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“Gemeinsam das Land gerockt”: Bauernchef Rukwied nach Attacken auf Ampel wiedergewählt | ABC-Z


“Gemeinsam das Land gerockt”

Bauernchef Rukwied nach Attacken auf Ampel wiedergewählt

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Die deutschen Landwirte kommen zu ihrem Branchentreffen zusammen. Nach den Protesten im Frühjahr hat die Ampel wie zugesagt ein Hilfspaket geschnürt – erwartungsgemäß reicht das den Landwirten nicht. Verbandspräsident Rukwied signalisiert aber in Teilen Zustimmung.

Bauernpräsident Joachim Rukwied pocht weiter auf Kurskorrekturen in der Agrarpolitik der Ampel und fordert zusätzliche Erleichterungen für die Landwirte. “Wir brauchen endlich eine Agrarpolitik für unsere Unternehmen und nicht gegen unsere Unternehmen”, sagte er zum Auftakt des Deutschen Bauerntags in Cottbus. Ein Entlastungspaket der Koalition sei “lediglich ein Päckchen und Lichtjahre entfernt von dem, was notwendig ist”. Der Verband forderte die Rücknahme geplanter Vorgaben beim Düngen und für Pflanzenschutzmittel.

Rukwied machte deutlich, dass sich die Landwirte nach der wochenlangen Protestwelle vor einigen Monaten mit gestärktem Selbstbewusstsein zu Wort melden. Mit den Aktionen im Winter hätten die Bauern “gemeinsam das Land gerockt” und die Ernährungssicherung und Zukunftsfragen der Landwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Dabei hätten sie auch unter Beweis gestellt, dass sie zur Demokratie und zum gemeinsamen Europa stehen.

Nach seiner Rede wurde der 62-Jährige von den Delegierten mit großer Mehrheit für weitere vier Jahre als Präsident bestätigt. Er steht dem Verband seit 2012 vor. Er konnte 409 der 482 abgegebenen Stimmen der Delegierten auf sich vereinen. 58 Delegierte stimmten gegen seine Wiederwahl, 15 enthielten sich.

Was den politischen Erfolg der Proteste angeht, machte Rukwied eine Unterscheidung. Da ist zum einen die EU mit ihrem großen Markt, gemeinsamen Regeln und der milliardenschweren Agrarfinanzierung. In Brüssel hätten die europäischen Bauern bewirkt, dass sich die Agenda geändert habe, etwa mit Lockerungen bei Umweltvorgaben zu Brachflächen. In Berlin hingegen habe man “offensichtlich die Botschaften nicht verstanden”, wetterte Rukwied. “Den agrarpolitischen Kompass hat die jetzige Bundesregierung bis dato nicht gefunden.”

“Gehen mit – aber kein Hurra”

Daran ändert auch ein Maßnahmenpaket nichts, das die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP noch kurz vor dem Bauerntag verkündeten. Ein Teil der Vorhaben soll wie zugesagt noch im Sommer besiegelt werden. Rukwied sagte, damit endlich ein erster kleiner Schritt erfolge, habe man signalisiert, diesen Weg mitgehen zu können. “Wenn die Politik aber jetzt erwartet hat, dass wir Hurra schreien, dass wir sagen, Ihr habt es toll gemacht – sorry, das können wir nicht.”

Für extra Unmut in der Branche sorgen geplante weitere Vorgaben etwa auch in der Tierhaltung – zum Beispiel beim Kürzen der Ringelschwänze von Ferkeln. Wenn das so komme, werde “dem letzten Schweinehalter das Licht ausgeknipst”, sagte Rukwied und verwies auf ein bereits starkes Schrumpfen in vergangenen Jahren.

Am Morgen hatte das Statistische Bundesamt mitgeteilt, dass zum Stichtag 3. Mai in Deutschland 20,9 Millionen Schweine gehalten worden seien – 1,3 Prozent als im November und sogar ein Viertel weniger als vor zehn Jahren. Die Zahl der Betriebe ging im Mai verglichen mit November um 3,2 Prozent auf 15.700 zurück. Im Zehnjahresvergleich waren es um 42 Prozent weniger. Damit zeigte sich auch: Der Trend zu größeren Betrieben hält an.

Debatte um Fleischpreise

Der Bauernpräsident betonte zugleich, dass für die Landwirtschaft Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt wichtige Leitplanken blieben. Erreicht werden müsse das aber über Anreize und neue Technologien, nicht durch Verbote. Rukwied beklagte, dass die Koalition weiterhin keine Beschlüsse für eine dauerhafte Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung zu höheren Standards zustande gebracht hat. Er bekräftigte auch das Einverständnis dazu, dass die Mehrwertsteuer auf Fleisch dafür von bisher ermäßigten sieben Prozent um zwei oder drei Punkte erhöht werden könnte – aber nicht auf den vollen Satz von 19 Prozent, damit auch einkommensschwächere Familien weiterhin Fleisch und Wurst kaufen könnten.

FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker wies Branchenforderungen nach steigenden Lebensmittelpreisen zurück. Sie seien infolge der Inflation bereits deutlich gestiegen. “Hochwertige Lebensmittel müssen für die breite Bevölkerung bezahlbar bleiben.” Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte, dass die Koalition eine Besserstellung der Landwirte im Verhältnis zur Marktmacht der Supermärkte anstrebe. Dass der Bauernverband bei nötigen Verbesserungen der Regeln zum Tierschutz pauschal von “nicht praktikablen Vorgaben” spreche, werfe aber die Frage auf, womit Agrarsubventionen auf Dauer zu rechtfertigen sind.

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