Geflüchtete an EU-Ostgrenze in Polen: EU unterstützt Pushbacks | ABC-Z
Hintergrund ist die Lage an der Grenze von Belarus und Polen. Im Oktober hatte Polens Regierungschef Donald Tusk angekündigt, an der Ostgrenze das Asylrecht auszusetzen. Dort Ankommende könnten keine Asylanträge mehr stellen. Mit ihrer Stellungnahme stützt die neue Kommission nun demonstrativ dieses Vorgehen. Die Mitgliedstaaten dürften „alles Notwendige“ tun, um sich gegen „hybride Angriffe Russlands und Weißrusslands zu verteidigen“ und ihre „nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung und Souveränität zu schützen“, heißt es weiter in dem Kommissionspapier.
In der Region habe man es nicht mit Flüchtlingen zu tun, die sich spontan und zufällig dort eingefunden hätten, sagte Tusk im Oktober. „Diese Aktionen sind paramilitärisch organisiert, und wir beobachten zunehmend, dass in Syrien und im Iran Gruppen organisiert werden, die nicht nur für den illegalen Grenzübertritt ausgebildet werden, sondern auch für ein Verhalten, das wir in der Nato als gefährlich bezeichnen müssen.“ Es gebe ein ganzes System der Rekrutierung über russische und belarussische diplomatische Vertretungen in mehreren Ländern, sagte Tusk weiter.
Seit 2021 hat die Regierung in Minsk die Einreise für Menschen aus Asyl-Herkunftsländern erleichtert, damit diese in die EU weiterziehen können. Die polnische Grenzschutzbehörde schrieb am vergangenen Donnerstag, sie habe seit Jahresbeginn rund 30.200 versuchte Grenzübertritte registriert. Allerdings zählt sie offenbar wiederholte Versuche der gleichen Person mehrfach.
In Syrien und Iran würden Gruppen für den illegalen Grenzübertritt ausgebildet, so Tusk
Pro Asyl: Pushbacks „schon lange stillschweigend toleriert“
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex kommt auf wesentlich geringere Zahlen: Sie verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 insgesamt nur 6.725 irreguläre Grenzübertritte an der gesamten östlichen EU-Landgrenze, von Finnland bis Rumänien. 2023 wurden in Polen rund 9.700 Asylanträge gestellt – ein im EU-Vergleich äußerst niedriger Wert.
Die EU hatte als Reaktion auf die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze ursprünglich klare Regeln eingeführt. Für Fälle der „Instrumentalisierung“ von Geflüchteten war Ende 2023, als Teil des gemeinsamen Asylsystems GEAS, eine Krisenverordnung beschlossen worden. Die legt fest, wie EU-Staaten in solchen Fällen verfahren können. Ankommende dürfen dann zum Beispiel länger an der Grenze festgehalten werden. Deutschland hatte das aufgrund humanitärer Bedenken lange abgelehnt. Polen hatte hingegen schon früh angekündigt, sich nicht an die Verordnung gebunden zu fühlen.
Anstatt nun etwa eine vorgezogene Umsetzung des GEAS gegenüber Polen anzumahnen, stützt die Kommission den Kurs Tusks. Sie begründet dies mit einem Passus in den EU-Verträgen. Darin heißt es, die Rechte der Mitgliedstaaten zum „Schutz der inneren Sicherheit“ blieben vom EU-Recht unberührt.
Wiebke Judith von Pro Asyl sagte, die Kommission habe die Pushbacks an der polnischen EU-Außengrenze „schon lange stillschweigend toleriert“. Mit der neuen Linie gebe es offene Unterstützung aus Brüssel „für die Brutalität der polnischen Grenzschützer und für problematische Einschränkungen des Asylrechts“. Sie fürchte eine Eskalation der Lage, deren Leidtragende die Schutzsuchenden sein werden, so Judith.