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Nach der Kabinettsentscheidung: Wie geht es weiter für das Krankenhaus in Mainburg? – Bayern | ABC-Z

Am späten Dienstagnachmittag kam ein Segen von ganz oben: Ministerpräsident Markus Söder und sein Kabinett befassten sich mit den Plänen zur Umwandlung und Schrumpfung des kleinen Krankenhauses in Mainburg im Landkreis Kelheim in Niederbayern –  und befanden sie als gut. Aus krankenhausplanerischer Sicht sei das Vorgehen „sinnvoll“, heißt es im Kabinettsbericht. Das klare Signal der Staatsregierung soll den Landräten vor Ort den Rücken stärken und die aufgeheizte Debatte um die Zukunft des Hauses befrieden. Am Tag danach aber zeigt sich: Gelungen ist das kaum.

Die von der Kelheimer Kreisrätin Annette Setzensack (ÖDP) angeführte Initiative „Rettet das Krankenhaus Mainburg“ äußerte sich vielmehr empört. Noch vor der letzten Bundestagswahl hätten gerade die CSU-Vertreter beteuert, die ländlichen Krankenhausstandorte retten zu wollen, schreibt sie in einer Pressemitteilung. „Wir fragen uns: Wenn Mainburg mit seinem offensichtlichen, enormen Bedarf nicht als Grundversorger gerettet werden soll, welches ländliche Krankenhaus in Bayern ist denn dann gemeint, liebe CSU?“ Kritik kam auch von dem Mainburger Unternehmer Werner Hampel.

Schon jetzt habe sich die Versorgung verschlechtert, kritisiert er. Er höre von Menschen, die mit einer Platzwunde „von einem zum anderen Krankenhaus geschickt werden“, weil Mainburg sie nicht mehr aufnehme. Hampel möchte zur Kommunalwahl 2026 ein Bürgerbegehren für den Erhalt des Krankenhauses in seiner alten Form organisieren und sucht derzeit prominente Unterstützer dafür. Ein Bürgervotum, damit alles bleibt, wie es ist, kann sich kein Landrat wünschen. Die Politik wäre gezwungen, das verlustreiche Haus fortzuführen. Wie schief das gehen kann, kann man sich im Landkreis Weilheim Schongau ansehen, wo die Bürger die Pläne der Landrätin für ein neues Zentralkrankenhaus zunichtemachten. Klare Worte der Staatsregierung sind also willkommen.

Es ist das erste Mal, dass sich das Kabinett per Beschluss derart konkret in die Debatte um die Zukunft eines Hauses einmischt. Gesundheitsministerin Gerlach hatte diese Möglichkeit als Teil ihres Sieben-Punkte-Plans geschaffen, mit dem sie die Transformation der Kliniklandschaft begleiten will.

Krankenhäuser überall in Bayern müssen sich gerade neu aufstellen. Metertiefe Löcher in ihren Bilanzen, die Krankenhausreform des Bundes, Personalmangel und der Fortschritt der Medizin zwingen sie dazu. Patienten mit komplizierten Leiden sind oft besser in großen Zentren aufgehoben. Nach kleineren Eingriffen können Patienten dagegen immer öfter am selben Tag nach Hause gehen. So bleiben gerade in kleineren ländlichen Häusern Betten leer.

Für die Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung werden diese wohnortnahen Häuser aber sehr wohl noch gebraucht, nur nicht mehr alle als klassische Kliniken. „Umstrukturierungen in einem so sensiblen Bereich lösen bei der Bevölkerung vor Ort oft erheblich Diskussionen aus“, heißt es in dem Kabinettsbeschluss. Die Staatsregierung will den Entscheidern vor Ort dabei „Rückendeckung“ geben.

Im Fall Mainburg ist aber offensichtlich mehr nötig, um die Bevölkerung für den Veränderungsprozess zu gewinnen. Die Gesundheitsversorgung berührt existenzielle Bedürfnisse der Menschen ähnlich wie der Schutz vor Kriminalität. Es geht um die Frage, wer im Notfall für einen da ist und ob man politisch gehört wird. In Mainburg fühlen sie sich nicht gehört, weil der Wegfall ihres Krankenhauses mehr als 43 000 Menschen betrifft, die dann alle 30 Minuten länger als bisher in die nächste Klinik fahren. Man kann sich das im Kliniksimulator der Gesetzlichen Krankenkassen anzeigen lassen.  Bei keinem anderen Krankenhaus, das in Bayern derzeit zur Debatte stünde, seien es mehr, sagt Kreisrätin Setzensack. Würde man – nur theoretisch gesprochen – zum Beispiel die Klinik in der Kreisstadt Kelheim streichen, wären viel weniger Menschen betreffen, nur etwa 19 000. Warum also Mainburg mit seinem weiten, ländlichen Einzugsgebiet?

