Politik

Glosse – Das Streiflicht – Politik | ABC-Z

(SZ) Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist eine sehr berechtigte, aber leider auch sehr schwierige Frage. An ihrer Beantwortung sind bislang selbst die klügsten Köpfe verlässlich gescheitert, weshalb es nun vielleicht mal jene versuchen sollten, die nicht mit heißem Bemühen, ach!, Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert haben. Das Geniale an diesem kontraintuitiven Ansatz wäre zudem, dass er passgenau dem aktuellen Zustand der Welt entspräche. Denn die Handy-Totale der Gegenwart zeigt, dass derzeit überall zusammenwächst, was nun wirklich nicht zusammengehört. Besonders deutlich wird das beim Blick auf Washington. Dort regiert jetzt bekanntlich wieder ein Ex-Immobilienmogul und Ex-Reality-TV-Star, mit einem unkonventionellen Verhältnis zur Wahrheit und einem Ego, das vom Gottesgnadentum bis zum Mars reicht, wohin er bedauerlicherweise nicht selbst reisen will. Kurz: Nichts an Donald Trump passt zum Amt des US-Präsidenten, und trotzdem unterzeichnet er jetzt in 72-Punkt-Schreibschrift die Begnadigung rechtsradikaler Kapitolstürmer.

Die deutsche Politik, sonst gerne ein bisschen langsam bei der Adaption globaler Megatrends, ist ebenfalls auf den Zug aufgesprungen. „Geht nicht, gibt’s nicht“  gibt’s jetzt auch hierzulande, wenn auch, this is not America, maßstabsgetreu verkleinert. Vorreiter ist – er würde sagen: wer sonst? – CSU-Chef Markus Söder. Er ist nicht Willy Brandt, fällt aber in Warschau trotzdem auf die Knie; er kann nicht wirklich singen, geht aber trotzdem ins Tonstudio („Glockenklannnnng, in der Ferrrne / über uns, leuchten Sterrrrne …“). Klar, dass die Schwesterpartei da nicht tatenlos zusehen kann. Der CDU-Kreisverband Hochsauerland hat deshalb jüngst zum sauerländischen Weißwurstfrühstück eingeladen. Das Ergebnis waren Pils und Weißwurst, Schützenhalle und Bayerischer Defiliermarsch, Merz und Söder: Es passte nichts zusammen, ein großer Erfolg!

Der amtierende Kanzler wiederum hatte schon zehn Tage zuvor aufgetrumpft. Bei der IHK-Köln hielt Olaf Scholz seine erste Büttenrede, und einen schöneren Antagonismus kann sich nun wirklich niemand ausdenken. Inhaltlich ging es um sein Hamburger Naturell: „Manche sagen, wir sind dröge. Doch das ist ’ne glatte Löge / Wir denken vor dem Sprechen nach / wenn’s sein muss, auch ’nen ganzen Tach.“ Friedrich Merz dagegen steht kurz vor einem strategischen Fehler. Am 7. Februar will der Unionskanzlerkandidat in Stromberg im Hunsrück auftreten, was der neuen Mismatch-Logik der Politik schon deshalb zuwiderläuft, weil viele ja Merz für Stromberg halten. Andererseits bringt auch diese Form des politischen Kabaretts uns elegant zurück zur Ausgangsfrage. Denn vielleicht hält das komische Element, das ihr innewohnt, die Welt zwar nicht im Innersten zusammen. Es macht sie aber durchaus erträglicher.

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