die größte bekannte Anlage der mittleren Bronzezeit nördlich der Alpen – gibt noch immer viele Rätsel auf. Studierende der Goethe-Universität Frankfurt nahmen dort von 2010 bis 2014 Grabungen vor. Doch große Teile des exponierten Geländes, hoch über dem Ampertal in der Gemeinde Kranzberg gelegen, sind durch Kiesabbau unwiderruflich zerstört.

Für die Forschung bedeutet das eine Puzzle-Arbeit mit vielen fehlenden Teilen. Ein wichtiger Baustein ist nun dazu gekommen. Nach der Veröffentlichung der Dissertation von Vanessa Bähr im vergangenen Jahr zu den Ausgrabungen in Bernstorf ist vor Kurzem die Doktorarbeit von Lukas Wiggering in der Reihe „Frankfurter Archäologische Schriften“ erschienen. Er analysiert darin den Austausch wertvoller Artefakte über zum Teil weite Entfernungen und wie die fremden Objekte in ihrem neuen Umfeld eingesetzt und teils neu interpretiert wurden. Ein Fokus liegt dabei auf den Gold- und Bernsteinfunden innerhalb des 1,6 Kilometer langen Holz-Erde-Walls in Bernstorf. Mykene ist bei den Fernhandelsbeziehungen ein Dreh- und Angelpunkt.

Es ist eine schöne Tradition, dass Rüdiger Krause, Professor für Prähistorische Archäologie an der Goethe-Universität Frankfurt, und Rupert Gebhard, Leiter der Archäologischen Staatssammlung in München, neue Forschungsergebnisse im Pantaleonsgebäude in Kranzberg vorstellen, in dem sich das Bronzezeit-Museum befindet. Bernstorf ist nicht weit entfernt. Krause bezeichnete die Dissertation als weiteres Standardwerk der Bernstorf-Forschung. Der Autor, der mittlerweile im Team Weiterbildung an der Leuphana-Universität Lüneburg tätig ist, konnte an der Präsentation wegen einer Terminüberschneidung nicht teilnehmen.

Trotz der teils gegensätzlichen Positionen in der Forschung gelinge es dem Verfasser, „eine fundierte und gut argumentierte Einordnung vorzunehmen, die die Bedeutung dieser Funde für das Verständnis von Langstreckenkontakten in der Bronzezeit unterstreicht“, so Krause in seiner Würdigung der Arbeit. Das Forschungsteam um den Frankfurter Professor sah sich von Anfang an mit Vorwürfen konfrontiert, dass es sich bei den Bernstorfer Gold- und Bernsteinfunden um moderne Fälschungen handele. Die Dissertation liefert für Krause nun ein weiteres Glied in der Argumentationskette um die Authentizität der Goldbleche und Bernsteine. „Funde dürfen nicht nur aus einer Perspektive betrachtet werden“, betonte er.

Entdeckt worden waren die ersten aufsehenerregenden Goldbleche und mehrere der Bernsteine bereits 1998 von den Hobbyforschern Manfred Moosauer und Traudl Bachmaier in Wurzelstöcken, als ein weiterer Teil des Areals für den Kiesabbau freigegeben werden sollte. Zwischen August 1998 und April 1999 wurden 21 dünne Goldbleche gefunden, bis 2005 zudem 56 Bernsteinfragmente – die größte Zahl in einer Siedlung der mittleren Bronzezeit.

Wiggering lässt die Vorwürfe der Kritiker nicht unerwähnt, die anführen, dass es sich aufgrund der großen Reinheit des Materials um modernes Industriegold handeln müsse. Krause und Gebhard verweisen jedoch seit Jahren darauf, dass in Ägypten und im Vorderen Orient das Verfahren der Zementation zur Reinigung von Gold damals schon bekannt gewesen sei.

