Goethes liebstes Urlaubsziel im tschechischen Erzgebirge | ABC-Z

In den Hochlagen des tschechischen Erzgebirges ist die Natur heute wieder weitgehend sich selbst überlassen. Stille Wälder und Hochmoorlandschaften laden zu Wanderungen ein, die an ehemaligen Zinnerz- und Silberschächten, an Bergbaukanälen, Pingen und Stauseen vorbeiführen. Die Überreste einer langen Bergbautradition wecken die Neugier, mehr über die Gegend zu erfahren. Vulkanische Aktivitäten sorgten vor Millionen Jahres für reiche Mineralienschätze in der Region, die bereits im Mittelalter zu einem Zentrum der Erzförderung und Verarbeitung erblühte, erfährt man im Museum von Jachymov. Heute sieht man es dem beschaulichen kleinen Ort kaum noch an, welch enorme wirtschaftliche Bedeutung er von der ersten Prägung der Joachimstaler Silbertaler bis zur Entdeckung des Radiums durch Marie Curie spielte. Jetzt ist die Stadt durch ihre Radonkuren bekannt.
Seine geologischen Besonderheiten ließen das Erzgebirge samt Vorland auch für Goethe zu einer bevorzugten Destination werden. „Mindestens 13 Besuche des deutschen Dichters und Universalgelehrten sind belegt“, berichtet Museumsdirektor Jaromir Bartos in dem zu einem Museum konvertierten Urlaubsappartement des Geheimrats in Marienbad.
Goethe gelang es während eines Aufenthaltes erstmals den vulkanischen Ursprung des Kammerbühl-Felsens nahe Franzensbad nachzuweisen. Mit seinen Mineralquellen heißen Wassers aus 2000 Metern Tiefe, seinen Quellgasen und einer langen Bergbaugeschichte faszinierte das Westböhmische Bäderdreieck den Universalgelehrten. „Insgesamt verbrachte er über 1000 Tage in der Region“, ergänzt Gästeführer Štěpán Karel Odstrčil bei einem Rundgang durch Marienbad. Aber es war nicht allein die Mineralogie, die Goethe nach Westböhmen führte. „In den Bädern traf sich alljährlich die High Society – von Kaiser Franz Josef, Eduard VII. und Peter dem Großen bis zu Wagner, Chopin und Carl Maria von Weber genossen viele berühmte Persönlichkeiten die gesundheitsfördernden Heilkräfte aus dem vulkanischen Untergrund. Goethe kurierte hier wohl auch seine Magenbeschwerden und versuchte später seinen Herzmuskel zu stärken.“ Dabei probierte der Dichter mehrere Heilmethoden aus, die noch heute Kurgäste aus aller Welt nach Marienbad, Franzensbad und Karlsbad ziehen.
Aber auch Touristen ist es vergönnt, zu akzeptablen Preisen die unterschiedlichen Anwendungen zu testen, sei es ein Kohlendioxidbad im Centralni-Hotel in Marienbad mit anschließendem Relaxen in den Römischen Bädern, eine Heilwasser-Trinkkur mit bis zu 70 Mineralien in Karlsbad samt Hydrojet-Massage im Astoria-Hotel oder ein Bad in radonhaltigem Wasser in Jachymov. „Etwa 30 Prozent unserer Gäste sind bereits Touristen“, sagt Astoria-Manager Petr Sesták, der eine Fortsetzung dieses Trends erwartet.
Kulturelle Schätze entdecken
Auch neben den großen Bädern hat die Region abwechslungsreiche Erlebnisse zu bieten. Im nahe gelegenen Cheb taucht man im städtischen Museum in die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ein, erfährt Interessantes über den großen Heerführer Wallenstein und kann die Lanze besichtigen, mit der selbiger von seinen Widersachern ermordet wurde. Einen Steinwurf entfernt ragen die Reste der Kaiserpfalz gen Himmel, die nach dem Aufenthalt von Kaiser Barbarossa ab 1179 entstand und von Goethe 1821 besucht wurde. Noch interessanter wird es im nahe gelegenen Loket, das aufgrund seiner idyllischen Lage in einer Flussschleife früher Elbogen genannt wurde. Auch hier thront eine mittelalterliche Burg auf einem Granithügel über der Stadt. Dem Engagement des hiesigen Bauunternehmens von Vaclav Lojin ist es zu verdanken, dass diese Burganlage in den letzten Jahren wieder zu großen Teilen in altem Glanz erstrahlen konnte. Auch der schon von Goethe bewunderte große Meteorit ist wieder zu sehen. Im Porzellanmuseum der Burg warten ästhetische Schätze und gleich neben der Burg die wohl größte Sammlung von Schnabel-Trinkbechern aus der Kurgeschichte der Region.
Nur wenige Schritte weiter stößt man erneut auf einen Ort, der eine Schlüsselrolle in Goethes Reisen durch Westböhmen spielen sollte. Auf der Terrasse des Hotels „Zum weißen Ross“ hoch über der Eger feierte er am 28. August 1823 seinen 74. Geburtstag. Ein Gemälde zeigt ihn hier in Begleitung von Amalie von Levetzow und ihrer Töchter. Goethe hatte sie zu diesem Ausflug eingeladen, nachdem er der 19jährigen Ulrike Levetzow, einen Heiratsantrag gemacht hatte. Gerüchte und Spekulationen über diesen Antrag und das „Liebespaar“ verbreiteten sich wie ein Feuer in der Karlsbader und Marienbader Gesellschaft. Ulrike sollte als letzte große Liebe Goethes in die Geschichte eingehen und Goethe zum Gedicht „Marienbader Elegie“ inspirieren, das der Dichter selbst als „das Produkt eines höchst leidenschaftlichen Zustandes“ charakterisierte. Doch Goethes Antrag blieb erfolglos und so reiste der Geheimrat wenige Tage später zurück nach Weimar und sollte nie wieder im Bäderdreieck gesehen werden. Gerüchten zufolge soll Ulrikes Mutter die Ehe verhindert haben. Ob Ulrike selbst diese Liebe erwiderte, blieb lange Zeit unbeantwortet. Erst in hohem Alter offenbarte sich die Angebetete in einem Gespräch mit dem französischen Schriftsteller Dr. Didier, der ihre Aussage im Stuttgarter Neuen Tageblatt zitierte: „Die Behauptung, ich hätte mich in diesen lieben alten Mann verliebt, ist lächerlich, eine Erfindung sensationssüchtiger Litteraten … Hier (in Marienbad) intervenirte persönlich der Großherzog von Weimar und hielt um meine Hand an. Daß aus der Sache nichts wurde, hinderte nicht, Freundschaft zu halten.“