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Georgien: Ehemaliger Fußballprofi Kawelaschwili zum Präsidenten gewählt – Politik | ABC-Z

Plötzlich stand dieser kleine Zug vor ihrem Palast. Ein paar kurze Waggons mit roten Dächern, die noch geschmückt werden dürften für die Weihnachts- und Neujahrszeit. Die Präsidentin von Georgien sieht darin ein Symbol. „Sie haben den Zug vor den Orbeliani-Palast gestellt … nun, mal sehen, wer mitfährt“, schrieb Salome Surabischwili auf Facebook. Sie weiß, dass die Regierungspartei sie jetzt loswerden will. Aber die Staatschefin möchte bleiben.

An diesem Samstag fand in Georgien eine Präsidentschaftswahl statt. Die Amtszeit von Amtsinhaberin Surabischwili läuft Ende Dezember aus. Doch auch diese Abstimmung war Teil eines seit Monaten andauernden Machtkampfes in dem Kaukasus-Staat. Zum ersten Mal wurde der Präsident jetzt nicht direkt von der georgischen Bevölkerung gewählt, sondern von einer Wahlversammlung aus 300 Personen. Ihr gehören die 150 gewählten Parlamentsabgeordneten an sowie 150 Vertreter aus georgischen Regionen.

Ein früherer Profifußballer war der einzige Kandidat

Wie das Ergebnis ausfallen würde, war bereits klar, denn es gab nur einen Kandidaten: 224 Mitglieder der Wahlversammlung stimmten für Micheil Kawelaschwili, ein ehemaliger georgischer Fußballprofi und Nationalspieler. Er hat den Rückhalt der Regierungspartei Georgischer Traum, die derzeit als einzige Partei im Parlament sitzt, weil alle anderen es boykottieren. Die Opposition nahm auch an dieser Wahl nicht teil. Als Kawelaschwili vor zwei Wochen nominiert wurde, sagte Georgiens mächtigster und reichster Mensch, der Chef der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili: „Er ist die Verkörperung des georgischen Mannes, ein wundervoller Ehemann und Vater von vier Kindern.“ Für die Opposition dagegen ist der 53 Jahre alte Kawelaschwili vor allem ein konservativer Hardliner, ein Gegner des liberalen Westens. Sie sehen in ihm ein Symbol für den antieuropäischen Kurs der Regierung.

Die vier Bündnisse der Opposition hatten bereits zuvor angekündigt, dass sie die Abstimmung am Samstag nicht anerkennen werden. Drei von ihnen forderten stattdessen in einer gemeinsamen Erklärung, dass die Parlamentswahl vom 26. Oktober wiederholt werden müsse, damit die Machtkrise in Georgien beendet werden könne. Bei der Parlamentswahl hatte Georgischer Traum entgegen der meisten Umfragen deutlich gewonnen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach hinterher von einem Klima der Einschüchterung, Stimmenkauf und Wahlbetrug. Auch die noch amtierende Präsidentin Surabischwili akzeptiert das Ergebnis nicht, sie fordert innerhalb eines Jahres eine Neuwahl. Die Präsidentenwahl an diesem Samstag erkennt sie ebenso wenig an, weil aus ihrer Sicht die Voraussetzung fehlt: ein legitimes Parlament. Sie will deshalb am 29. Dezember nicht aus ihrem Orbeliani-Palast in Tiflis ausziehen.

Tausende demonstrieren täglich vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tiflis. Sie wollen, dass Georgien weitergeht auf dem Weg zum EU-Beitritt. (Foto: Pavel Bednyakov/dpa)

Surabischwili, 72, hat sich seit Langem auf die Seite der georgischen Protestbewegung gestellt, die vor mehr als einem Jahr begonnen hatte und seitdem mehrere Wellen erlebt hat. Die bisher letzte begann vor etwas mehr als zwei Wochen, als Ministerpräsident Irakli Kobachidse erklärte, dass Georgien bis Ende 2028 keine Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union führen werde.

Seitdem demonstrieren in Tiflis täglich Tausende Menschen vor dem Parlamentsgebäude am Rustaweli-Boulevard. Sicherheitskräfte lösten Entsetzen aus, weil sie immer wieder mit Gewalt gegen Demonstrierende vorgingen. Die Organisation „Transparency International Georgia“ berichtete von mehr als 460 Festnahmen, mehr als 300 Menschen seien Opfer von Folter oder überzogen harter Behandlung während der Haft geworden, 80 in ein Krankenhaus gebracht worden.

Das Präsidentenamt bedeutet keine sehr große Machtbefugnis. Als sich Surabischwili weigerte, das umstrittene „Transparenzgesetz über ausländischen Einfluss“ zu unterzeichnen, setzte es stattdessen der Parlamentspräsident mit seiner Unterschrift in Kraft. Der Sieg von Micheil Kawelaschwili festigt vermutlich dennoch die Macht des Regierungslagers.

Für die amtierende Präsidentin Salome Surabischwili dagegen könnte eine lange diplomatische und politische Karriere zu Ende gehen. Sie hat georgische Vorfahren, wurde jedoch in Paris geboren und war jahrzehntelang französische Staatsbürgerin. Sie war Diplomatin in Washington, Brüssel, Rom, Wien und bei den Vereinten Nationen in New York. In ihrer Zeit als Frankreichs Botschafterin in Tiflis wurde sie abgeworben und wurde, kurios, als Französin Außenministerin von Georgien. Ihren französischen Pass musste sie erst für das Präsidentenamt abgeben. Das war es ihr wert.

Surabischwili wollte Georgien in die EU führen. Und sie gibt dies noch nicht auf. Die proeuropäischen Demonstranten stellen sich dafür hinter sie, die Regierung dagegen verhöhnt sie. Die Abgeordnete Nino Tsilosani sagte, die „radikale Opposition“ versammle sich hinter einer Präsidentin, die nur noch einige Tage in einer symbolischen Position sei. Die Polarisierung geht weiter.

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