Gerhard Schröder: Ukraine-Störungsbehebung war nach Angaben von Alt-Kanzler nahe | ABC-Z
Erstmals spricht SPD-Altkanzler Schröder über seine Rolle in den Friedensgesprächen zwischen der Ukraine und Russland. Putins Einmarsch sei zwar ein „schwerer Fehler“ gewesen, doch Deutschland solle sich aufgrund seiner historischen Verbindung zu Russland vor allzu scharfer Kritik hüten.
Deutschlands Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich bei einem Auftritt in der Schweiz zur internationalen Lage geäußert. Beim Ukraine-Krieg sei ein Frieden greifbar nahe gewesen, sagte Schröder bei einer Veranstaltung der Schweizer „Weltwoche“. Der Altkanzler hielt auf Einladung des Portals in dem Züricher Fünf-Sterne-Restaurant „Dolder Grand“ vor 500 Menschen eine Rede.
Die Frage, ob ihn die schwarz-rot-gelbe Bundesregierung wegen seiner bekanntermaßen guten Beziehungen zu dem russischen Präsidenten Wladimir Putin jemals als diplomatischen Berater oder Unterhändler angefragt habe, verneinte der Ex-Kanzler. Allerdings sei er von ukrainischer Seite kontaktiert worden – über die Schweizer Ringier-Verleger. Dies habe zu seiner Teilnahme an den Friedensverhandlungen von Istanbul geführt.
Er äußerte sich ausführlich zu diesen russisch-ukrainischen Gipfelgesprächen und gab erstmals Einblicke. Die Ukrainer hätten die Schweiz als Austragungsort abgelehnt, auch Dubai sei verworfen worden, darum sei man schließlich auf die Türkei gekommen. Schröders Frau, Dolmetscherin aus Südkorea, habe die Protokolle geführt.
Entgegen manchen Behauptungen in den Medien sei ein Frieden in Griffnähe gewesen, sagte Schröder. Der von ihm zunächst mehrheitsfähige Kompromiss habe darin bestanden, die Ostgebiete in der Ukraine zu behalten. Für die Krim habe es eine „Südtiroler Lösung“ gegeben, was eine russische Enklave bedeutet hätte. Der Nato-Beitritt der Ukraine wäre in dem Paket vorerst verworfen worden.
Doch die Regierung von Wolodymyr Selenskyj habe nicht frei entscheiden können, sagte Schröder, ohne hier in die Tiefe zu gehen. „Mächtigere Kreise“ hinter Selenskyj hätten einen Frieden abgeblockt. Man habe offenbar geglaubt, durch eine Weiterführung der Kampfhandlungen Russland strategisch zu schwächen. Medien und US-Generäle seien überzeugt davon gewesen, Putin besiegen und aus dem Amt entfernen zu können.
Ermahnung an die Deutschen
Den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hält der Altkanzler nach wie vor für gefährlich, warnte davor, dass der Westen unterschätze, dass es zu einer Eskalation kommen könne. Schröder kritisierte zwar Putins Einmarsch als „schweren Fehler“. Die Ukraine – selbst, wenn sie Nato-Land geworden wäre – hätte Russland nicht akut bedroht. Doch übersehe der Westen die historisch begründeten Sicherheitsinteressen Russlands. „Gerade wir Deutsche sollten uns vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und der im Namen Deutschlands verübten Verbrechen vorsichtig und konstruktiv verhalten“, sagte Schröder.
Er sei nicht dagegen, die Ukraine mit Finanzhilfe und Waffen bei der Selbstverteidigung zu unterstützen, allerdings müsse die EU dies mit Forderungen an die ukrainische Regierung verbinden, ernsthafte und realistische Friedensszenarien vorzulegen: „Auch dieser Krieg wird man mit Verhandlungen beenden müssen. Militärisch jedenfalls ist er nicht zu entscheiden. Es wird Kompromisse brauchen.“
Putin militärisch nicht zu besiegen
Russland sei militärisch nicht zu besiegen, meinte Schröder und sagte wörtlich: „Ich empfehle allen, die das glauben, in die Geschichtsbücher zu schauen.“ Von Napoleon bis Hitler seien daran alle gescheitert. Die Russen stünden nach anfänglichen Zweifeln mit großer Mehrheit hinter ihrem Präsidenten. „Sie sind überzeugt davon, dass der Westen die Ukraine nur als Speerspitze benutzt, um Russland in die Knie zu zwingen“, sagte er.
Er selbst ertappe sich bei dem Gedanken, die Hoffnungen mit Frieden ausgerechnet mit einem Politiker zu verbinden, der nicht sein Favorit sei, nämlich Donald Trump. Doch er traue ihm zu, den Krieg wie versprochen noch vor Amtsantritt zu beenden: Trump sei Europa „nicht egal“.
Deutschland und EU große Verlierer
Deutschland und Europa gehörten – nach der Ukraine – zu den ganz großen Verlierern dieses Kriegs. Er bedauerte, dass es keine enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland gebe, dass die beiden Länder nicht auf Washington eingewirkt hätten, so wie es der damalige Präsident Jacques Chirac beim zweiten Irakkrieg getan habe. Er selbst sei kein Gegner der Amerikaner, doch gebe es Situationen, in denen die Interessen Europas und die Interessen der USA einander zuwiderlaufen würden. Das sei heute der Fall. Damals habe Putin Chirac vom Irak-Irrtum überzeugt und dabei einer Zusammenarbeit mit den Deutschen den Weg freigemacht.
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