„Gepflegte Herrenwitze machen mich meschugge“ | ABC-Z
Er ist ein Kind des Rhein-Main-Gebiets, zumindest ging er in Darmstadt zur Schule. Längst jedoch wohnt Matthias Matschke, wie es sich für einen deutschen Schauspieler gehört, in Berlin. Der Sechsundfünfzigjährige spielte in zahlreichen Komödien und Comedy-Serien mit, 15 Jahre lang etwa in „Pastewka“ als Bastians Pastewkas Halbbruder Hagen. Nun ist er in der zweiten Staffel der ZDF-Fernsehserie „Der Palast“ zu sehen. Hier erklärt er, was man tun muss, um Berlin zu verstehen, und weshalb man sich manchmal zum Voyeurismus zwingen sollte.
Was essen Sie zum Frühstück?
Veganes Porridge mit Blaubeeren, manchmal mit gerösteten Nüssen. Wenn ich fleißig bin und sie selbst im Ofen röste, dann gibt’s diese „Ernte“ am nächsten Tag. Und immer einen doppelten Espresso.
Wo kaufen Sie Ihre Kleidung ein?
Ich kaufe sehr selten Kleidung ein und nutze mittlerweile Vinted, eine App, mit der ich sie gebraucht kaufen kann. Nur wenn ich einen festlichen Anzug will, dann gehe ich zu Herr von Eden in Berlin.
Was ist das älteste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?
Ein Touristen-T-Shirt von den Niagara-Fällen, das mein Cousin getragen hat und das ich geerbt habe, als ich fünf Jahre alt war. Das ist mindestens 50 Jahre alt. Ich kann mich davon nicht trennen. Das zweitälteste Stück ist mein Abi-T-Shirt vom Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt, das ist von 1988.
Wann haben Sie zuletzt handschriftlich einen Brief verfasst?
Ich schreibe viel digital. Ich brauche das Ausformen meiner Gedanken durch das Aufschreiben. Aber das sind höchstens Briefe an mich selbst. Einen richtigen Brief schreibt man ja absurderweise meistens, um zu kondolieren oder sich zu entschuldigen. Gott sei Dank musste ich das lange nicht.
Welches Buch hat Sie im Leben am meisten beeindruckt?
„Roman eines Schicksallosen“ von Imre Kertész. „Lügen in Zeiten des Krieges“ von Louis Begley hätte ich auch sagen können. In beiden Büchern geht es um Kinder, die den deutschen Faschismus erfahren. Bei Kertész ist es ein ungarischer Jude, und alles beginnt mit dieser komischen Formalität. Dieses Beiläufige, das dann über Schicksale entscheidet, das hat mich stark beeindruckt.
Wie informieren Sie sich über das Weltgeschehen?
Ich lese den „Tagesspiegel“ von vorne bis hinten. Als – jetzt – Berliner kann man nur an dieser Stadt teilnehmen, wenn man weiß, was sie bewegt. Auch schaue ich, wenn ich noch wach bin, die „Tagesthemen“. Und ich bewege mich aktiv auf Instagram.
Was ist Ihr bestes Smalltalk-Thema?
Was ist Smalltalk noch mal? Ich glaube, ich kann mich sehr gut und lange übers Segeln unterhalten. Ich kenne mich da nicht wirklich aus, ich habe nur ein kleines, acht Meter langes Boot, aber ich kann darüber reden, wie man navigiert, was mich daran fasziniert, und ich kann andere begeistern, sogar Nichtschwimmer.
Bei welchem Film haben Sie zuletzt geweint?
Bei „In Liebe, Eure Hilde“. Das war ein Film, über den man zwei Tage später noch nachdenkt und mit den Figuren verhandelt, vor allem über das Spiel meiner Kollegin und Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries. Aber natürlich spielen alle gut.
Überhaupt nicht. Das finde ich völlig sinnlos. Auch wenn es im Theaterschauspiel verbreitet ist, zum Beispiel im Kostüm rauszugehen oder privat eine bestimmte Sache zu machen. Meine Großmutter war da auch gut drin, ganz viel norddeutscher Klabauter. Aber da mache ich nicht mit, ich habe so schon genügend Stress.
Worüber können Sie lachen?
Über Situationen. Absurditäten, ob nun psychischer oder wortbasierter Natur. Über Menschen, die was versuchen, inklusive mir. Das grandiose Scheitern. Meine Art Humor ist ein Programm von Ruedi Häusermann, einem Schweizer Theaterkünstler: „Das Beste aus: Menschliches Versagen“. Und ich hasse Witze, gepflegte Herrenwitze machen mich meschugge.
Ich möchte die aus meiner Familie nicht sagen. Aber ich finde Karmel schön und Ephraim.
