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Bad Tölz: Posthumer Staatsempfang für Thomas Mann – Bayern | ABC-Z

Es ist eine Premiere an diesem Freitagabend im vornehmen Kurhaus von Bad Tölz. Zum ersten Mal ehrt die bayerische Staatsregierung einen Schriftsteller mit einem Staatsempfang, wenngleich Kunstminister Markus Blume (CSU) die Bedeutung des hochtrabend klingenden Wortes herunter dimmt: Staatsempfang, das heiße im Grunde, dass es nach der Veranstaltung was zum Essen und zu Trinken gibt, stellt er klar.

Dennoch ist der Festakt zum 150. Geburtstag von Thomas Mann schon allein deshalb etwas Besonderes, weil er in Bad Tölz stattfindet und nicht etwa in München. Das liegt zum einen daran, dass der Literaturnobelpreisträger hier zwischen 1909 und 1917 mit seiner Familie die Sommermonate verbrachte. In Tölz arbeitete er unter anderem am „Zauberberg“ und an „Tod in Venedig“.

Insofern ist es weit mehr als Kulturmarketing, dass Bad Tölz dem Schriftsteller ein eigenes Literaturfestival und einen Thomas-Mann-Themenweg widmet. Im Stadtmuseum ist überdies die Nachbildung seines Arbeitszimmers aus originalgetreuen Filmrequisiten zu sehen. Das hat auch auf den Kunstminister Eindruck gemacht: „Hier hat man verstanden, was man an Thomas Mann hat“, lobt Blume die Bemühungen der Stadt und ernennt den Schriftsteller posthum zu „Bayerns größtem Literaturbotschafter“ und „Bayerns größtem Weltbürger“. An der Stelle könnte man freilich einwenden, dass Thomas Mann in Lübeck zur Welt kam und nicht unbedingt der leutselige Typ war, der den Kontakt zum einfachen Volk suchte.

In Tölz jedenfalls, dessen ländlichen Frieden er schätzte, hielt der Großbürger und Großschriftsteller Abstand zu den Einheimischen, auch wenn seine Kinder im Klammerweiher planschten. Das Sommerhaus der Familie am nordwestlichen Stadtrand ist bis heute weitgehend im Originalzustand erhalten. Allerdings kann es nicht besichtigt werden, weil darin seit 1926 die Armen Schulschwestern residieren. Thomas Mann selbst bezeichnete sein Domizil als „Herrensitzchen“, aus heutiger wie damaliger Sicht eine starke Untertreibung.

Der Zauberberg im Oberland: Die Thomas-Mann-Villa in Bad Tölz ist noch original erhalten.
Der Zauberberg im Oberland: Die Thomas-Mann-Villa in Bad Tölz ist noch original erhalten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Jahr 1917 verkaufte er die Villa, weil sie ihm für die Familie mit vier heranwachsenden Kindern als zu klein erschien. Das Tölzer Kapitel endete damit für Thomas Mann. Er sollte nie wieder dorthin zurückkehren. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk bei seinem ersten Besuch in Deutschland nach dem Krieg im Jahr 1949 erklärte Mann dem Reporter, er habe lieber darauf verzichtet, seine früheren Wohnorte in München und Tölz zu besuchen.

Der Schmerz des Wiedersehens wäre für ihn wahrscheinlich zu groß gewesen. In der Feierstunde geht es freilich weniger um die Würdigung eines berühmten Sommerfrischlers im bayerischen Oberland. Im Mittelpunkt steht Thomas Manns Eintreten gegen den Nationalsozialismus, das anhand zweier Briefe verdeutlicht wird, die der Schauspielspieler Thomas Loibl vorträgt. Sie belegen, wie klar und geradezu hellsichtig Mann von seinem Exil aus mit dem Wahnsinn des Nationalsozialismus abrechnete. „Sinn und Zweck des nationalsozialistischen Staatssystems ist einzig der und kann nur dieser sein: das deutsche Volk unter unerbittlicher Ausschaltung, Niederhaltung, Austilgung jeder störenden Gegenregung für den kommenden Krieg in Form zu bringen (…)“

Diese Zeilen stammen aus einem Brief, den Mann am 1. Januar 1937 an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Uni Bonn richtete. Kurz zuvor waren Mann die deutsche Staatsbürgerschaft und die Ehrendoktorwürde entzogen worden. Der sieben Schreibmaschinenseiten lange Text fand internationale Verbreitung, wie später auch seine 59 Radioansprachen, die er zwischen 1940 und 1945 für die BBC an die Deutschen hielt.

Manns prophetische Warnungen vor dem Krieg und der totalen Niederlage verhallten. Wie es ihm damit erging, beschrieb er in einem Brief an den Schriftsteller Walter von Molo, der ihn im August 1945 zur Rückkehr nach Deutschland aufgefordert hatte. Thomas Mann antwortete ihm mit einem eindeutigen Nein und machte Molo – der für sich selbst die „Innere Emigration“ in Anspruch nahm – überdies klar: Der in Deutschland zwischen 1933 und 1945 erschienen Literatur hafte der „Geruch von Blut und Schande“ an, sie solle deshalb eingestampft werden.

Thomas Mann, den das „Herzasthma des Exils“ und die „Schrecken der Heimatlosigkeit“ gezeichnet hatten, kam später nur noch besuchsweise zurück in seine alte Heimat. Sein Lebensweg erinnert darin stark an einen anderen großen Literaturbotschafter Bayerns: an Oskar Maria Graf, der ebenfalls aus seinem Exil in den USA nicht mehr zurückfand. „Sie können sich also vorstellen, wie sehr ich begreife, wenn Sie zögern nach Deutschland zu gehen“, schrieb Graf im März 1949 an Mann. Letzterer wäre vielleicht auch mal einen posthumen Staatsempfang wert, nachdem Grafs Begrüßung „1958 in München“ so schäbig ausgefallen war.

Es ist jedenfalls nie zu spät dafür, das hat die Würdigung Thomas Manns in Bad Tölz durchaus eindrucksvoll gezeigt.

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