Gedenken an NS-Opfer: Stolperstein für Berta Sewald in Dorfen verlegt – Erding | ABC-Z

Bei Sonnenschein und eisiger Kälte ist am Mittwoch am Unteren Markt 31 in der Dorfener Innenstadt ein Stolperstein zum Gedenken an die dort aufgewachsene und in der Zeit des Nationalsozialismus ermordete Berta Sewald verlegt worden. Auch Dorfen wurde von der NS-Zeit überschattet – Berta Sewald ist ein Beispiel dafür.
Die Stolpersteine – ein Kunstprojekt von Gunter Demnig, der auch den Stolperstein gestern verlegte, – sollen zum Gedenken anregen: „Die Geschichte von damals muss uns eine Mahnung sein, dass so etwas nie wieder passieren darf“, sagte Heinz Grundner (CSU) dazu. „Jedes einzelne Opfer war ein Opfer zu viel.“ Das Schicksal von Berta mahne „die Bürgergesellschaft dazu, den Anfängen zu wehren und ein klares Zeichen für die Demokratie und gegen aufkommende Ideologien zu setzen und dem entgegenzutreten“, sagte der Dorfener Bürgermeister.
:„Jeder sollte darüber Bescheid wissen“
Berta Sewald aus Dorfen wurde wegen ihrer geistigen Behinderung 1941 von den Nazis getötet. Das Schicksal der jungen Frau hat Franziska Zeller in ihrer Seminararbeit an der FOS/FOS Erding aufgegriffen. Der menschenverachtende Ton in den Krankenakten hat sie schockiert.
Eine Zeit wie von 1933 bis 1945, in der es auch in Dorfen Opfer der Gewaltherrschaft gegeben habe, dürfe sich nicht wiederholen. Die Stolpersteine seien Symbole zum Gedenken an Opfer menschenfeindlicher Ideologien. Die Erinnerung müsse wach gehalten und „Erinnerungszeichen gesetzt“ werden.
Die Aktion setze ein klares Zeichen für die Zukunft, sagte Grundner auch im Hinblick auf Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Dorfen und der 40 Jungen und Mädchen im Alter zwischen acht und zehn Jahren der dritten und vierten Klassen der Grundschule Grüntegernbach, die mit ihren Lehrkräften Paula Karger und Reinhard Heiß an der Stolpersteinverlegung teilnahmen. Der Unterstufenchor des Gymnasiums sang die Friedenshymne „Imagine“ von John Lennon.
Auch Familie von Berta Sewald war gekommen. So gedachte die Musikerin Susanne Sewald ihrer Großtante mit einem mexikanischen Lied und markanten Tönen einer „singenden Säge“. Heidi Oberhofer-Franz und Monika Schwarzenböck von der Geschichtswerkstatt Dorfen berichteten aus deren Forschungsarbeit.
Christiana Sewald, Großnichte von Berta, erinnerte an ihre vor 84 Jahren – am 25. Februar 1941 – in der Tötungsanstalt Schloss Hartheim in Österreich ermordete Großtante: „Ich wünsche mir, dass die Menschen, die an dem Stolperstein vorbeigehen, dort kurz innehalten.“ Sie bedankte sich bei Künstler Demnig für die von ihm initiierte Aktion. Durch die Stolpersteine werde „Geschichte lebendig gemacht“. Das verursachte Leid werde verdeutlicht.


Vor der Nachforschung der Geschichtswerkstatt Dorfen sei der Name von Berta in der Familie und der Kontext „vergessen gewesen“. Das schlimme Schicksal der 1907 geborenen Großtante, die aus einer Bäckerei in Dorfen stammt, habe die Familie sehr bewegt. Bereits vor der NS-Gewaltherrschaft wurde die damals zehnjährige Berta aus der Familie gerissen und wegen angeblicher Verhaltensauffälligkeiten gegen den Willen der Eltern in ein Kinderhaus gebracht. Zur Familie nach Dorfen kam sie nie wieder zurück.
Als 14-Jährige kam sie in die damalige Landesfürsorgeanstalt Taufkirchen. Jahre danach wurde sie in die Anstalt Eglfing-Haar verlegt. In der NS-Zeit wurde die Dorfenerin entrechtet, es folgte die Zwangssterilisation. 1941 wurde sie nach Österreich deportiert und dort im Schloss Hartheim ermordet. Die Asche vieler Opfer sei später in die Donau gestreut worden, hieß es: „Es war, als ob nach jahrzehntelangem Schweigen ein Tor geöffnet wurde und Platz gemacht hat für die verdrängte Traurigkeit“, sagte die Künstlerin Susanne Sewald zur Auseinandersetzung mit Bertas Schicksal.
Der Stolperstein soll exemplarisch stehen für alle NS-Opfer
Inzwischen sei die anfängliche Verzweiflung Frieden und Freude gewichen, weil ihre Verwandte nicht in Vergessenheit geraten sei, erklärte Sewald. Der Stolperstein stehe exemplarisch und stellvertretend für alle NS-Opfer. Er wurde vor Bertas Sewalds einzigen – aus der Krankenakte stammenden – noch existierenden Foto verlegt und gebe ihr ihre Würde zurück. „Es ist uns wichtig, den Opfern einen würdigen Platz in der Mitte des Lebens und der Gesellschaft zu geben“, sagte Heidi Oberhofer-Franz.
Rudolf Dengler bedauerte, dass damals zu betreuende Menschen im Stich gelassen wurden. Der Standortleiter des heutigen kob-Klinikums Taufkirchen erinnerte an einige Patientinnen wie Berta auch aus der damaligen Taufkirchener Landesheilanstalt, die einem schrecklichen Schicksal überlassen und in der Heilanstalt Eglfing-Haar verhungert sind oder im Schloss Hartheim grausam ermordet wurden.
„So etwas darf sich nicht wiederholen, dagegen müssen wir uns wehren und uns für Vielfalt, Fürsorge, gegenseitige Unterstützung für Menschen, die Unterstützung brauchen, einsetzen“, betonte Rudolf Dengler bei der Veranstaltung am Mittwoch. Nie wieder dürften Menschen verfolgt, ausgegrenzt, deportiert und ermordet werden. „Wir dürfen den Kompass unseres Handelns nicht aus den Augen verlieren“, so Dengler.