Gegenwind für die Berliner Landestierschutzbeauftragte | ABC-Z
Mehr statt weniger Tauben?
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Gegenwind für die Berliner Landestierschutzbeauftragte
Mi 24.07.24 | 06:06 Uhr | Von
Erst bekam Kathrin Herrmann viel Unterstützung, nachdem ihr Budget drastisch gekürzt wurde. Doch nun melden sich Kritiker zu Wort, die wegfallenden Projekten nicht hinterhertrauern. Sogar ihr Posten wird in Frage gestellt. Von Sabine Müller
Am letzten Sitzungstag vor der Sommerpause versammeln sich am Abgeordnetenhaus einige Dutzend Menschen, viele mit Tiermasken, in einem Sarg tragen sie den Tierschutz in Berlin symbolisch zu Grabe. Erst seien die Befugnisse der Landestierschutzbeauftragten beschnitten worden, klagt Doreen Rothe vom Stadttaubenprojekt Berlin e.V., und jetzt habe die zuständige Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz ihr auch noch das Budget zusammengestrichen. “Mit diesem Geld wurde natürlich schon geplant, darauf haben sich Tierschützerinnen verlassen”, kritisiert Rothe.
Unerwähnt bleibt bei den empörten Demonstrierenden, dass im Zuge der schwarz-roten Haushaltsverhandlungen nicht “der Tierschutz” in Berlin pauschal zusammengestrichen wurde. Projekte wie das Tierheim oder die Tiertafel werden weiterhin auf gleichem Niveau finanziell unterstützt, die Senatsverwaltung verweist auf Nachfrage des rbb darauf, die zuständige Fachabteilung fördere in diesem Jahr “Projekte im Tierschutz mit 200.000 Euro”.
Was tatsächlich radikal zusammengekürzt wurde, sind die Mittel, über die Kathrin Herrmann als Landestierschutzbeauftragte persönlich verfügen kann. Hatte die rot-grün-rote Vorgängerregierung für dieses Jahr noch 401.250 Euro im Haushalt vorgesehen, sind unter der neuen Senatorin Felor Badenberg (CDU) nur noch 18.550 Euro übriggeblieben. Gestrichen wurden unter anderem hoch dotierte Tierschutzpreise und als größter Posten 200.000 Euro für Herrmanns Konzept zum Management der Berliner Tauben-Population. Während Doreen Rothe gerade diese Streichung bedauert, weinen viele Bezirke den Plänen keine Träne hinterher.
“Gravierende Fehler” und “nicht nachvollziehbar”
Bei einer Abfrage des rbb äußert die Hälfte der zwölf Bezirke Kritik an Herrmanns Konzept, das als zentrale Maßnahme die Einrichtung betreuter Taubenschläge vorsieht. In diesen sollen die Tiere kontrolliert gefüttert werden, ihr Kot entsorgt und Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden, um die Population zu reduzieren.
Das Konzept enthalte “gravierende fachliche, veterinärmedizinische, epizootiologische sowie ornithologische Fehler” und fördere die Straßentaubenbestände, statt sie zu reduzieren, schreibt der Bezirk Pankow. Auch Steglitz-Zehlendorf fürchtet, dass durch betreute Taubenschläge die “Anzahl der Tiere ansteigen würde”. Tempelhof-Schöneberg bewertet es unter Verweis auf Erkenntnisse des niedersächsischen Tierschutzbeirats genauso. Aufgrund dieser “fundierten Quelle” haben man sich schon im Sommer 2022 “gegen die Aufstellung von weiteren Taubenschlägen ausgesprochen”.
Auch Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte setzen das von Herrmann vorgeschlagene Stadttaubenkonzept aufgrund von “fachlichen Bedenken” nicht um und schreiben dem rbb wortgleich: “Ein populationsbiologischer Zusammenhang in Richtung einer nachhaltigen Reduktion der Gesamttierpopulation an Stadttauben wird in dem Konzept der Landestierschutzbeauftragten u.E. nicht nachvollziehbar dargelegt”. Der Bezirk Reinickendorf kritisiert, “isolierte Lösungsansätze auf Bezirksebene” seien nicht hilfreich und führten nur zu einer Verlagerung des Problems.
Herrmann: “Normal, dass nicht alle gleich begeistert sind”
Der Ruf nach einer berlinweiten Lösung kommt auch aus Bezirken wie Lichtenberg, die das Tauben-Konzept grundsätzlich positiv bewerten. Allerdings wird bemängelt, die Landestierschutzbeauftragte habe keine Vorsorge für personelle Ressourcen und Folgekosten der betreuten Taubenschläge getroffen. Lichtenberg könne das finanziell nicht stemmen.
Kathrin Herrmann selbst verweist darauf, aus Treptow-Köpenick, Hellersdorf-Marzahn und Spandau hätten konkrete Anträge für den Abruf von Geldern vorgelegen. Außerdem hätten “mehrere Taubenschutzvereine” geplant, Zuwendungsanträge für den Bau und Unterhalt von Stadttaubenschlägen zu stellen. “Hierfür hätten die vorgesehenen 200.000 Euro gerade ausgereicht und andere Bezirke hätten sich von der Wirkung überzeugen können”, schreibt Herrmann dem rbb. “Es ist doch normal, dass nicht alle gleich begeistert sind, wenn es darum geht, dass mehr Arbeit und Kosten auf die Bezirke zukommen.”
Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz teilte dem rbb mit, dass sie aktuell eine Überarbeitung des von der Landestierschutzbeauftragten 2023 erstellten Stadttaubenkonzepts überprüft. Dabei gehe es auch um Maßnahmen wie “Tierarzneimittel oder die Ansiedlung von natürlichen Fressfeinden”. Herrmann nennt diese Ansätze “nicht zielführend”.
Braucht Berlin überhaupt eine Landestierschutzbeauftragte?
Die Debatte über Kathrin Herrmann, ihr Budget und die Qualität ihrer Arbeit geht teilweise so weit, dass die Sinnhaftigkeit der Tierschutzbeauftragten grundsätzlich in Frage gestellt wird. Der Landesverband der Tierärzteschaft im Öffentlichen Dienst sieht die Arbeit der Amtstierärzte durch Herrmann “eher behindert” durch “Aussagen, die nicht der gängigen Auffassung von Tierschutz entsprechen”. Zudem sorge sie für zusätzliche Arbeit in den Veterinärämtern, zum Beispiel durch “ständige Nachfragen an die Stadträte oder das Einbringen von ihr initiierten ‘Bürgeranfragen’ bezüglich des Tauben-Managements”. Dafür seien Veterinärämter nicht zuständig.
Mit Blick darauf, wie Kathrin Herrmann ihren Job versteht, spricht die Verbands-Vorsitzende Cornelia Rossi-Broy von einer “Doppelstruktur”. Sie prognostiziert, wenn der Posten, so wie er jetzt ausgeübt wird, gestrichen würde, “würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Auswirkungen auf den Tierschutz in der Stadt haben, weil diesen ja die zuständigen Amtstierärzte umsetzen”.
Der Vorstand der Tierärztekammer Berlin wollte sich auf Anfrage nicht zur Debatte um Kathrin Herrmann äußern. Die Kammer sei “nicht der richtige Ansprechpartner” und kommentiere “interne Angelegenheiten der Senatsverwaltung nicht”. Der Vizepräsident der Kammer, Lutz Zengerling, teilte dem rbb aber in einem eigenen Statement mit, bei der Landestierschutzbeauftragten handele es sich “um eine Doppelstruktur zur eigentlichen Veterinärverwaltung, die nicht notwendig ist und zusätzliche Steuermittel verbraucht, die besser und wesentlich zielgenauer für den Tierschutz bei den Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämtern einzusetzen wären”.
Widerspruch kommt hier von der Senatsverwaltung: “Allein aufgrund der Vielfalt der Aufgaben ist eine Deckungsgleichheit mit anderen im Tierschutz tätigen öffentlichen Institutionen nicht erkennbar.” Herrmann selbst betont, anders als andere staatliche Stellen verfüge sie über “politische Unabhängigkeit und fachaufsichtliche Weisungsfreiheit, die es ermöglicht, die Belange unterrepräsentierter Gruppen unzensiert zur Geltung zu bringen”.
Finanzielle Unterstützung fließt nun andersherum
Über die Frage, ob Herrmann “weisungsfrei” arbeitet, streiten Landestierschutzbeauftragte und Verwaltung allerdings. Die Behörden-Vorgaben dazu sind offenbar klar, allerdings hatte Herrmann unter früheren Chefinnen und Chefs eine sehr lange Leine. Das hat Senatorin Felor Badenberg geändert.
Uneins sind die beiden Seiten auch, was mit dem radikal gekürzten Budget von 18.550 Euro für dieses Jahr machbar ist. Die Senatsverwaltung sieht Herrmann vor allem als Behörden-Beraterin und Ansprechperson für Bürgerinnen und Bürger und Tierschutzorganisationen. Dies sei auch mit dem jetzigen Etat möglich.
Kathrin Hermann dagegen trauert um viele Projekte, die ihr wichtig waren, darunter die Tierschutzpreise und Fortbildungskurse. Sie könne nun nur noch Veranstaltungen durchführen, “bei denen keine Kosten wie Sprecherhonorare, Catering oder Miete für Veranstaltungsräume anfallen”. Für manche Aufgaben hat Herrmann nach eigener Aussage inzwischen Sponsoren gefunden. So übernehme etwa der Tierschutzverein Berlin die Kosten für Sprecherinnen und Sprecher einer regelmäßigen Gesprächsrunde über Heimtiere und Fortbildungskurse für Amtstierärzte würden in Zukunft teilweise vom Verein TASSO gesponsert.
Herrmann kommentiert diese Entwicklung mit einer gewissen Ungläubigkeit: “Es ist also nun so, dass die Vereine die Arbeit der Landestierschutzbeauftragten finanziell unterstützen und nicht mehr umgekehrt.”
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.07.2024, 7:35 Uhr