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Geschütztes Nagetier: Stoppt die Haselmaus die Grafinger Berufsschule? – Ebersberg | ABC-Z

Wohnorte von Prominenten üben ja auf viele Menschen einen ganz besonderen Reiz aus, da ist es doch sehr ungewöhnlich, dass ein bundesweit bekannter Promi so lange unbehelligt in Grafing wohnen konnte. Die Rede ist hier von der Haselmaus (Muscardinus avellanarius), die zwar keine Maus ist, sondern ein Bilch und damit ein naher Verwandter des Eichhörnchens, aber immerhin 2017 schon mal Tier des Jahres war. Das war im gleichen Jahr, in dem der Ebersberger Kreistag beschloss, dass im Landkreis eine Berufsschule gebaut werden soll – und das berührt nun den Wohnort des 2017er-Tieres des Jahres.

Denn dieser ist gleichzeitig der geplante Standort für die neue Schule, wie in der jüngsten Sitzung des zuständigen Kreistagsausschusses zu erfahren war. Eigentlich ging es da um Mehrkosten für Grundstück und Planung, insgesamt rund 290 000 Euro, verbunden mit dem Hinweis, dass noch weitere Kosten entstehen werden aufgrund der „Bereitstellung der Ersatzfläche für die Haselmaus“. Diese ist nicht nur ein zumindest Ex-Promi, sondern auch streng geschützt, denn ihr Lebensraum wird immer weniger.

Darum muss, soll ein von Haselmäusen bewohntes Grundstück bebaut werden, Ersatz geschaffen werden. Dies soll auf einer Fläche im Randbereich des Berufsschulgrundstückes geschehen, teilt Grafings Bürgermeister Christian Bauer (CSU) mit. Rund 60 000 Euro wird der Landkreis dafür wohl zahlen müssen. Konkret geht es um eine sogenannte „CEF-Maßnahme“ – auf lang „continuous ecological functionality-measures“, also Maßnahmen zum Erhalt der ökologischen Funktion. Oder in diesem Fall, die Herstellung einer solchen.

Denn, so teilt es die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt (UNB) mit, die Haselmaus ist durchaus anspruchsvoll, was ihre Wohnsituation angeht, bei Fachleuten wie Frank Burkhardt von der UNB heißt das dann „spezifische Habitatansprüche“. Und die sind durchaus entscheidend, bei der Frage, wie man einen Umzug für Haselmäuse organisiert: „Umsiedeln im Sinne von Einfangen und woanders wieder freilassen ist bei der Haselmaus nicht möglich.“

Gebaut werden darf erst, wenn die Haselmäuse aufs Nachbargrundstück umgezogen sind

Stattdessen muss man die possierlichen Tierchen gewissermaßen von einem Umzug überzeugen. Konkret, so erklärt man es bei der UNB, muss zunächst „ein geeignetes Ersatzhabitat in direkter Umgebung (wenige Hundert Meter Umkreis) geschaffen werden“. Was laut der Behörde durchaus einige Zeit dauern kann: „Abhängig vom Ausgangszustand der Fläche für das Ersatzhabitat ist mit längeren Entwicklungszeiten zu rechnen.“

Erst wenn diese Ersatzflächen einen haselmaustauglichen Zustand erreicht hat, beginnt der eigentliche Umzug – wenn sich die kleinen Nager darauf einlassen. Als Überzeugungshilfe könne man beispielsweise die Hecken zurückschneiden, während die Haselmäuse unter der Erde Winterschlaf halten, erläutert die UNB weiter: „So ist der Lebensraum im Frühjahr, wenn die Haselmaus ihr Winterquartier verlässt, für diese nicht mehr attraktiv und wird (hoffentlich) das angebotene Ersatzhabitat besiedeln.“

Gebaut werden darf auf dem ursprünglichen Haselmaushabitat allerdings erst, wenn die Tiere wirklich umgezogen sind, auch dazu muss es dann eine Untersuchung geben. Zumindest hypothetisch könnte also der Fall eintreten, dass sich der Bau der Berufsschule verzögert – allerdings wird frühestens im kommenden Mai im Kreistag der Startbeschluss für den Bau der Berufsschule fallen. Wann dann aber tatsächlich gebaut wird, hängt vom Zustand der Kreisfinanzen ab und davon, wie schnell oder langsam die Ausschreibungen laufen. Frühestens, so die bisher präsentierten Zeitpläne, ist im übernächsten Jahr Baubeginn.

Wie viele Haselmäuse bis dahin von der einen Wiese auf die nächste umziehen müssen, ist dabei nicht ganz klar: „Durch ihre sehr heimliche Lebensweise lässt sich die Populationsgröße von Haselmäusen nur äußerst schwer schätzen“, schreibt die UNB auf Anfrage, es seien aber wohl mindestens zwei oder drei. Was aber auch keine Rolle spiele, so die Behörde weiter, „wesentlich ist der weitere Verlust des noch bestehenden Lebensraums“.

Und damit ist die Haselmaus nicht alleine. Laut UNB „entstehen Bauprojekte immer häufiger innerhalb der Lebensräume von besonders oder streng geschützten Arten, teilweise in den letzten bestehenden Habitaten“. Zwar könne man betroffenen Populationen durch die CEF-Maßnahmen erhalten, aber „die Suche nach hierfür geeigneten Flächen wird (nicht nur) im Landkreis Ebersberg immer schwerer, aufwendiger und zeitintensiver“.

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