Berlin

Gedenken an den 13. August 1961: Die Unschärfe der Mauer | ABC-Z

Berlin taz | Die Mauer ist weg. Nichts hätte der Stadt Berlin besser tun können als der Mauerfall vor 36 Jahren. Das darf man nicht vergessen, erst recht nicht an einem 13. August, an dem sich der Bau dieser Blockade quer durch die Stadt zum 64. Mal jährt.

Zum Glück gibt es heute überall in der Stadt Orte, Denkzeichen, Erinnerungsstelen und -steine, die an die 28 Jahre währende Teilung Berlins erinnern. Und das trotz des Drangs unmittelbar nach der Wende, möglichst alle Spuren der Teilung so schnell wie möglich zu tilgen. Das Erinnern ist mal weniger gelungen, wie bei der unsäglichen Reinszenierung am Checkpoint Charly, und mal mehr, wie an der Mauergedenkstätte entlang der Bernauer Straße.

Dumm nur, wenn ein paar Meter weiter die Fla­neu­r:in­nen in die Irre geführt werden. Und das ausgerechnet im Mauerpark, der von der weltweit berüchtigten Wall seinen Namen hat. Ursprünglich angelegt – oder besser gesagt: durch autonome Pflanzungen erobert – wurde er gleich im Wendejahr – in einer örtlichen wie zeitlichen Zwischenwelt.

Jahrzehnte später wurde der Park um die auf der ehemaligen Westseite liegenden Brachen des einst dort bestehenden Güterbahnhofs erweitert. Seither kann man entlang der alten Trennlinie in den Boden eingelassene Kopfsteine sehen. In Höhe der Lortzinger Straße und ein weiteres Mal kurz vor dem Gleimtunnel sind zwischen die Kopfsteine Bronzeplatten eingelassen. „Berliner Mauer 1961 – 1989“ steht da drauf – wie an vielen Stellen der Stadt.

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Nur an diesem prominenten Ort ist es leider falsch. Zwar stand hier 1989 eine Mauer. Aber die war brandneu. Tatsächlich lag die Grenze 27 Jahre lang rund 50 Meter weiter östlich. Weil die Mauer eben nicht so unverrückbar war, wie es heute vielfach gedacht wird.

Die Besetzung am Potsdamer Platz

Es könnte der Ausgangspunkt für die Erzählung einer der unglaublichen Volten der Geschichte sein, die ein paar Kilometer entfernt sogar zu den Höhepunkten der Protesterzählungen Westberlins führte – auf dem Lennédreieck am Potsdamer Platz, auf dem heute drei Luxushotels stehen. Seit der Teilung hatte das in den Westen ragende Dreieck zwischen Lenné- und Bellevuestraße zu Ostberlin gehört. Die DDR-Oberen hatten jedoch beim Mauerbau eine Abkürzung genommen und das Areal links der Mauer liegen lassen – also im Westen – wo es nun fröhlich vor sich hin wucherte.

Doch der Westberliner Senat hatte in den 1980ern ein Auge auf das Ökotop im Niemandsland geworfen. Er wollte dort die Westtangente bauen, eine Autobahn, auf der man schnell am Osten vorbeirasen sollte. Also vereinbarten Ost und West den Austausch von Gebieten.

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Ähnlich wie beim jetzt auf viel höherer Ebene angedachten Gebietsaustausch in der Ukraine waren aber auch damals viele nicht einverstanden. So wurde die Brache Ende Mai 1988 besetzt und in Kubat-Dreieck umbenannt – in Erinnerung an einen jungen Mann, der sich nach seiner Festnahme bei Ausschreitungen am 1. Mai das Leben genommen hatte. Ein Hüttendorf entstand. Die Westberliner Polizei konnte nichts machen, weil die Besetzung im Osten stattfand. Die DDR-Grenzer beschränkten sich aufs Beobachten von jenseits der Mauer.

Die Flucht über die Mauer

Als das Areal am 1. Juli 1988 vom Osten zu Westen wurde, stürmte die Westpolizei zur Räumung. Die Be­set­ze­r:in­nen flohen erst auf, dann über die Mauer, wo sie von DDR-LKW abtransportiert wurden, bevor sie Stunden später wieder unerkannt in den Westen konnten.

Im Gegenzug bekam Ostberlin unter anderem den 50 Meter breiten Streifen im Mauerpark zugeschlagen. Bis dahin stand die Mauer auf der alten Schwedter Straße – unterhalb des Hangs zum Jahn-Stadion. Das galt den Grenzern als zu unsicher.

Baut auf, reißt ab

Bis die neue Mauer fertig war, dauerte es aber. Genauer gesagt wurden die Arbeiten nie komplett beendet. Selbst am 8. November 1989, also einen Tag vor dem Mauerfall, dauerten sie noch an. Und weil deswegen vor Ort noch Bagger und anderes schweres Gerät rumstanden, wurden die gleich auch zum Abriss eingesetzt. So konnte am 10. November 1989 in Höhe von Bernauer und Eberswalder Straße in die nigelnagelneue Wand das erste Loch gerissen werden – für einen provisorischen Grenzübergang.

Die falsche Gedenktafel im Berliner Mauerpark: Tatsächlich wurde die Mauer hier frühestens 1988 errichtet



Foto:
Gereon Asmuth


Auch das erfährt man, wenn man mit offenen Augen durch den Mauerpark spaziert. Gleich am Eingang an der Bernauer Straße ist diese Geschichte im sogenannten Archäologischen Fenster mit Bildern und Texten dokumentiert. Man kann darauf sehen, dass die vorherige Mauer sogar noch im Oktober 1989 hinter ihrer Kopie stand. Umso unverständlicher ist es, dass ein paar hundert Meter weiter die Geschichte der Berliner Mauer so fahrlässig verschoben wurde.

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