Fußball: Stadionsicherheit – Der 10-Punkte-Plan der DFL gegen Gewalt und Pyro | ABC-Z
Bayerns Innenminister Herrmann fordert konkrete Vorschläge der Klubs und Verbände im Kampf gegen Chaoten im Stadion. Andernfalls würden drastische Sanktionen greifen. Die Liga erarbeitet nun ein Aktionspaket. Dazu gehören unter anderem Flughafen-Scanner.
Der Flughafen München ist am 18. Oktober Schauplatz des Sicherheitsgipfels zwischen Politik, DFB und DFL. Die Fronten sind verhärtet, nachdem Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Vorsitzender der Sportministerkonferenz der Bundesländer im Interview mit der „Sport Bild“ erklärt hat, er erwarte „dringend konkrete Vorschläge“ der Verbände und Klubs im Kampf gegen Gewalttäter und Pyro-Chaoten in den Stadien. Andernfalls droht er mit Geisterspielen, personalisierten Tickets, Spielabbrüchen und Punktabzügen.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke reagierte als DFL-Aufsichtsratschef im Gespräch mit der „Bild“ angefressen: „Dass wir ein Problem haben, lässt sich nicht von der Hand weisen. Aber mir hat die deutliche Rhetorik nicht so gut gefallen. Das war ein bisschen too much.“
Trotzdem werden DFB und Liga liefern. Diesen Freitag entscheidet das DFB-Präsidium über zehn Vorschläge der „AG Stadionsicherheit“ aus DFB-, DFL-, Klub- und Fan-Vertretern in drei Bereichen: Prävention, Eindämmung und Sanktion. Ein sechsseitiges AG-Papier zur Vorbereitung des DFL-Präsidiums liegt dieser Redaktion exklusiv vor.
Wichtig für die Fans: Die seit 2017 vom DFB ausgesetzten Kollektivstrafen wie Zuschauer-Teilausschlüsse – gerade verhängt von Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) für das Zweitliga-Derby Hannover gegen Braunschweig (6. Oktober) – und Geisterspiele gehören nicht zu den Maßnahmen, die der Politik vorgeschlagen werden.
Die Gründe: Es wird befürchtet, dass die ausgesperrten Ultras marodierend durch die Innenstädte ziehen und noch mehr Polizisten eingesetzt werden müssen. Unter dem Punkt „Gästefanausschluss“ des Maßnahmen-Katalogs wird u. a. gewarnt: „Es kann zu einer verstärkten Anreise ohne Tickets in Kombination mit einer Solidarisierung von Stadionverbotlern vor Ort kommen (insbesondere bei Derbys). Das Risiko wird vor das Stadion in den öffentlichen Raum ausgelagert.“
Personalisierte Tickets werden „entschieden abgelehnt“
Zudem würden mit Kollektivstrafen „mindestens 95 Prozent der Fans unberechtigt bestraft“. Kollektivstrafen dürften daher „nur als das allerletzte Sanktionsmittel ausgesprochen werden“.
Auch die von Herrmann befürwortete Einführung personalisierter Tickets lehnen DFL und Klubs „entschieden ab, da deren Einführung in letzter Konsequenz einen Wegfall der Stehplätze bedeuten würde“. Nur Sitzplätze würden eine Identifizierung der Störer ermöglichen. Zudem würde die Überprüfung der Personalien „zu erheblichen Verzögerungen und Konflikten“ bei den Einlasskontrollen sorgen.
Spielabbrüche, für Herrmann die Ultima Ratio, würden „das Frustrationspotenzial steigern, und es kann zu unkontrollierten Zusammentreffen von Fangruppen kommen“.
Zu den AG-Vorschlägen und -Forderungen an die Politik, die WELT vorliegen, gehören u. a.:
- Neudenken bei Pyrotechnik
Die DFL beschäftigt sich mit einem Test in Norwegens Liga, bei dem in Abstimmung mit der Politik das Abbrennen von Pyrotechnik unter strengen Auflagen erlaubt ist.
Verbesserung rechtlicher Möglichkeiten für Stadionverbote werden zurückgenommen, wenn die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren einstellt. Darauf hätten sich Ultras und ihre Anwälte eingestellt. Stadionverbote blieben oft erfolglos, da eine lückenlose Beweisführung fehle. Folge: eine stark zurückgehende Anzahl von Stadionverboten von 2946 in 2013 gegenüber 557 in 2023. Daraus resultiert die nächste Maßnahme:
- Prüfung der Freigabe von Daten
Vereine können die DFB-Strafe mindern, wenn sie sich an der Täter-Identifizierung beteiligen und diese sanktionieren. Das Problem: Trotz Video-Überwachung der Blöcke stellen die Behörden den meisten Klubs die Bilder nicht zur Verfügung unter Hinweis auf den Datenschutz. Die Vereine wollen künftig das Bild-Material auswerten dürfen. Der Vorwurf aus der Liga: Datenschutz werde sonst als Täterschutz missbraucht.
- Prüfung neuer Technik bei Einlasskontrollen
An den Stadioneingängen kommen Ordner zum Einsatz, die die Fans abtasten. Doch das Sicherheitspersonal hat nicht überall die gleiche Qualität. Der FC Bayern setzt seit Saisonbeginn Sicherheitsschleusen ähnlich der Flughafen-Kontrollen ein, die auch gefährliche Gegenstände wie versteckte Messer anzeigen.
In der „AG Stadionsicherheit“ wurde hitzig diskutiert, Stuttgart-Boss Alexander Wehrle kritisierte scharf, die Detektoren würden eine „Kriegserklärung“ an die Fan-Szene darstellen und seien bei Pyrotechnik wirkungslos. Unterstützt wurde Wehrle von Philipp Reschke, für die Fans verantwortlicher Vorstand bei Eintracht Frankfurt. Befürworter der Technik, darunter Leipzigs Geschäftsführer Uli Wolter, verwiesen darauf, dass die Kontrollen auch deutlich schneller abliefen als durch Ordner. Am Ende stimmte die AG-Mehrheit pro Schleusen-Technik.
Bei seiner Strafbemessung soll das DFB-Sportgericht künftig berücksichtigen, ob es sich um nicht genehmigte und verbotene Pyrotechnik (Rauchtöpfe, Bengalos) oder pyrotechnische Gegenstände als Waffe (Pyro, die die Hand verlässt) handelt. Und ob z. B. ein Bengalo unten am Zaun oder mitten im Block gezündet wurde, wo die Gefahr deutlich größer ist.
Auch soll der DFB-Strafenkatalog bei einer „unverhältnismäßig großen Anzahl an pyrotechnischen Gegenständen“ nicht mehr angewendet werden, sondern eine pauschale Geldstrafe verhängt werden. Bislang muss ein Bundesligist pro abgebranntem Gegenstand 1000 Euro zahlen (2. Liga: 600 Euro), für das Abschießen/Werfen sind je 3000 Euro fällig (2. Liga: 1500 Euro).
Ein Vorschlag, über den das DFB-Präsidium entscheidet, birgt Brisanz im Verhältnis zwischen Verband und Liga. Bislang kann ein Verein den Antrag stellen, dass ein Drittel der DFB-Strafe in die Sicherheit seines Stadions investiert werden darf. Was die Liga ärgert: Die übrigen zwei Drittel wandern zweckentfremdet in die DFB-Stiftungen. DFL-Vertreter in der AG beantragen deshalb, dass die Klubs „40 bis 50 Prozent“ in eigene Präventivmaßnahmen investieren dürfen.
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) recherchiert und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.