Giorgio Armani: Warum war dieser Designer so siegreich? | ABC-Z

Das war mein Vater, und zwar Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre. Es gab damals einen sehr umtriebigen Vertreter, der früh ein gutes Näschen für italienische Designer und Marken hatte, zu dem hatten wir ein gutes Verhältnis. Ich war damals noch ein Kind, zehn, elf, zwölf Jahre alt. Der Vertreter kam mit einer Stoffkollektion, und dann fuhr man das erste Mal nach Mailand, um dort die Kollektion zu kaufen.
Ja, das muss in der frühen Zeit gewesen sein, 1982, 1983. Das war in einem trüben Frühjahr, Februar. Giorgio Armani habe ich bei dieser Gelegenheit und auch immer mal wieder gesehen. Er versprühte eine angenehme Aura, eine wahnsinnige Sympathie, Wärme, aber auch Klarheit. Man spürte, dass etwas Großes den Raum betrat. Er ist immer seiner Linie treu geblieben. Nicht umsonst ist er einer der wenigen, die komplett skandalfrei durch dieses Designerleben gegangen sind.
Was war besonders an Armanis Entwürfen?
Er hat die Farbe Blau salonfähig gemacht. Mit Blau haben wir uns als Hamburger schnell mit ihm getroffen. Er war außerdem der Erste, der die ganzen Jerseystoffe und fließenden Stoffe, die vorher nur der Sportswear vorbehalten waren, in die Luxusmode gebracht hat. Bis dahin war es nicht vorstellbar, dass man zu einem hochoffiziellen Anlass keinen schwarzen korrekten Smoking trägt. Und da kam Herr Armani um die Ecke und hat diese unfassbaren Schnitte in der Farbe Blau entwickelt.
Das hat weniger etwas mit Hamburg und Düsseldorf zu tun und mehr mit Damen- und Herrenmode. In einer Damenwelt geht es immer noch anders zu als in einer Herrenwelt. „Bleiben Sie mir weg mit den Designern aus Berlin“ – den Teil kann ich unterschreiben, aber ich kann nicht sagen, dass jeder Mann in Armani zwingend gut aussieht. Man muss schon ein gewisser Typus sein, um in Armani gekleidet toll auszusehen.
Wie würden Sie Armani-Männer beschreiben?
Sie müssen eine gerade, aufrechte Schulter haben. Man muss diese fallenden Silhouetten tragen können. Wenn Sie sowieso schon so eine traurige, hängende Schulter haben, und dann ist da noch nicht mal eine Schulterstütze drunter, dann sieht das noch trauriger aus. Man muss eine gewisse Physis mitbringen, um das tragen zu können. Er hat es auch immer geliebt, Anzüge mit T-Shirts zu kombinieren. Und selbst wenn das Hemd vorhanden war, dann war es sehr fein. Auch darin sieht nicht zwingend jeder gut aus.
Viele Kunden – und auch Kundinnen – lobten bis zum Schluss die ausgezeichnete Qualität.
Das muss man ihm zugutehalten. Neben Polo Ralph Lauren ist er der Einzige, der in all seinen Lizenzprodukten immer, aber auch wirklich ausnahmslos immer, die Qualität und das Design hochgehalten hat. Es gibt wahnsinnig viele Designer – auch Berliner –, die dann anfangen, nur mit ihrem Namen querzugehen. Zum Schluss hatte Armani viele verschiedene Lizenzen, Emporio, EA7, Armani Exchange, der gesamte Duft-Bereich, aber all das hat immer eine tolle Stilistik. Da ist es egal, in welcher Preisklasse seine Parfums angesiedelt sind; selbst eine Wäschelizenz ist bei ihm immer mit großem Anspruch versehen. Das finde ich toll.
Haben Sie ein Lieblingsstück von Giorgio Armani?
Ich habe zwei Samt-Abend-Sakkos, aber ich bin kein typischer Armani-Träger.

