Der Wandertipp führt in den Naturpark bei Neuhütten im Spessart | ABC-Z

Der älteste Naturpark Bayerns begeht in diesem Jahr seinen 65. Gründungstag. Er ist allerdings nicht, wie man annehmen könnte, in den Alpen oder im Bayerischen Wald zu suchen. Tatsächlich liegt er am äußersten Nordwestrand des Freistaats, dessen Name Spessart ein Argument für die Anerkennung als Naturpark mitlieferte. Wo der Specht zuhause ist, fehlt es nicht an Wäldern, die zu schützen sich einige Heimatfreunde vornahmen.
Der noch recht junge Ansatz, ganze Regionen als Natur- und Kulturlandschaft zu bewahren, kam da gerade recht. Die Politik in Gestalt von Gebietskörperschaften und Kommunen forcierte das Vorhaben. Nach vergleichsweise rascher, dreijähriger Planung stimmte auch das Münchner Innenministerium zu. Einschließlich seines 1963 begründeten hessischen Pendants zählt der Naturpark mit 2450 Quadratkilometern heute zu den zehn größten der inzwischen mehr als hundert Parks, die ein Viertel der Gesamtfläche Deutschlands ausmachen.
Vor dem Hintergrund der damals erbauten Autobahn durch das Mittelgebirge galt der Schutzschirm dem Erhalt des größten zusammenhängenden Laubwaldgebietes. Die Siedlungsdichte ist gering und es war nicht zu erwarten, dass der Naturpark die Entwicklungsmöglichkeiten einschränken könnte, wie bei jüngeren Plänen zur Ausweisung als Nationalpark oder aktuell als Biosphärenreservat befürchtet. Tatsächlich herrschte Aufbruchstimmung. Zahlreiche Unterkünfte und Gasthöfe entstanden, während die Parkverwaltung mit Parkplätzen, Rast- und Erholungsanlagen die nötige Infrastruktur schuf.
Seit dem allgemeinen Freizeitwandel ist diese Periode allerdings fast schon wieder Geschichte. Sicherlich wird mehr denn je gewandert, befördert durch das vor 15 Jahren grundlegend überarbeitete, auf 5000 Kilometer gewachsene Wegenetz. Nur sind es jetzt vorwiegend sich selbst versorgende Tagesausflügler, die kommen, was auch hier Anteil am Rückgang der Gastronomie hat.
Die Veränderungen schlagen sich nicht zuletzt in der Sinnstiftung des Naturparks nieder. Mit hauptberuflichem Personal breiter aufgestellt, gilt nun das Hauptaugenmerk naturkundlichen Führungen – teils durch Ehrenamtliche – und aktivem, wissenschaftlich begleiteten Naturschutz. So dienen Wasserbüffel im Hafenlohrtal einem der Renommierprojekte zur Untersuchung, wie Auerochsen oder Wisente die Vegetation veränderten, als sie noch die Wälder und Auen beherrschten.
So dicht bewaldet wie heute war der Spessart nie. Nach der starken Übernutzung im 18. Jahrhundert durch die Mainzer Erzbischöfe ist er das Ergebnis großräumiger Aufforstung zu Jagdzwecken von ihren Haupterben, den bayerischen Königen und dem Wertheimer Grafenhaus. Doch inmitten des endlosen Baummeeres besteht eine respektable Freifläche namens Weickertswiese, die mit 85 Hektar als größte im Kern des Gebietes gilt. Sie blieb bewahrt, weil sie als Besitz der Gemeinde Rechtenbach nach Aufgabe der Landwirtschaft für entsprechend spezialisierte Lebewesen offengehalten werden konnte.
Unter den 250 Pflanzen finden sich Raritäten wie der feingliedrige Natterfarn, der lediglich ein Blatt besitzt, oder die noch seltenere Heidewicke. Ihre zarten, weiß-lilafarbenen Kelche sind kaum auszumachen im Gewoge von Arnika, Goldhafer, Hyazinthen und verschiedenen Orchideen, wenn auch weniger gefährdete Arten wie Schafgarbe und Butterblume optisch dominieren.
Wegbeschreibung
Stellvertretend für den Wandel des Naturparks Spessart steht der Ausgangspunkt Bischbornerhof an der B26 rund zehn Kilometer westlich von Lohr am Main. Der dortige Spielpark besitzt noch dieselben Holzgeräte wie vor Jahrzehnten. Nur verfallen sie zusehends, neuere Metallgerüste lassen sich aber gefahrlos nutzen.
Für das Verschwinden von Pensionen und Gasthäusern lässt sich beispielhaft das Hotel-Restaurant Bischbornerhof anführen. Trotz verkehrsgünstiger Lage klappert dort schon lange kein Geschirr mehr, wogegen ein Richtungspfosten davor mit wetterfesten Tafeln und GPS-Koordinaten die Fortentwicklung der Infrastruktur anzeigt.
