Glanz statt Gans: EM-Emotionen auf dem Reißbrett | ABC-Z
Oft liegen die besten Geschichten in großen Niederlagen. Das weiß man wohl spätestens seit jener Dokumentation, die vom Scheitern der Nationalmannschaft bei der Winter-Weltmeisterschaft in Katar erzählte, mit der der Deutsche Fußball-Bund (DFB) jedoch erklärtermaßen ziemlich unzufrieden war. Nicht nur, weil eben keine glanzvolle Erfolgsgeschichte erzählt werden konnte, sondern weil der bemerkenswerte Film, produziert von der UFA für Prime Video, einigermaßen schonungslos aufdröselte, dass es dem Trainer-Team um Hansi Flick damals nicht gelang, eine echte Mannschaft auf den Platz zu stellen. Flicks Video vom “Flug der Graugänse” steht bis heute symbolisch für all das, was damals schief gelaufen ist.
In der neuerlichen Dokumentation über die Nationalmannschaft kommen nun erwartungsgemäß keine Graugänse vor. Stattdessen ist zu sehen, wie die Spieler während ihres Aufenthalts in Herzogenaurach einen entflogenen Kanarienvogel mit Vokuhila-Frisur zum Maskottchen der Heim-EM erkoren. Alles süß, alles harmonisch, so die Botschaft des Films, bei dem der DFB nach den Erfahrungen vom letzten Mal sämtliche Strippen bis zum Schluss lieber selbst in der Hand behalten wollte.
Und das merkt man.
Zwar erzählt auch “Unser Team – Die Heim-EM 2024”, so der uninspirierte Titel, keine absolute Erfolgsgeschichte, weil für die Nationalmannschaft bekanntermaßen im Viertelfinale Schluss war. Weil es jedoch trotzdem gelang, eine Euphorie im Land auszulösen und das Aus durch einen nicht gegebenen Handelfmeter noch dazu ziemlich unglücklich verlief, war die Ausgangslage freilich eine ganz andere als noch eineinhalb Jahre zuvor bei der Wüsten-WM.
Doch unabhängig vom Turnierverlauf ist zu spüren, wie viel dem DFB daran gelegen war, eine herzerwärmende Geschichte des Zusammenhalts zu erzählen. Und so mischen sich zum oft erstaunlich unspektakulären Blick durchs Schlüsselloch in die Kabine immer wieder Szenen, in deren Mittelpunkt das Gemeinschaftsgefühl im Land gestellt werden soll. Ob hoch oben im Leuchtturm, beim Klinikpersonal auf der Intensivstation oder nach dem klassischen Konzert in der Elbphilharmonie: Sie alle, so die Botschaft, sind durch den Fußball und die Nationalmannschaft miteinander verbunden.
Das wirkt, als seien die Emotionen auf dem Reißbrett geplant worden, und kommt mit der Zeit dann doch arg bemüht und stellenweise leider ziemlich weichgespült daher. Erst recht, weil es der Film, diesmal produziert von der Marketing-Agentur OMR Frames, viel zu selten schafft, die Fans zu überraschen. Sicher, man sieht die amüsante Ansprache des Chefkochs vor dem Anpfiff des entscheidenden Spanien-Spiels, Tennis spielende Profikicker in den Büroräumen des Trainingscamps und den Vokuhila-Vogel.
Doch leider will der Funke bei all den von Tiefenschärfe auf Hochglanz getrimmten Szenen bis zum Schluss nicht so recht überspringen. Wahrscheinlich braucht es aber ohnehin keine Dokumentation, um diese Europameisterschaft in guter Erinnerung zu behalten.
“Unser Team – Die Heim-EM 2024”, am Samstag um 20:15 Uhr bei RTL und auf Abruf bei RTL+