Kultur

Gema-Reform : Money, Money, Money | ABC-Z

Abgesehen davon, dass einem das deutsche Antragswesen bisweilen Freudentränen in die Augen treibt, geht es hier – um alles. Um die Zukunft des öffentlichen Musiklebens in seiner Fülle und Vielgestaltigkeit. Um Taylor Swift gegen Anne-Sophie Mutter (sofern sie neueres Repertoire spielt), um Open-Air-Konzerte auf dem platten Land gegen glitzernde Elbphilharmonien, um Alt gegen Jung, “U” gegen “E”, saturiert gegen experimentell und hinter den Kulissen: um einen Gesinnungsstreit, der mit harten Bandagen geführt wird. Es geht um sehr viel und sehr trockenen Stoff: Punktesysteme, Schutzfristen, Wertungen, Ausschüttungen, Inkassos und dergleichen mehr. Das alles zu durchdringen, ist mühselig. Es aber als Ausdruck des kulturellen Bewusstseins zu begreifen, als Bekenntnis zur Verschiedenartigkeit der Klänge und Töne und zur Frage, was sie uns künftig wert sein sollen oder dürfen, das könnte sich lohnen.

Auf dem Tisch liegt ein Brocken von beträchtlichem Gewicht: der Antrag 22a “zur Verteilung und Förderung für zeitgenössische Kunstmusik und Reform der kulturellen Förderung der Gema”. Insgesamt 60 Seiten – mit Tabellen, Paragrafen, Vorher-nachher-Vergleichen sowie den Neben- und Gegenanträgen 22b bis 22e. Mitte Mai soll auf der ordentlichen Mitgliederversammlung in München darüber abgestimmt werden, und schon ob alle alles gelesen und richtig verstanden haben, dürfte fraglich sein. Seit der Veröffentlichung des Antrags im Januar ist der Ton rau: Die einen sprechen von “Kettensägen” und “Abrissbirnen”, andere von “unterirdischer Kommunikation”, “Kulturzerstörung”, ja “Machtmissbrauch”. Und wieder andere fordern schlicht mehr Zeit, um das Dickicht der Unklarheiten zu lichten.

Die Gema selbst, in Gestalt ihres Aufsichtsratsvorsitzenden Ralf Weigand, verweist auf den wachsenden Druck internationaler Rechteinhaber wie Disney oder Warner, “von denen kommt das Geld”. Und darauf, dass sich “nicht nur” das “gesellschaftliche Ansehen” der sogenannten E-Musik stark verändert habe. “Nicht nur”, das klingt nach Feigenblättchen, denn im Zentrum der geplanten Reform steht E ziemlich alleine da. Der Begriff soll abgeschafft und durch die sperrige Formel “KUK” ersetzt werden: “Kunstmusik-Konzert”. Das liest sich nicht nur schrecklich, sondern weckt auch Assoziationen, die noch altertümlicher klingen (“kaiserlich und königlich”) als das ehrwürdige E. Wollten die Antragschreiber damit einen Scherz wagen?

Die Zeiten, in denen die einen zu Taylor Swift pilgerten und die anderen zur Uraufführung eines Streichquartetts, gehören der Vergangenheit an. Der Streichquartett-Komponist brauchte stets finanzielle Hilfe, um von seiner Arbeit leben zu können. Die braucht Taylor Swift nicht, zumindest nicht von der Gema. Das ist der springende Punkt. Von sämtlichen Einnahmen der Gema werden zehn Prozent für “soziale und kulturelle” Zwecke abgeführt, die “Soz-Kult-Abgabe” (die Gema hat eine Schwäche für Kürzel). Das soll vorerst auch so bleiben. Diese Summe X wiederum wurde bislang zu 70 Prozent auf U, zu 30 Prozent auf E umgelegt. Doch der Antrag sagt: Gemessen an den Beträgen, die E selbst in den Fördertopf einzahle, seien diese 30 Prozent “deutlich überproportional”. Es müsse ein “stärkerer Inkassobezug” hergestellt werden, “um dem Leistungsprinzip in der Verteilung gerecht zu werden”. Sprich: Her mit der Kohle, liebe E-Leute!

Wer viel bringt, kriegt also künftig noch mehr raus – und wer wenig bringt, kriegt weniger. Ohren auf bei der Berufswahl? Pech gehabt? Dabei machen offenbar nicht nur Disney, Warner und Co. Druck, indem sie die Kulturförderung der Gema infrage stellen (zehn Prozent mögen für Taylor Swift verschmerzbar sein, ein hübsches Sümmchen ist es allemal). Auch etliche U-Mitglieder mosern. Einige fragen sich bereits, ob es nicht lohnender sei, ihre Gema-Beiträge in Apple-Aktien zu stecken.

Richtig ist: Die 70:30-Verteilung stammt aus einer Zeit, in der die Inkasso-Unterschiede viel weniger dramatisch ausfielen. Eine Zeit, die keine Digitalisierung kannte, keine KI und keine industrielle Musiknutzung, vom Handyklingelton bis zur Gaming-Plattform. Von alldem profitiert U heute ungleich stärker als E. Hinzu kommt, dass die höheren E-Einkünfte sich lange aus den Urheberrechten namhafter Komponisten speisten. Die waren zwar tot, ihre “Rechtenachfolger” aber kamen in den Genuss einer 70-jährigen Schutzfrist. Viele dieser Fristen sind nun ausgelaufen (Schönberg, Strauss), und Künstler von vergleichbarer Weltgeltung sind kaum in Sicht, mit Ausnahme vielleicht von Arvo Pärt und György Ligeti. Ein Loch klafft.

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