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Geretsried: “Eine Schule muss mitten im Geschehen sein” – Bad Tölz-Wolfratshausen | ABC-Z

Das geplante private Sportgymnasium bewegt die Geretsrieder. Das hat die Bürgerversammlung am Donnerstag, die ganz in dessen Zeichen stand, deutlich gezeigt: Bis zu 150 Menschen drängten sich in der Mensa der Karl-Lederer-Schule, rund ein Viertel von ihnen musste mangels Sitzgelegenheiten während der gesamten dreistündigen Veranstaltung stehen. Trotz geballter Emotionen auf engstem Raum blieb die Versammlung dank straffer Organisation jedoch erfreulich neutral. Sowohl die Vorhabenträger der Sportschule München Süd, die südlich des Hallenbads bauen will, als auch die Interessengemeinschaft (IG) Wald, die 4700 Unterschriften gegen den geplanten Standort gesammelt hat, legten Wert auf Sachlichkeit. Wenn es eine große Bühne gab, dann höchstens für die frischgebackene Umweltpreisträgerin Therese Harth, die unbedingt beweisen wollte, dass sie bereit sei, sich für „die Zukunft Geretsrieds auf den Kopf zu stellen“ – was sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters ohne viel Federlesens in die Tat umsetzte, dazu schnell mal die Schuhe auszog und zur großen Belustigung des Publikums die passende Turnübung vorführte.

Eine der großen Fragen, die die Bevölkerung beschäftigt, ist, warum es für die neue Privatschule eigentlich keinen anderen Standort geben soll als den südlich des Hallenbads. Darauf ging Stadtbaurat Rainer Goldstein gleich anfangs ein. Mit Verweis auf den Flächennutzungsplan und das Stadtleitbild erklärte er, dass es der Stadt an Gemeinbedarfsflächen mangele. Weil aber die künftige dritte Grundschule (die im Bereich Jahnstraße vorstellbar wäre) und Kitas Vorrang hätten, blieben für eine weiterführende Schule lediglich drei Grundstücke übrig. Das Erste wäre der Waldpark in Stein, der jedoch als innerstädtische Erholungsfläche erhalten bleiben soll. Das Zweite wäre die Fläche vom alten Hallenbad, die aber zu klein für ein solches Vorhaben ist. Damit bleibt als stadteigenes Grundstück nur noch der Standort südlich des neuen Hallenbads.

Stadtbaurat Rainer Goldstein erklärt, dass der Standort alternativlos sei. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Eine Schule irgendwo auf der grünen Wiese zu bauen, hält Goldstein für zwecklos. Eine solche Einrichtung müsse an das Busnetz angebunden und „mitten im Geschehen“ sein, erklärte er. Auch Flächen bei der Böhmwiese scheiden für ihn wegen der zeitlichen Unwägbarkeiten um die S-Bahn-Realisierung und die Verlegung der B 11 aus. Der Stadtbaumeister ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Rodung von 0,6 Prozent des städtischen Walds für das Projekt für vertretbar hält – mit dem interessanten Argument, dass die insgesamt sehr waldreiche Stadt ohne Zutun von außen und quasi von allein nach und nach mit Bäumen zuwachse.

Die IG Wald, die den Bürgerentscheid gestartet hat, sieht das naturgemäß ganz anders und erläuterte ihr Anliegen, den Wald zu retten. Sprecher Thomas Laumont ließ keinen Zweifel daran, dass er das geplante, sich als ökologisches Vorzeigeprojekt gebende Vorhaben sowie die Ausführung von Stararchitekt David Libeskind eigentlich befürwortet. Aber eben nicht an dieser Stelle, wo eine Rodung von bis zu 20 000 Quadratmetern befürchtet wird. „Die Erbsünde der Rodung von so viel Wald kann nicht wiedergutgemacht werden“, erklärte er unter Applaus. Laumont sieht noch ein weiteres großes Problem, „das bislang viel zu wenig angesprochen worden ist“: die soziale Unverträglichkeit einer Privatschule, die Schulgebühren erhebt. Große Spannungen seien erwartbar bei „Kinder aus sehr geldigen Familien in Nachbarschaft zu Kindern aus Familien aus anderen sozialen Verhältnissen“. Thomas Sichert ging dann in seinem Beitrag auf das zu erwartende Verkehrschaos durch die künftig bis zu 770 mehr Schüler und Lehrer ein und forderte ein Verkehrssicherheitskonzept. „Wir haben doch jetzt schon morgens chaotische Verhältnisse auf der B 11 und der Adalbert-Stifter-Straße.“

Ute Hennekes, Projektleiterin der Sportschule, verweist auf den frühen Unterrichtsbeginn um 7 Uhr. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mit dem Stundenplan möchte Schul-Projektleiterin Ute Hennekes solche Bedenken entkräften. „Die Schule beginnt schon um 7 Uhr“, erklärte sie zur allgemeinen Überraschung. Denn für die jungen Sportler seien ein frühes Training und ein gemeinsames Frühstück vor dem Unterricht normal. Eine Schule gehöre ins Zentrum einer Stadt, nicht „draußen aufs Feld“, unterstrich sie erneut. Damit könne auch die Öffentlichkeit profitieren, beispielsweise mit einer allgemein zugänglichen Cafeteria oder mit Yogastunden.

Zuvor hatte sich Schulträger Florian Kurrle vorgestellt. Er sei keinesfalls eine „Heuschrecke, die aus München kommt“, sondern verwies auf seine Erfahrung als Inhaber einer Privatschule in der Region, die seit der Gründung vor fast 100 Jahren erfolgreich von seiner Familie geleitet werde. Dieses „positive Miteinander“ wolle er nun auch gern in Geretsried wiederholen, mit dem Schwerpunkt Sport und einem modernen Schulmodell, das den Kindern mehr Freiraum und Individualität lasse. Die Schule solle keine Eliteschule sein, sondern grundsätzlich „offen für jeden“. Dass Schulgebühren „ein Thema“ seien, sei ihm bewusst. Eine gemeinnützige Schule sei jedoch strengsten Auflagen zur Verwendung der Gelder unterworfen. „Ich stelle mir damit keinen Rolls Royce in die Garage“, sagte er. Die Schulgebühren würden nach Einkommen gestaffelt, dazu kämen auch geförderte Plätze. Auf genaue Zahlen mochte Kurrle sich jedoch nicht festlegen.

Park und Schule statt Wald: Das geplante Sportgymnasium zeigt sich in den ersten Visualisierungen des Studios Libeskind dennoch sehr grün. (Foto: Studio Libeskind)

Nach den Stellungnahmen gab es Raum für Fragen aus dem Publikum. Dabei ging es erneut um den Standort, die Ausgleichsflächen für eine Rodung und auch um die Finanzierbarkeit des Projekts. Auf vieles gibt es wegen des Frühstadiums der Planung noch keine genaue Antwort. Es kamen auch Verständnisfragen zum Konzept des Sportgymnasiums. Dazu erläuterte Schulträger Kurrle, dass die Schule vor allem ein allgemeines „Athletiktraining“ zur Unterstützung der Schüler anbiete, die sich schon für eine Sportart entschieden haben, aber keine Einzeldisziplinen wie Tennis oder Eishockey unterrichte. Sportlich gerierte sich auch Bürgermeister Michael Müller (CSU) bei seinem Abschlusswort. Zu Ratsbegehren und Bürgerentscheid am 24. November sagte er: „Am Ende gibt es eine Entscheidung, und so, wie sie ausgeht, ist es dann auch.“

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