21 Goldbleche wurden in Bernstorf entdeckt, darunter ein Diadem, das deutliche Einflüsse aus dem Mittelmeerraum zeigt. 
21 Goldbleche wurden in Bernstorf entdeckt, darunter ein Diadem, das deutliche Einflüsse aus dem Mittelmeerraum zeigt.  (Foto: Marco Einfeldt)
Besondere Bernsteinfunde: Einer zeigt ein Gesicht, ein anderer geritzte Schriftzeichen.
Besondere Bernsteinfunde: Einer zeigt ein Gesicht, ein anderer geritzte Schriftzeichen. (Foto: Marco Einfeldt)
Die Grabungen der Universität Frankfurt auf dem Bernstorfer Hügel begannen 2010. 
Die Grabungen der Universität Frankfurt auf dem Bernstorfer Hügel begannen 2010.  (Foto: Marco Einfeldt)

Wiggering zeigt auf, dass das Ensemble der Goldfunde und der gravierten Bernsteine für die süddeutsche Bronzezeit außergewöhnlich ist. Klare Parallelen fehlen nördlich der Alpen. Sie finden sich aber in den Hochkulturen des Mittelmeerraums – mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Die kulturelle Einbindung solcher Objekte und Rückschlüsse auf mögliche überregionale Beziehungen seien bisher in der Forschung nur angerissen worden, so Wiggering.

Wie in Bernstorf wurden die exotischen Materialien teils erst vor Ort bearbeitet. So lassen sich, wie der Autor schreibt, durch verschiedene Details Verbindungen zu lokalen Traditionen Süddeutschlands erkennen. Bei den Ziermotiven auf den Goldblechen finde man Parallelen zu Mustern auf Keramikgefäßen und Metallobjekten. Starke Bezüge zu den Hochkulturen des Mittelmeerraums zeigen vor allem das gefundene Golddiadem sowie verzierte Bernsteine. Aussagen zur Funktion und Bedeutung der Objekte sind aufgrund der Fundsituation in den Wurzelstöcken allerdings schwierig. Möglicherweise waren die Goldbleche Teil des Ornats eines Standbilds.

Der Umfang der Kontakte müsse aber unklar bleiben, so Wiggering weiter. Goldbleche und verzierte Bernsteine folgten zwar offenkundig mykenischen Vorbildern, die bayerischen Stücke wirken für ihn aber „wie lose Interpretationen beziehungsweise Imitationen“ mediterraner Formen und Konzepte. Auch in der Qualität unterscheiden sie sich. Der Hersteller der Bernstorfer Objekte sei beim Verarbeiten der dünnen Goldbleche und im Gravieren von Bernstein sowie im Schneiden von Siegeln nicht oder nur sehr wenig geübt. Die Form des Diadems spiegele „mehr eine lose, oberflächliche Kenntnis als ein wirkliches Verstehen sowohl der Fertigung als auch der Verwendung und Bedeutung wider“. Insgesamt müssten die Bernstorfer Funde als eine „lose Nachahmung externer Elemente vor einem lokalen süddeutschen sozio-kulturellen Hintergrund verstanden werden“.

Die Niederlegung der gefalteten Bleche in der Bernstorfer Höhenbefestigung spricht für einen hohen Wert innerhalb der lokalen Kultur, sie verliehen dem Träger wohl viel Prestige. Sie waren jedoch singuläre Erscheinungen, für die süddeutsche bronzezeitliche Kultur waren sie ohne Folgen. Die Bernstorfer Goldbleche und Bernsteine blieben exotische Einzelstücke.

Nicht klar ist auch, ob direkte Kontakte nach Mykene und in den Vorderen Orient bestanden oder ob ein Austausch über verschiedene Zwischenstationen erfolgte. Aufgrund seiner Größe und Lage könnte Bernstorf ein Knotenpunkt gewesen sein, folgert Wiggering. Krause schließt aber nicht aus, dass Gesandte aus Mykene in Bernstorf waren. Das 14. Jahrhundert vor Christus sei „sehr umtriebig“ gewesen mit einem pulsierenden Handel. Weitere Forschungen in der Höhensiedlung nennt er wünschenswert, doch die Förderung ist ausgelaufen.

Lukas Wiggering, „Fremde“ Objekte in der Bronzezeit: Funktions- und Bedeutungswandel von Artefakten, Band 50 der Frankfurter Archäologischen Schriften, Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH, 421 Seiten, 99 Euro.

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