Die Antwort darauf gibt der frühere Vorstand des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der LMU, Christian Lackner. Er hat als Gutachter die jetzige Neuausrichtung des Mainburger Krankenhauses und die geplante enge Kooperation mit den Kliniken rund um Ingolstadt empfohlen. Rückblickend wäre es vielleicht sinnvoll gewesen, man hätte im Landkreis Kelheim vor 15 Jahren ein neues Krankenhaus strategisch mittig platziert, sagt er. Nun aber gelte es, mit der historisch gewachsenen Situation umzugehen. In Mainburg seien von den vorhandenen 93 Betten zuletzt nur noch 60 Betten belegt gewesen. Es sei ausgeschlossen, damit eine Klinik „auch nur annähernd wirtschaftlich zu betreiben“. Im Krankenhaus in Kelheim dagegen gibt es derzeit 130 Betten, die dort auf 140 bis 150 aufgebaut werden sollen.

Kelheim wird also auf- und Mainburg abgebaut. Die Versorgung der Mainburger aber werde sich dadurch nicht verschlechtern, verspricht Lackner. Für den Erfolg der Behandlung sei nämlich nicht die Frage, wie schnell man in einer Klinik sei, am wichtigsten, sondern wie gut man dort versorgt werde. Die wissenschaftliche Forschung hierzu sei eindeutig. Eine gute Intensivstation braucht mindestens sechs Betten, damit die Ärzte dort eine gewisse Routine haben und einen ständigen ärztlichen Nachtdienst vor Ort. All das könne Mainburg nicht leisten. Schwerkranke oder schwerverletzte Patienten würde deshalb schon heute fast immer in andere Häuser gebracht. Nach Angaben des Landkreises Kelheim waren schon 2023 nur 1,75 Prozent der eingelieferten Personen schwerverletzt.

Schnittverletzungen, Platzwunden, Fieber und verknackste Knöchel – all das soll in Mainburg dagegen weiterhin behandelt werden, so Lackner. Der Experte sieht in der sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtung, die Mainburg einmal werden soll, durchaus eine Chance. Das nebulöse Wort steht für ein neues Konzept einer medizinischen Einrichtung – ein bisschen Ärztehaus, ein bisschen Tagesklinik – und in Mainburg auch etwa ein bisschen Pflegeheim. Anfang Mai hat dort eine Übergangspflege eröffnet, die gebrechliche Patienten versorgt, für die ein Heimplatz gesucht wird.

Und was ist mit den Platzwunden, die Berichten zufolge schon heute in Mainburg nicht mehr genäht werden? Das stimme tatsächlich, gibt Christian Degen bereitwillig zu. Er ist der Geschäftsführer der Ilmtalklinik GmbH, zu der neben Mainburg auch noch ein Haus in Pfaffenhofen gehört. Grund hierfür sei aber ein Personalengpass im Krankenhaus Pfaffenhofen gewesen. Der dortige chirurgische Chefarzt habe die Klinik verlassen. Statt einen neuen zu suchen, habe man entschieden, die gesamte Unfallchirurgie aus Mainburg nach Pfaffenhofen zu holen. Der Umzug war im Zuge der Umstrukturierung ohnehin geplant.

Eigentlich aber erst, wenn sich das ganze Haus neu aufstellt, wenn auch ein chirurgisch-orthopädisches MVZ in die Klinikräume in Mainburg einzieht. Die Platzwunde kann wieder versorgt werden. Im Idealfall sogar rund um die Uhr – sofern die politischen Vorgaben aus Berlin dies möglich machen. Die Details der Gesundheitsreform fehlen hier noch. Und so fehlt in Mainburg auch ein Arzt, der Platzwunden näht. Ein Organisationsproblem und doch eins, das die Unsicherheit nährt. Da hilft auch die Rückendeckung per Kabinettsbeschluss wenig.

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