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Gedenk-Bank in Chemnitz: Für den überlebenden Toten | ABC-Z

Berlin taz | Wenn eine neue Bank aufgestellt wird, sei es in einem Park oder an einer Straße, ist das normalerweise kein Grund dafür, dass ein Ministerpräsident, ein ehemaliger Bundespräsident, der Oberbürgermeister, eine große Familie und hunderte weitere Menschen zusammenkommen. Doch die Bank, die am vergangenen Samstag, dem 9. November, dem Jahrestag des Pogroms von 1938, im sächsischen Chemnitz eingeweiht wurde, ist keine normale Sitzgelegenheit. Sie erinnert an einen klein gewachsenen und zurückhaltenden Mann, der sein halbes Leben lang für Verständigung geworben hat, Verständigung zwischen den Nachkommen der Opfer und der Täter.

Justin Sonder, der vor vier Jahren im Alter von 95 Jahren verstorben ist, stammte aus einer Chemnitzer jüdischen Familie. Die Nazis deportierten ihn nach Auschwitz. Sonder überlebte 16 Selektionen, er überstand bei Auflösung des Lagers den Todeszug in den Westen, den Marsch durch Bayern, bis er im Frühjahr 1945 von US-Truppen befreit wurde. Danach ist der junge Mann nach Chemnitz zurückgekehrt. In der späteren DDR ging er zur Kripo und jagte Verbrecher – keine „Politischen“, wie er erzählte, das war Angelegenheit der Staatssicherheit. „Er wollte alten und neuen Nazis nicht das letzte Wort überlassen“, sagte Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee bei der Feierstunde dazu.

Über die Jahre seiner Verfolgung hat Justin Sonder lange geschwiegen, wie so viele Überlebende. Doch 1987 kehrte die Vergangenheit zurück. Da stand mit Henry Schmidt der frühere Judenreferent der Dresdner Gestapo vor Gericht. Sonder trat in Dresden als Zeuge auf, der von Schmidt deportiert worden war – als Jude, nicht als Kommunist.

Nach der Wende 1989 begann ein zweites Leben von Justin Sonder. Er sprach als Zeitzeuge, unermüdlich immer wieder, auch noch im hohen Alter. „Er hat Geschichte lebendig gemacht“, so drückte es der Oberbürgermeister von Chemnitz Sven Schulze während der Feier am Samstag aus. Sonders Enkel Jonathan Claus sagte: „Seine wichtigste Botschaft war: ‚Ihr könnt nichts dafür und seid dafür nicht verantwortlich. Aber ihr müsst alles dafür tun, dass sich solche Taten nicht wiederholen.‘“

„Ein besonderer Platz in der Stadt“

Der Chemnitzer Ehrenbürger Sonder nahm die Strapazen und die Aufregung eines Gerichtsverfahrens in Kauf und stellte sich als Zeuge und Nebenkläger gegen den SS-Mann Reinhold Hanning zur Verfügung. Im Detmolder Gerichtssaal berichtete er von den Torturen in Auschwitz. Bei all diesen öffentlichen Verpflichtungen blieb Sonder ein durch und durch „zarter, wunderbarer Mensch“, wie es Heubner ausdrückte.

Heubner war es auch, dem die Idee mit der Bank kam, aufgestellt in Chemnitz vor dem Gebäude, in dem Justin Sonder vor mehr als 90 Jahren die Schulbank drückte. „Einen besonderen Platz in der Stadt“ nannte der Chemnitzer OB diese Wahl. „Grandios“, sagte der frühere Bundespräsident Christian Wulff zu der Idee mit der Bank. Er hatte Sonder bei einer Reise zur Gedenkstätte Auschwitz kennengelernt. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer fand deutliche Worte gegen diejenigen, für die der Holocaust nur ein „Fliegenschiss“ ist.

Jeder ist fortan eingeladen, auf der von der Bildhauerin Julia Kausch gestalteten Bank neben der Skulptur Sonders Platz zu nehmen und sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Wie das damals alles geschehen konnte. Und was zu tun ist, damit sich Ähnliches nicht wiederholt.

Sonders Enkel Jonathan Claus fand die wohl bewegendsten Worte für die Erinnerung an seinen Großvater: „Er hätte es geliebt, dass diese Bank vor dieser Schule steht. So hoffen wir, dass Justins Bank seine Lebensgeschichte vielen Menschen näher bringt.“

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