Gerhard Polt in Stegen: Pizza con tutti für alle – Starnberg | ABC-Z
Die gute Nachricht ist, dass Gerhard Polt Ende dieser Woche gleich noch einmal ins Fünfseenland kommt. Die schlechte Nachricht ist, dass natürlich auch der Auftritt in Gauting längst ausverkauft ist. Er habe einen Newsletter verschickt und nach nicht einmal einer halben Stunde seien alle Karten weg gewesen, verriet Daniel Betz, Betreiber der Groundlift-Studios in der Alten Brauerei in Stegen, wo Polt am Sonntagabend auftrat. „Mia und Napoli“ heißt das Programm, das dort für eine Fernsehproduktion aufgezeichnet wurde. „Ein italienischer Abend der Extraklasse, der in dieser Form einmalig stattfindet“, wie es in der Ankündigung hieß.
Drinnen also großes Gedränge vor dem Einlass, draußen in der Kälte Menschen, die ein Pappschild mit der Aufschrift „Suche Karte“ in die Höhe hielten. Langes Warten, dann noch einmal Gedrängel um die besten Sitzplätze. Schließlich aber war allen klar, dass es an diesem außergewöhnlichen Spielort nur beste Plätze gibt: Dank seiner Immersive-Audio-Technik ist der Saal, in dem sich einst das Kühlschiff der Brauerei befand, längst nicht mehr nur bei Insidern für die beste Akustik weit und breit bekannt. Diesmal wurden die 120 Zuschauer von sechs Fernsehkameras umkreist. Auf der Bühne vor den rohen Backsteinwänden, die man als italienische Taverna dekoriert hatten, nahm nun Gerhard Polt mit sechs Musikern und dem als „ragazzo svizzero“ angekündigten Schauspieler Stefan Merki Platz, um in Wort und Gesang die viel zitierte Freundschaft zwischen Italia und Germania zu zelebrieren – einschließlich aller Missverständnisse.
Zu diesen Missverständnissen gehört natürlich auch der Schlager „Zwei kleine Italiener“, den Conny Froboess im Jahr 1962 trällerte und dessen Text Merki zum Auftakt vorlas. Das Lied beschreibt das Heimweh neapolitanischer Gastarbeiter, wurde jedoch zur millionenfach verkauften Hymne der deutschen Italienreisenden in der Wirtschaftswunderzeit. Aber natürlich hat niemand anderer so eindringlich wie Gerhard Polt selbst in seinem legendären Film „Man spricht Deutsh“ diese Missverständnisse und das Klischee deutscher Touristen im Ausland geschildert. Daran knüpft er mit einem Text über ein Urlauberpaar mit Italienischkenntnissen aus dem VHS-Kurs in einem römischen Straßencafé an. Und auch der „Gastronomic Adventure Trip“ nach Australien, den sich Vati und Mutti nach der „ganzen Covid-Gaudi“ gegönnt haben, geht in diese Richtung.
Im neuen Jahrtausend aber stehen „Carpaccio vom Koalabären“ und „Tafelspitz vom Riesen-Waran“ für die kulinarischen Sehnsüchte deutscher Touristen, bevor sie dann doch wieder zur altbewährten „Pizza con tutto“ beim „Luigi am Lago Maggiore“ zurückkehren. Und schließlich lässt Polt auch den Neu-Tegernseer Arnulf Schmitz-Zceisczyk aufmarschieren und andere „Preißn, die sich eine Trachtnjoppn anziehen und meinen, sie san mia“. Außerdem natürlich auch die reaktionären Stammtisch-Gscheitmeier, die er wie immer so schmerzhaft wahr schildert, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.
Den Titel für dieses Programm hat Gerhard Polt nach eigenem Bekunden in einem Gespräch zwischen zwei Fußballfans aufgeschnappt, in dem einer dem anderen mitgeteilt habe, wer am Abend spielt: „Mia und Napoli“. Das Erstaunlichste an diesem hochmusikalischen Italien-Potpourri aber ist zunächst, dass Gerhard Polt von keinem einzigen Mitglied der Familie Well begleitet wird, sondern von Freunden aus seiner zweiten Heimat „Bella Italia“. Das Duo Raffaello Converso & Edo Puccini sind die „zwei kleinen Italiener“ aus Neapel, die schmachtende Lieder in ihrem schwer bis gar nicht verständlichen Dialekt singen und manchmal ihrerseits etwas ratlos aussehen, wenn der Saal bebt, weil Polt vom „Löschwinter Kare seiner Oidn“ erzählt: „Die bleede Amsel, die ghört mit da Scheißbirschtn nausghaut“.
Canzoni von Liebe und kleinen Meeresschnecken singt Fabiola Schiavulli aus Apulien, die in ihrer neuen Formation „Caffé Corretto“ von der Cellistin Anne Braatz, dem Gitarristen Thomas Berchthold und dem Percussionisten Gerd Nitzl begleitet wird. Schließlich greift auch Stefan Merki, der Texte von Heine und anderes Literarisches beiträgt, noch zum Saxofon. Und wenn dann dieser Abend, der auf wundersame Weise auch ein bisschen „Pizza con tutto“ ist, standesgemäß mit „O sole mio“ zu Ende geht, schmettern sowieso alle mit.