Gerüchte aus Wien: All die „Friedenspläne“ haben mit der Realität nicht viel zu tun | ABC-Z

Am jüngsten Szenario, wie US-Präsident Trump den russisch-ukrainischen Krieg beenden könnte, ist vor allem das Medium interessant, das es verbreitet. Nicht ausgeschlossen, dass es sich um einen gezielten Verwirrungsversuch handelt.
Noch weiß niemand, wie genau der neue US-Präsident versuchen wird, sein Ziel zu erreichen. Im Wahlkampf hatte Donald Trump versprochen, er werde den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden nach Amtsübernahme beenden. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Vermutlich weiß auch Trump noch nicht, wie er vorgehen will, um einen Waffenstillstand durchzusetzen. Trotzdem kursieren bereits zahlreiche Szenarien, jeweils mit Verweis auf anonyme Quellen. Mit der Realität werden sie allesamt wohl nur bedingt zu tun haben.
Am vergangenen Sonntag veröffentlichte die umstrittene ukrainische Nachrichtenseite Strana.ua einen weiteren „Friedensplan“, der angeblich in „politischen und diplomatischen“ Kreisen der Ukraine zirkuliere. Demnach solle der Krieg innerhalb von 100 Tagen beendet werden. Allerdings teilte Strana selbst mit, man könne die Echtheit des Plans nicht bestätigen. Es gebe jedoch Gerüchte, denen zufolge die Amerikaner einige europäische Diplomaten über den Plan informiert haben sollen. Gerüchte.
Dass ausgerechnet Strana.ua diesen angeblichen Plan pusht, ist bereits auffällig und verdächtig. Denn bei dieser Seite handelt es sich um ein Medium, das vor dem russischen Großangriff vom 24. Februar 2022 zwar mit teils gut informierter, aber klar russlandfreundlicher Berichterstattung aufgefallen ist. 2021 wurde Strana vom ukrainischen Sicherheitsrat gesperrt. Zwar wurde die Seite zu Beginn der „speziellen Militäroperation“ auch in Russland geblockt. Strana wird jedoch bis heute von staatlichen russischen Medien als Hauptinformationsquelle genutzt, wenn es um die Ukraine geht.
Eine wilde Mischung
Der frühere Strana-Chefredakteur Ihor Huschwa lebt aktuell in Österreich. Seit 2022 ist er nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. In der Branche gilt es jedoch als unumstritten, dass die nicht mehr unter seinem Namen geschriebenen großen politischen Analysen und auch der Bericht zum neuen „Friedensplan“ von ihm stammen. Huschwas Mails waren in einem 2016 geleakten Archiv des Mailverkehrs des Büros von Wladislaw Surkow aufgetaucht, dem damals für die Ukraine verantwortlichen Putin-Berater.
Schon deshalb sollte der Bericht mit großer Vorsicht betrachtet werden. Der Inhalt ist aber insofern interessant, als er eine wilde Mischung aus Aspekten beinhaltet, die für unterschiedliche Parteien entweder interessant, vollkommen inakzeptabel oder problematisch wären. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass das Team um Trump als Hauptszenario einen Verzicht der Ukraine auf NATO-Mitgliedschaft, dafür aber weitere militärische Unterstützung Kiews sieht. Von der Ukraine dürfte die neue US-Regierung fordern, das von Russland okkupierte Gebiet zwar nicht offiziell anzuerkennen, aber auf Rückeroberungsversuche zu verzichten.
All das steht im angeblichen Friedensplan. Zudem sollen nicht nur die Ukraine-Hilfen weitergehen, auch die ukrainische Armee soll nicht verkleinert werden. Klar ist, dass Putin sich im Abnutzungskrieg derzeit auf der Gewinnerseite sehen dürfte. Solange die Ukraine die Frontlinie nicht zumindest stabilisiert, dürfte es für ihn keinen Grund geben, vom Ziel einer „Entmilitarisierung“ der Ukraine abzurücken, also von einer radikalen Verkleinerung der ukrainischen Armee sowie des ukrainischen Waffenarsenals. Die Ukraine soll so geschwächt werden, dass sie sich bei künftigen Überfällen nicht verteidigen könnte.
Der Bericht könnte Teil der psychologischen Kriegführung sein
Am spannendsten an dem Strana-Bericht sind aber Aspekte, die für die Ukraine weniger katastrophal wären als die „Entmilitarisierung“. Im Kern geht es darum, dass russlandfreundliche Kräfte zu Wahlen zugelassen werden sollen, sowie um Fragen um die russische Sprache und die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die vor 2022 dem Moskauer Patriarchat unterstand und bei der in Teilen weiterhin Verbindungen zu Russland vermutet werden. Dies sind Themen mit Spaltungspotenzial für die ukrainische Gesellschaft. Zweifellos würden sie für heiße Diskussionen in der Ukraine sorgen.
Daher wäre es zumindest nicht abwegig, wenn es sich bei dem angeblichen Plan vor allem um einen gezielten Verwirrungsversuch der russischen Geheimdienste handeln würde, zumal die Verbindung von Strana.ua zum russischen Geheimdienst GRU in der Ukraine immer vermutet wurde. Denn Russland setzt im Abnutzungskrieg gegen die Ukraine auch auf psychologische Kriegführung. Die Gesellschaft der Ukraine soll gespalten, die Einigkeit der ukrainischen Bevölkerung ins Wanken gebracht werden. Sollte Moskau es zudem schaffen, auch über die Ukraine hinaus Verwirrung zu stiften, wäre das aus russischer Perspektive sicherlich ebenfalls wünschenswert.
Realistische Perspektiven für ein Ende des Krieges, die nicht auf eine Kapitulation der Ukraine hinauslaufen, hängen von zwei Faktoren ab: Russland sollte nicht mehr in der Lage sein, an der Front voranzukommen und diesen Krieg weiterhin zu finanzieren. Beides scheint auf absehbare Zeit nicht einzutreten, und so dürfte Russland seinen Angriff vorläufig fortsetzen – egal, was dazu offiziell oder inoffiziell aus Moskau zu hören ist. Trump verfügt über keine Instrumente, die nicht auch Joe Biden hatte. Die Frage ist, ob er sie anders einsetzen kann oder will.