Irgendwann wurde die Konkurrenz doch größer, oder? Andere italienische Marken wie Zegna, Brioni und Brunello Cucinelli wurden bekannter.
Aber das sind ganz andere Marken. Wenn wir beraten, können wir einem Kunden nicht mit gutem Gewissen ein Brioni-Teil und ein Armani-Teil zeitgleich in den Schrank hängen. Ein großer Protagonist von Armani war für mich immer John Neumeier.
Der langjährige Ballettdirektor aus Hamburg.
In Armani sieht er sensationell aus. Herrn Neumeier könnte ich mir aber nicht in Brioni vorstellen. Das würde nicht passen. Das versuchen wir, mit unserem Beruf klarzumachen. Tolles Produkt, aber nur weil es in einer gewissen Preisliga ist, muss es nicht zu jedem passen, der bereit ist, das Geld auszugeben.

Was wünschen Sie sich für das Unternehmen Giorgio Armani für die Zukunft?
Dass sie versuchen, die DNA, die er hinterlässt, zu erhalten. Und dass Armani dieser besonderen Stilistik treu bleibt. Man muss sicher immer berücksichtigen: Hätte Giorgio das auch so entschieden? Ein Armani-Karo wird immer ein unverkennbares Armani-Dessin bleiben. Und natürlich wünsche ich mir, dass die Qualität sauber bleibt.
Was können Männer sich von Giorgio Armani abschauen?
Auch Männer sollten ihrem Stil treu bleiben. Natürlich wollen wir schöner, jünger und besser aussehen, aber wir sollten uns nicht verkleiden.
Er befreite die Männer
Ob Giorgio Armani ahnte, dass es mit ihm bald zu Ende gehen könnte? Vergangenen Sommer ließ der Designer noch mal sein Emporio-Armani-Geschäft an der Via Manzoni in Mailand renovieren. Das ist nicht einfach ein Laden, es ähnelt eher einem luxuriösen Kaufhaus, mit Blumen-, Buchläden und dem Armani-Hotel nebenan.
Das kleine Armani-Lifestyle-Viertel mitten in Mailand ist ein winziger Teil des Zehn-Milliarden-Euro-Imperiums, das dieser 1934 in Piacenza geborene Italiener ganz allein auf Basis seiner Schneiderkunst erschuf. Er hatte im Kaufhaus La Rinascente Herrenmode verkauft, bei Nino Cerruti Herrenmode entworfen und machte sich dann, vor genau 50 Jahren, mit Herrenmode selbständig. Seine leichten, ungefütterten Anzüge mit den abgerundeten Schultern waren eine Befreiung für Männer, die bis dahin deutlich schwerere Stoffe gewohnt waren. Spätestens als Richard Gere sie 1980 in „Ein Mann für gewisse Stunden“ trug, war Armanis Idee von Mode angekommen. Auch für Damen schneiderte Giorgio Armani auf diese Weise. Damit war er genau richtig dran. Der Anteil der Frauen an den Universitäten war seit den Sechziger- und Siebzigerjahren gestiegen, und in den darauffolgenden Jahrzehnten reichte Armani denen, die am Arbeitsmarkt die Topjobs erlangt hatten, eine Uniform, mit der sie sich in der immer noch stark männlich geprägten Welt äußerlich behaupten konnten. Die Stücke waren dabei von so außergewöhnlicher Qualität, dass sie häufig noch Jahrzehnte später in den Kleiderschränken der Kundinnen hängen. Viele zehren bis heute von ihrem Bestand aus Uralt-Blazern.
Dass sie weiterhin tragbar sind, liegt auch daran, dass Giorgio Armani Trends allenfalls streifte. Dieser Designer schwebte über der aktuellen Mode. Entsprechend war er auch nicht auf dem Laufsteg am erfolgreichsten, sondern anschließend im Verkauf. Schauen hielt er natürlich trotzdem ab, zu jeder Mailänder Modewoche waren es sogar mehrere, im eigens dafür erbauten Teatro Armani.
Irgendwann aufzuhören, war für diesen Mann selbst im hohen Alter kein Thema. Im vergangenen Jahr renovierte Armani also noch mal das Armani-Geschäft an der Via Manzoni. Aufs Papier zeichnete der damals Neunzigjährige offene Dachfenster, mit Wolken an der Decke. Die Architekten setzten seine Idee in 80 LED-Bildschirmen mit Wolken um. Selbst wenn sie Giorgio Armani mit so einem neumodischen Gimmick vom Himmel aus nun ein wenig die Sicht nehmen, ist davon auszugehen, dass dieser Jahrhundertdesigner das Geschehen seines Unternehmens auf Erden von da oben auch weiterhin fest im Blick behält.