Wirtschaft

Gewalt gegen Frauen: Frauen sterben, weil wir wegsehen | ABC-Z

Es ist eine traurige Realität,
die immer noch zu wenig Beachtung findet: Gewalt gegen Frauen ist in
Deutschland ein systemisches Problem: Für 2023 erfasste das Bundeskriminalamt 360 Frauen und Mädchen, die aufgrund von
Tötungsdelikten starben. Von diesen 360 wurden 247 der innerfamiliären Gewalt
oder Partnerschaftsgewalt zugeordnet. Umgerechnet bedeutet das: An etwa zwei
von drei Tagen wurde in Deutschland eine Frau in ihrem engsten privaten Umfeld
getötet. Und obwohl die gesellschaftliche Debatte angestoßen ist, fehlt es doch
in Politik, Medien und Gesellschaft an der nötigen Aufmerksamkeit und
Entschlossenheit, dieser Gewalt wirksamer zu begegnen.

Während andere
sicherheitspolitische Themen breite mediale und politische Resonanz erfahren,
bleiben die Übergriffe auf Frauen und Mädchen, ihre psychischen und physischen
Traumata, und die strukturellen Ursachen meist im Schatten. Dabei ist die
Faktenlage eindeutig: Gewalt gegen Frauen ist nicht nur weitverbreitet – sie
nimmt auch zu, mit verheerenden Folgen für die Betroffenen sowie Konsequenzen für
unsere Gesellschaft und Wirtschaft.

Gewalt im privaten Raum

Die Zahlen sprechen eine klare
Sprache. Wie Daten des Bundesbildungs- und Familienministeriums dokumentieren, wird etwa jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens Opfer
von körperlicher oder sexualisierter Gewalt – etwa jede vierte durch ihren
Partner oder Ex-Partner. Eine Entwicklung ist besonders besorgniserregend, wie aus einer Kurzstudie des DIW Berlin hervorgeht: Die Zahl der polizeilich registrierten Fälle häuslicher Gewalt
(ebenso die Zahl der Femizide) ist in den letzten Jahren gestiegen. Diese
Gewalttaten finden im sozialen Nahraum statt – durch (Ex-)Partner oder
Familienangehörige. Partnerschaftsgewalt macht dabei mit über 70 Prozent der
Gewalttaten den Großteil aus. Es geht hier nicht um Einzelfälle oder
“Beziehungstaten”, sondern um strukturelle Probleme, die sich durch alle
gesellschaftlichen Schichten ziehen.

Die Zahlen sind erschreckend, und doch zeigen sie nur einen Ausschnitt der Realität: das sogenannte Hellfeld, also die angezeigten und polizeilich erfassten Fälle. Studien legen nahe, dass das Dunkelfeld deutlich größer ist: Zahlreiche Betroffene suchen keine Hilfe – aus Angst, Scham oder mangelndem Vertrauen in staatliche Institutionen. Diese Barrieren zu beheben, ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe: Es braucht einerseits mehr Aufmerksamkeit seitens Politik und Medien
und andererseits Aufklärung, um unsere Gesellschaft stärker für das Thema zu
sensibilisieren.

Die Kosten der Gewalt

Gewalt gegen Frauen ist kein
privates Problem. Es betrifft uns alle, aus unserer gesellschaftlichen
Verantwortung heraus, aber auch aus ökonomischer Sicht. Frauen, die Gewalt
erfahren, sind in deren Folge oft von Verlusten in Arbeitseinkommen und einer
höheren Bedürftigkeit an Sozialleistungen betroffen, wie unsere DIW-Kurzstudie zeigt. Letztendlich können diese Auswirkungen auf die
gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe der Betroffenen haben und soziale
Ungleichheiten entstehen lassen oder verfestigen.

Schätzungen zufolge belaufen sich die direkten und indirekten Kosten
geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen in Deutschland
 (PDF) insgesamt auf rund 54
Milliarden Euro jährlich – bei Partnerschaftsgewalt auf rund 28 Milliarden Euro.
Um die Dimensionen einzuordnen: Eine Summe von 54 Milliarden Euro entspricht
knapp 11 Prozent des aktuellen Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025. Diese Kosten umfassen medizinische Behandlung,
Arbeitsausfälle, Produktivitätsverluste, juristische Verfahren, Polizei- und
Sozialleistungen sowie die Belastung von Kindern, die Zeugen oder Opfer
häuslicher Gewalt werden. Die tatsächlichen Kosten dürften sogar noch höher
liegen, da viele Fälle eben gar nicht erst gemeldet werden – aus Scham, aus
Angst oder wegen fehlenden Vertrauens in staatliche Schutzmechanismen.

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