Gefahr für Natur und Tier? | ABC-Z
Das Jakobskreuzkraut hat gerade Saison. Gut erkennen kann man es an den gelben Blüten. Naturschützer freuen sich zwar über die Ausbreitung der Pflanze, viele Bauern und Viehbesitzer sorgen sich aber um ihre Tiere und Äcker. Für viele Insekten ist die Vermehrung des Krauts von Vorteil, allerdings ist die Pflanze für Säugetiere giftig. Die heimische Pflanze mag besonders sonnige und trockene Standorte. Gerade durch die immer trockener werdenden Sommer vergünstigen sich die Bedingungen für das Kraut. Vor allem auf extensiv genutzten und stillgelegten Flächen ist es zu finden. Die Ausbreitung ist schwer einzudämmen, da sich das Jakobskreuzkraut sehr schnell verbreitet und auf eine korrekte Entfernung geachtet werden muss. Dominik Modrzejewski, Pflanzenbaureferent beim Landesbauernverband Baden-Württemberg sagt: „Wenn man es einmal hat, wird man es schwer wieder los.“
Was macht das Jakobskreuzkraut gefährlich?
Für die Giftigkeit sind sogenannte Pyrrolizidinalkaloide verantwortlich. Das sind in der Natur vorkommende Stoffe, die die Pflanze davor schützen sollen, von Tieren gefressen zu werden. Sie wirken laut des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg leberschädigend und gelten als krebserregend. Vor allem für Pferde und Kühe kann das Kraut gefährlich werden. Die Tiere meiden auf einer Wiese, die ausreichend Ausweichmöglichkeiten hat, das bitter schmeckende Jakobskreuzkraut, jedoch kann die Pflanze aus Versehen mit ins Heu wandern. Ihre Giftigkeit behält sie dabei, den bitteren Geschmack aber nicht. So haben die Tiere es schwer, das Kraut auszusortieren. „Die zunehmende Ausbreitung beobachten wir deshalb mit großer Sorge“, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Bereits geringe Mengen der giftigen Stoffe könne zu gravierenden Leberschäden bis hin zum Tod führen. Deswegen darf laut Ministerium Heu, das Kreuzkräuter enthält, nicht als Futter genutzt werden – weder für Heimtiere noch für Nutztiere. Beim Menschen können die Giftstoffe Gesundheitsschäden verursachen. Weiterhin verdrängt das Jakobskreuzkraut, dort wo es sich ansiedelt, andere Arten und trägt so dazu bei, dass artenreiche Wiesen verschwinden, erklärt Sonja Schütz, Referentin für Umwelt, Natursport und Tourismus bei der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VFD).
Warum ist das Kraut dennoch wichtig?
Für das Ökosystem ist das Jakobskreuzkraut trotz seiner Giftstoffe wichtig. Es bietet eine Nahrungsquelle für viele Insekten, wie beispielsweise den bedrohten Jakobskrautbär, auch Blutbär genannt. Ein Nachtfalter, der sich auf alkaloidreiche Pflanzen der Gattung Senecio spezialisiert hat, welche für andere Tiere giftig sind. Für ihn ist das Jakobskreuzkraut der wichtigste Teil seiner Ernährung. Auch andere Schmetterlingsarten und Wildbienen ernähren sich von dem Kraut. Mit der Ausbreitung des Jakobskreuzkrautes ist auch ein Anstieg der Bestände des Blutbären zu beobachten. Darum ist die Entfernung der Pflanze laut Aniela Arnold, Landschaftsökologin des NABU Baden-Württemberg, ein „zweischneidiges Schwert“. Während man das Jakobskreuzkraut auf Futterwiesen schneiden sollte,könne die Pflanze an Straßenrändern ruhig stehen bleiben.
Wie kann man gegen die Überpopulation des Jakobskreuzkrauts vorgehen?
Da der Blutbär beziehungsweise seine Raupe sich hauptsächlich von der Pflanze ernährt, sieht Landwirt Andreas Frahm aus Neuengörs in Schleswig-Holstein das Insekt als Lösung für die übermäßige Verbreitung des Krauts. Angefangen hat alles 2008, als er selbst vor der Herausforderung stand, seine Felder von der Pflanze zu befreien. Mittlerweile hat der Landwirt mehr als zehn Jahre Erfahrung mit den Raupen und der Beseitigung des Jakobskreuzkrauts. Er züchtet den Nachtfalter selbst und nutzt die Raupe dazu, die Pflanzen aufzufressen, damit sich keine neuen Samen entwickeln können und das Kraut sich nicht weiterverbreiten kann. Nach eigenen Angaben hat Frahm ein Verfahren entwickelt, mit dem er betroffene Flächen innerhalb von vier Jahren fast frei vom Kraut bekommt. Sein Wissen gibt er an Landwirte und Viehhalter weiter. „Am besten nimmt man sich gleich ganze Ortschaften vor“, sagt Frahm. Zurzeit befinden sich in Deutschland, laut Frahm, bereits 150.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen, die nach seinem Verfahren „bereinigt“ werden. „Das ist schon eine Hausnummer. Aber in Deutschland sind drei Millionen Hektar akut betroffen oder bedroht“, so Frahm.