Machen Sie eine Mittagspause?
Ja, ich esse richtig. Und ich schlafe – nicht weniger als zwölf Minuten und nicht mehr als 15. Ein Freund hat das von einem Geschäftspartner in Vietnam gelernt. Man muss das trainieren, aber man geht danach ganz anders in den Nachmittag rein.
In welchem Land würden Sie gerne leben?
Darf ich nur eins nennen? An sich ist unser Planet, wenn wir ihn mit Klimaschutz und Demut behandeln, das schönste Land, das man sich vorstellen kann. Ich mag auch Deutschland wirklich. Ansonsten bin ich aktiver Italien-Bereisender und spreche die Sprache. Ich liebe Griechenland. Und meine großen Sehnsuchtsorte sind Neuseeland und die Fidschi-Inseln.
Was fehlt nie in Ihrem Kühlschrank?
Mandelmus. Wenn das nicht da ist, kann ich echt ungemütlich werden. Am liebsten mache ich Mandelmus oder Tahini auf Rosenkohl, dazu geröstete Kartoffeln, süß oder nicht, und Karottenstreifen.
Fühlen Sie sich mit oder ohne Auto freier?
Ohne! Ich bin aktiver Fahrradfahrer und Besitzer eines Deutschlandtickets. Für mich fühlt es sich schon falsch an, meine 92 Jahre alte Mutter zu fahren. Und das sage ich als Sohn eines autovergötternden Diplom-Ingenieurs. Wir müssen zu den Zeiten passen, nicht die Zeiten zu uns. Es ist Hybris zu denken, dass wir die Mobilität der Siebzigerjahre einfach beibehalten können.
Was ist Ihr größtes Talent?
Ich glaube: Voyeurismus. Ich kann unheimlich gut zugucken, immer und überall. Ich habe früher gerne in Kaufhäusern oder Restaurants gesessen, da sitzen Omis, da kommen die Jungen vorbei, einfach die Gesellschaft. Wenn man auch die toten Momente akzeptiert und das Handy weglegt, hat man da erlebnisreiche Nachmittage.
Was tun Sie, obwohl es unvernünftig ist?
Ich kaufe zu viele Frühstücksschälchen, die finde ich so schön. Das ist in meiner Familie ein Running Gag. Manchmal hat man Glück, und eine geht kaputt. So viele Menschen wie Frühstücksschälchen kann ich gar nicht beherbergen, das wäre halb Berlin.
Welcher historischen Person würden Sie gerne begegnen?
Den Marx Brothers, Alexander dem Großen, Wallenstein und Dietrich Bonhoeffer, aus unterschiedlichen Gründen. Aber das Problem ist: Don’t meet your idol. Man wäre nur schockiert von der Echtheit der Menschen, was einem gefällt, ist ja die Projektion. Am liebsten niemandem, das ist die ehrlichste Antwort.
Tragen Sie Schmuck? Und eine Uhr?
Schmuck nein, eine Uhr ja. Für den täglichen Gebrauch ist es eine Apple Watch, damit ich so tun kann, als hätte ich meinen Körper voll im Griff. Aber das finde ich auch ein bisschen beängstigend. Ansonsten habe ich noch eine Uhr von Swiss Military und eine Citizen-Uhr von meinem Vater. Die trage ich nur an Festtagen.
Haben Sie einen Lieblingsduft?
Bergamotte. Ich weiß nicht, woher das kommt, bestimmt hat eine Frau mal danach gerochen, in die ich verliebt war.
Was war Ihr schönstes Ferienerlebnis?
Ich bin einmal mit dem Auto von San Francisco nach New York gefahren, das war die beeindruckendste Reise meines Lebens. Und vor einem Jahr war ich in Tigray in Nordäthiopien, das hat mich sehr betroffen gemacht. Urlaub ist für mich immer Reise. Ich bin gerne auf einer griechischen Insel, die niemand kennt, das soll auch so bleiben. Da reise ich jeden Sommer hin, wenn ich kann.
Auf welchem Konzert waren Sie zuletzt?
Bei der Band Kronthaler, im Mai in Turin.
Was fehlt Ihnen zum Glück?
Nichts. Glück ist Verhandlungssache. Was sollte mir fehlen? Glück ist eine Entscheidung, das ist ja das Verrückte, es ist relativ und subjektiv. Glück ist harte Arbeit. Das soll nicht überheblich klingen gegenüber Menschen, die depressiv sind, ich weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, depressiv zu sein. Aber ich glaube auch nicht, dass das Gegenteil von Glück Depression ist.
Was trinken Sie zum Abendessen?
Wasser mit Kohlensäure. Bier trinke ich immer wieder mal, aber ich versuche es zu vermeiden.