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Gedenken an den Magdeburger Anschlag: Trauer und Anspannung | ABC-Z

Magdeburg taz | Der Ältestenrat des Landtags in Sachsen-Anhalt hat die zuständigen Minister über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt befragt. Dabei ging es unter anderem darum, was die Behörden zuvor über den Mann gewusst hatten, der mit einem Leihwagen am Freitag durch den Markt gefahren ist und dabei fünf Menschen getötet sowie mehr als 200 verletzt hat.

In der einberufenen Sondersitzung am Montagnachmittag sagte Innenministerin Tamara Zieschang (CDU), dass die Polizei beim Täter im September 2023 und Oktober 2024 eine Gefährderansprache durchgeführt habe. Warum? Das ließ sie in der öffentlichen Sitzung offen. Ebenso blieb in der öffentlichen Sitzung unbeantwortet, weshalb die mobilen Einsatzkräfte, die den Zugang laut Ronni Krug, dem Beigeordneten der Stadt für Ordnung hätten schützen sollen, nicht geschützt haben. Das sei noch Teil der Aufarbeitung und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Allerdings bestätigten mehrere Quellen der taz, Tamara Zieschang habe in der vertraulichen Sitzung eingeräumt, dass das fragliche Polizeiauto 30 Meter weiter weg als am vorgesehenen Standort stand und damit de facto nicht an der Zufahrt. Das berichtete auch der MDR am Montagabend. Auf taz-Nachfrage im Innenministerium und bei der Stadt Magdeburg wurde sich nicht geäußert, da es sich um laufende Ermittlungen handle.

AfD verpasste relevante Information

Wer das nicht mehr live mitbekam, waren die zuständigen Abgeordneten der AfD-Fraktion. Denn pünktlich um 17 Uhr ging die Sitzung in den nicht-öffentlichen Teil über, und beinahe genauso pünktlich um kurz nach 17 Uhr begann die AfD Kundgebung vor dem gegenübergelegenen Magdeburger Dom. Darum verließen etwa die Fraktionsvorsitzenden Ulrich Siegmund und Oliver Kirchner sowie der Sprecher für Innenpolitik, Matthias Büttner, den Landtag, um auf die Bühne zu treten.

Die AfD hatte eine Gedenkveranstaltung und einen Trauerzug angemeldet. Laut Polizei versammelten sich etwa 3.500 AfD-Anhänger:innen auf dem Domplatz. Einige waren vermummt, andere trugen rechte Szenekleidung. Die Reden auf der Bühne beschäftigten sich weniger mit dem Leid der Opfer und Hinterbliebenen, mehr mit klassischen AfD-Thesen: Migration sei die eigentliche Ursache für Anschläge, die Regierenden sollten zurücktreten und die Medien berichteten nicht die Wahrheit. „Wir möchten unser altes Land zurück“, beendete etwa Ulrich Siegmund seine Ansprache. Statt Gedenkveranstaltung wirkte es eher wie der Auftakt zur Bundestagswahl.

Ebenfalls für die Kundgebung angekündigt: Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Als sie nach etwa zwanzig Minuten die Bühne betrat, forderte Matthias Büttner als Moderator die Menge auf, vorab ausgeteilte Knicklichter zu zeigen, „denn die Knicklichter sind der richtige Empfang für unsere Bundesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag“. Ein Teil der Menge skandierte zudem ihren Vornamen, während Weidel sich hinter das Redepult stellte. Auf dessen Vorderfront zu sehen: eine schwarze Kerze, flankiert vom AfD-Logo rechts und links.

Alice Weidel macht rechten Wahlkampf

Weidel betonte gleich zu Beginn, der Täter sei ein Islamist, der aus Hass „auf uns Menschen, auf uns Deutsche, auf uns Christen“ gehandelt habe. Dass der Täter sich über Jahre gegen den Islam engagierte und auch die AfD dabei lobend erwähnte, ließ sie aus. Stattdessen forderte Weidel eine „echte Aufklärung“ der Tat. „Dabei geht es nicht dumpfe Schuldzuweisung, unsere Polizisten leisten großartige Arbeit.“

Die AfD-Fans vor der Bühne bestätigten ihre Rede mit kurzen Sprechchören: „Abschieben! Abschieben!“ Oder auch: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“ Nach fast einer Stunde zog die AfD mit ihren An­hän­ge­r:in­nen für einen kurzen „Trauermarsch“ durch die Stadt. Von der Bühne kam noch der Hinweis, dabei auf Parolen zu verzichten, „auch wenn es einigen von euch schwerfällt. Aber wir müssen natürlich angemessen agieren“. Weil die ursprüngliche Route abgekürzt wurde, ging der Marsch schnell wieder zu Ende. Eigentlich wollte die AfD am Anschlagsort vorbeimarschieren.

Zivile Akteure gedenken mit einer Lichterkette an Opfer des Anschlags

Ein Bündnis ziviler Akteure hatte gleichzeitig zu einer Lichterkette um den leeren Weihnachtsmarkt aufgerufen. Mehrere Tausend Menschen kamen und umringten den kompletten Altmarkt. Dort bleiben auch nach der Aktion noch viele Menschen weiterhin mit den leuchtenden Kerzen in ihren Händen. Manche betrachteten still den Weihnachtsmarkt, andere unterhielten sich ruhig, wieder, andere weinten.

Beim Dom lösten sich derweil aus der beendeten AfD-Kundgebung vereinzelte Gruppen heraus und liefen in Richtung des Weihnachtmarkts. Beobachtet von der Polizei grölten sie dabei Schmähgesänge über Linke und Antifaschist:innen.

Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt und der Dachverband der fachspezifischen Opferberatungsstellen VBRG hatten vor rassistischen Angriffen und Bedrohungen gewarnt. Es drohe eine Eskalation „in Folge der Instrumentalisierung des Terroranschlags vom 20. Dezember durch die extreme Rechte und die AfD – sowohl in Magdeburg als auch darüber hinaus“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung

Nach gut 500 Metern stoppte die Polizei sie nahe der Straßenbahnhaltestelle Goldschmiedbrücke. Zwei schwarz gekleidete Personen nutzen den Moment, um auf das flache Dach des Wartehäuschens zu klettern und ein kleines Banner zu entrollen, mit der Aufschrift: „Keine Bühne für Faschismus“.

Auf den Bürgersteigen vor und hinter ihnen sammelten sich offenbar Rechtsextreme und sangen „Antifa raus!“, was die beiden auf dem Dach mit „Nazis raus!“ beantworteten. Sie stiegen erst wieder herunter, nachdem die Polizei die rechten Gruppen zur Seite gedrängt hatte. Dann führte die Polizei allerdings auch sie weg. Neben Trauer war an diesem Abend in Magdeburgs Innenstadt vor allem Anspannung zu spüren.

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