Den Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2022 zur Folge sollen auch Schafe, obwohl sie Weidentiere sind, die Alkaloide verstoffwechseln können. Bei dem Weideexperiment, bei dem die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein Projektträger war, untersuchte man 70 Exemplare der weißen Moorschnucken und deren Kreuzungen auf einer jakobskreuzkrautreichen Wiese mit ausreichend Ausweichmöglichkeiten auf andere Gewächse. Die Studie lief über eine Zeitspanne von zwei Jahren und kam zu dem Ergebnis, dass die Tiere keine gesundheitlichen Schäden davontrugen und sogar eine Präferenz für das zucker- und proteinhaltige Kraut entwickelten. Allerdings räumt der Abschlussbericht ein, dass weitere Langzeitstudien mit anderen Rahmenbedingungen stattfinden müssten, um die These zu verfestigen. Gemeint ist damit, dass auch andere Rassen, Altersgruppen und Regionen untersucht werden müssten.
Beide dieser Maßnahmen beziehen sich auf Weiden und nicht auf Heuwiesen, wo die giftige Pflanze im Heu dann dennoch vorkommen kann. Zudem seien beide Methoden nur als Hilfeleistungen zu sehen, sagt Sonja Schütz vom VFD. „So viele Schafe gibt es in Deutschland nicht und wir wollen ja, dass unsere Pferde weiterhin auf der Weide stehen können. Das ist auch keine Lösung“, sagt sie.
Die Ausbreitung des Krautes zu kontrollieren ist schwierig. Ähnlich wie Löwenzahn bildet das Kraut pro Pflanze nach Angaben des Landvolks Niedersachsen nach der Blüte bis zu 150.000 flugfähige Samen, die vom Wind verbreitet werden. Am besten schneidet man das Jakobskreuzkraut am Anfang der Blüte, rät Kerstin Grant, Referentin für Grünlandbotanik am Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg. Die Blütezeit beginnt im Juni oder Juli. Wichtig sei es, die abgeschnittenen Pflanzen dann von den Flächen zu entfernen und zu entsorgen. Generell gilt, dass jede Bekämpfungsmaßnahme an den jeweiligen Standort fachkundig angepasst werden muss, um die Schäden auf den Naturschutzflächen so gering wie möglich zu halten. Naturschützer mahnen aber zur Vorsicht. Großflächiges Umpflügen oder Abrennen, sowie die Bekämpfung mit Herbiziden, kann bei anderen Pflanzen und Tieren zu irreversiblen Schäden führen.
Welche Maßnahmen werden bereits im Kampf gegen das Kraut umgesetzt und was fehlt noch?
Martina Gerndt von der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland rief wie bereits im Vorjahr im Umland von Verden eine Challenge aus: Sieger wird, wer das meiste Kreuzkraut fachgerecht von seinen Weiden und Mähwiesen entsorgt. Sie rechnet damit, dass die Menge von 2,5 Tonnen aus dem Jahr 2023 „bei weitem“ überschritten werde. Es handelt sich hierbei um einen regionalen Wettbewerb, der mehrfach in der Bundesrepublik stattfindet. Eine Lösung aber ist das händische Entfernen der Pflanze definitiv nicht. Die Landwirte fühlen sich von der Politik alleingelassen. Oft wird das Problem nicht ernst genommen und auf die Eigenverantwortung verwiesen. Bauern und Viehhalter müssen für die Entsorgung selbst aufkommen. In der Schweiz und Österreich gibt es mittlerweile eine Pflicht zur Bekämpfung des Krauts. „So weit wollen wir es nicht kommen lassen. Unser Ziel ist Prävention nicht Bekämpfung“, so Schütz vom VFD.
Ihre Vereinskameradin Gerndt wünscht sich ein Monitoring des Jakobskreuzkrauts, um künftig nachvollziehen zu können, wie stark sich die Pflanze verbreitet. Auch befürwortet sie eine „Bannmeile“ von 100 Metern um Pferdekoppeln und Mähwiesen. Angaben zur Ursache der Ausbreitung oder dem aktuellen Bestand in den verschiedenen Bundesländern gibt es nicht. „Wir haben Flächen, die aussehen wie ein Rapsfeld und 100 Meter weiter ist nichts“, beschreibt Sonja Schütz. Laut der Landwirtin sei es wichtig nachvollziehen zu können, weshalb und wo sich das Kraut ausbreitet, um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.
Im Herbst dieses Jahres soll eine Projektgruppe vom VFD ins Leben gerufen werden, die sich darauf konzentriert, eine Bestandsaufnahme und Kartierung auszuarbeiten. Zudem will sie nach der Ursache forschen, Präventionsmaßnahmen fördern und sich weiter dafür einsetzen, dass es Entsorgungsmöglichkeiten für alle gibt. Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen sollen in Form von Aktionstagen miteinbezogen werden.