Wir entscheiden uns für „Neuhütten“, kreuzen die Bundesstraße und laufen ein Stück entlang der Landstraße. Zum Verkürzen geht man in Höhe des Forsthauses mit dem roten Strich nach rechts und gleich darauf links in den Wald. Später tritt beim Gang zwischen beeindruckenden Buchen das Zeichen schwarzer Eber hinzu. Dieses weist nach 1500 Metern nach rechts, was den Ab- und Wiederanstieg zur Weickertswiese, unten rechts mit dem Zeichen roter Doppelstrich, erspart.
Für die ausholende Runde durch die Talung des sogenannten Äußeren Bachs verbleiben wir noch etwas neben dem Sträßchen, ehe das schon zuvor gesichtete N2 links auf einen Forstweg weist, von dem bald ein lauschiger Pfad rechts abzweigt. Er weist in die Senke, wo ein stiller Teich überrascht, der zum Wässern von Stämmen angelegt wurde. Auf ihn folgt gut 500 Meter weiter ein kleinerer.
Die Forstwirtschaft mag auch im Spessart im Rückzug begriffen sein, aber nicht überall. Jenseits der zu querenden Landstraße säumen beim Bergauf zahllose Buchenstämme den breiten Weg. Oben, am Richtungspfosten Salzweg, ist der Anstieg geschafft, beziehungsweise wird leichter, nachdem man rechts zu N1 gen Weickertshöhe abbog. Unverändert überwiegen hallenartige Buchen, bloß in der Schneise für eine Hochspannungsleitung treten sie zugunsten von Ginster zurück. Fast bis zum Richtungspfosten Sturmkopf legt er eine gelbe Leuchtspur. Am Geradeaus ändert sich dort nichts, einzig das Zeichen: Jetzt übernimmt der rote Doppelstrich zur und über die Weickertswiese.
Der farbenfrohe Blumenteppich bildet keine homogene Fläche. Knorrige Obstbäume und Grünland erinnern an die frühere Nutzung, zu der das althergebrachte Stapelrecht von Holz zählt. Um dies zurückzudrängen, wurde vom Naturpark in langen Verhandlungen mit den Besitzern erreicht, dass nur Klafter aufgesetzt werden dürfen, deren verbriefte Rechte aus der Zeit vor 2015 stammen. Bei Gelegenheit waren auch Ausgleichszahlungen fürs Mähen erst nach der Samenreife festzulegen.
Am anderen Wiesenrand geht es rechts wieder in Wald und dann links (an der Gabelung noch einmal links) hinunter bis Rechtenbach. Folgt man dem Doppelstrich, ist der Ort ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten rasch durchmessen. Jenseits der Hauptstraße (B26) führt der Auroraweg wieder hinauf. Der steile Hang endet mit dem Waldeintritt; moderat geht es nach den Links-rechts-Kurven weiter.
Gut einen Kilometer später weist die Markierung nach links auf einen holprigen Graspfad, um den Forstweg abzuschneiden, bevor er dann fast gradlinig bergauf die Verbindung zur Kreuzung am Neustädter Tor herstellt. An den einstigen Außenposten von Kloster Neustadt erinnert nichts mehr. Erneuert wurde ein zwischenzeitlich entwendeter, gusseiserner Wegweiser von 1902 mit einer Eule auf der Spitze.
„Historisch“ dürfte auch die Entfernungsangabe gen Bischbornerhof sein. Statt der avisierten sechs sind es keine vier Kilometer, die im Gefolge des roten X zurück gelegt werden. Einmal mehr umfängt uns auf der ebenen Strecke majestätischer Buchenwald. Erst ausgangs, nach dem Rechtsabzweig am Richtungspfosten Bischbornerhof mit dem roten Strich, taucht das Freizeitgelände auf. An Selbstversorger ist übrigens auch gedacht. Man darf dort grillen.
Anfahrt
Von der A3 kommend, Ausfahrt Hösbach, optional Weibersbrunn, stellt die B26 gen Lohr über 20 Kilometer die Verbindung zum Bischbornerhof her. Parkmöglichkeiten gibt es gleich am Spielpark oder etwas versetzt neben dem Sträßchen nach Lichtenau.
Von Aschaffenburg oder Lohr verkehrt werktags einstündig ein Bus; am Wochenende allerdings nur als Ruftaxi zu den Bahnhöfen.
Sehenswert
Das Hauptmerkmal des Spessarts sind zusammenhängende, durch ein engmaschiges Wegenetz erschlossene Laubwälder. Sie ermöglichen stundenlange Wanderungen fern jeder Zivilisation. Um die nötige Infrastruktur – Erholungsanlagen, Parkplätze, Richtungsgeber – kümmert sich die Verwaltung des vor 65 Jahren gegründeten Naturparks Spessart. Einen Kontrapunkt setzt die 85 Hektar große Weickertswiese oberhalb von Rechtenbach. Ursprünglich landwirtschaftlich genutzt, dient sie – freigehalten von Verbuschung – einem der wichtigsten Lebensräume für bestandsgefährdete Pflanzen und Tiere, die auf Offenland angewiesen sind. Insbesondere bis zur Mahd im Frühsommer ist es ein Erlebnis, durch die blumenbunten Gräser zu streifen.
Einkehren
Das Hotel-Restaurant Bischbornerhof ist schon lange geschlossen. Doch auf dem Freizeitgelände dürfen Selbstversorger grillen.