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Gazastreifen: Die Waffen sich bedeckt halten, drei Geiseln sollen freikommen – Politik | ABC-Z

Mit knapp drei Stunden Verspätung ist die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen am Sonntag in Kraft getreten. Eigentlich hätten die seit mehr als 15 Monaten andauernden Kämpfe um 7.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit stoppen sollen.

Doch am Morgen warf Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der islamistischen Organisation vor, die Namen der drei Frauen, die am Sonntag nach 470 Tagen Geiselhaft freikommen sollen, entgegen der Vereinbarung nicht übermittelt zu haben. Die israelische Luftwaffe flog daher weitere Angriffe, bei denen nach palästinensischen Angaben 19 Menschen starben.

Ob wirklich „technische Probleme“ vorlagen, wie die Hamas beteuerte, oder dies Teil einer psychologischen Kriegsführung war, bleibt offen. Während der Verhandlungen, die von den USA, Katar und Ägypten vermittelt wurden, dauerte es oft länger, bis die Hamas-Delegation ihre Militärführer in Gaza erreichte.

Zudem sind sich israelische und westliche Geheimdienste nicht sicher, ob die Hamas den Aufenthaltsort und Gesundheitszustand aller 98 Geiseln kennt. 251 von ihnen waren am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden, nachdem die Hamas und andere Terrorgruppen bei ihrem Überfall auf Israel fast 1100 Israelis und 71 Ausländer ermordet hatten. Klar ist aber: Seit 10.15 Uhr gilt die für zunächst sechs Wochen vereinbarte Waffenruhe.

Nach UN-Angaben sind 4000 Lastwagenlieferungen mit Hilfe für den Gazastreifen vorbereitet

Während die israelischen Behörden zunächst darum baten, aus Rücksicht auf die Angehörigen die Namen der drei Frauen nicht zu nennen, gab die Hamas diese Details bekannt. Wie mehrere Nachrichtenagenturen berichten, sollen zunächst die Zivilistinnen Romi Gonen, Doron Steinbrecher und Emily Damari freikommen. Dem katarischen Außenministerium zufolge haben alle die israelische Staatsbürgerschaft. Die 31 Jahre alte Steinbrecher hat zudem einen rumänischen Pass und wurde wie Damari, 28, aus dem Kibbuz Kfar Aza entführt. Damari besitzt auch die britische Staatsbürgerschaft. Romi Gonen, 24, war am 7. Oktober 2023 vom Supernova-Musikfestival entführt worden.

Eine Demonstrantin in Israel zeigt ein Foto von Emily Damari. (Foto: Tomer Appelbaum/Reuters)

Ursprünglich war die Freilassung der Geiseln für 15 Uhr mitteleuropäischer Zeit geplant; es ist noch unklar, ob sich wegen des verspäteten Beginns der Waffenruhe der Plan verändert. Etwa für die gleiche Zeit hatte Israel zugesagt, die ersten etwa 90 palästinensischen Häftlinge aus den Gefängnissen freizulassen. Sie sollten von Sicherheitskräften ins besetzte Westjordanland oder nach Gaza gebracht werden.

Romi (Meirav Leshem) Gonen wurde vom Supernova-Festival entführt. (Foto: Gonen Family/Reuters)

Die erste Phase der Vereinbarung sieht auch vor, dass die zwei Millionen Zivilisten im Gazastreifen von Ägypten aus besser mit Lebensmitteln versorgt werden. Nach Angaben der Vereinten Nationen leiden 90 Prozent der Menschen im Küstenstreifen unter Hunger; es seien 4000 Lastwagenlieferungen vorbereitet. Die Gesundheitsbehörde im Gazastreifen, die der Hamas nahe steht und deren Aussagen nicht zu überprüfen sind, teilte am Sonntag mit, dass seit Beginn der israelischen Angriffe mindestens 46 913 Menschen getötet und mindestens 110 750 Palästinenserinnen und Palästinenser verletzt worden seien.

Die rechtsextreme Partei Otzma Jehudit steigt aus der Regierungskoalition aus

Am Sonntagvormittag verließ Itamar Ben-Gvir, der bisherige Minister für Nationale Sicherheit, wie angekündigt die Regierung Netanjahus, um gegen das Abkommen und die „Kapitulation vor der Hamas“ zu protestieren. Wie mehrere israelische Medien berichten, verlässt auch die sechsköpfige Fraktion von Ben-Gvirs rechtsextremer Partei Otzma Jehudit die Koalition, sodass Netanjahu nur noch 62 von 120 Abgeordneten hinter sich weiß.

Auch wenn mehrere Oppositionsparteien Netanjahu wohl stützen würden, um alle Geiseln beziehungsweise deren Leichen nach Israel zu holen, müht sich Netanjahu erkennbar darum, Smotrich und dessen „Religiöse Zionisten“-Partei bei Laune zu halten. So drohte er in einer Videoansprache am Samstagabend damit, die Kampfhandlungen im Gazastreifen wieder aufzunehmen, wenn sich die vereinbarte Waffenruhe als sinnlos erweisen solle. Er habe dafür den Rückhalt des designierten US-Präsidenten Donald Trump wie auch seines Vorgängers Joe Biden, behauptete der 75-Jährige.

„Falls wir zum Kampf zurückkehren müssen, werden wir das auf neue, energische Weise tun“, sagte er, ohne Details zu nennen. Demonstrativ sprach er von einer „vorübergehenden Waffenruhe“.

Während die militärisch geschwächte Hamas eine Garantie für das Ende des Krieges fordert, betonte Netanjahu, dass Israel „alle seine Kriegsziele“ im Gazastreifen erreichen werde. Von dort soll das Land nicht mehr bedroht werden können. Zudem sollen alle Geiseln zurückkehren sowie die militärischen und administrativen Fähigkeiten der Hamas „eliminiert“ werden, sodass diese künftig keine Rolle mehr spielen kann.

Diese Position wiederholte am Sonntag auch Außenminister Gideon Saar vor Reportern: Sollte die Hamas an der Macht bleiben, werde es in Zukunft für keine der beiden Seiten Frieden, Stabilität und Sicherheit geben.

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